Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung der Verfahrensaussetzung

 

Leitsatz (NV)

1. Ist in einem Beschluß als Endzeitpunkt der Verfahrensaussetzung ein bestimmtes Ereignis bezeichnet, so verliert der Beschluß seine Wirkung, sobald dieses Ereignis eintritt, ohne daß dies von einem erneuten Beschluß des FG abhängig ist.

2. Das FG kann einen Beschluß über die Aussetzung des Verfahrens jederzeit aufheben, auch wenn die bei der Aussetzung bestimmte Frist noch nicht abgelaufen ist.

3. Sofern es einen Mangel darstellen sollte, wenn vor Erlaß eines Aufhebungsbeschlusses kein rechtliches Gehör gewährt worden ist, wird ein solcher Mangel dadurch geheilt, daß der Beteiligte sich im Beschwerdeverfahren rechtliches Gehör verschaffen kann (ständige Rechtspr.).

 

Normenkette

FGO § 74

 

Tatbestand

Der Kläger erhob gegen die Einkommensteuerbescheide 1989, 1990 und 1991 Klage, mit der er noch nicht festgestellte, vom FA zu berücksichtigende Verluste aus den Jahren 1991 und 1992 geltend machte. Das Finanzgericht (FG) setzte das Verfahren "bis zur Entscheidung des FA über die gesonderte Feststellung der geltend gemachten rück- und vortragsfähigen Verluste" aus. Zugleich trennte es von dem Verfahren das Verfahren wegen der Zinsen zur Einkommensteuer 1989 bis 1991 ab und setzte auch das abgetrennte Verfahren X "bis zur Entscheidung in der Sache Y" aus.

Nachdem Feststellungsbescheide des beklagten FA und des FA G über die gesonderte Feststelllung des verbleibenden Verlustabzuges ergangen waren, beschloß das FG, die Aus setzung der Verfahren aufzuheben, weil die Gründe für die Aussetzungsbeschlüsse mit Erlaß der Änderungsbescheide entfallen seien.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist statthaft (§ 128 Abs. 2 Halbsatz 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), aber unzulässig.

Soweit sich der Kläger gegen die Auf hebung der Verfahrensaussetzung in dem Verfahren Y wendet, fehlt es an einer Beschwer. Ist nämlich in einem Beschluß über die Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO als Endzeitpunkt der Verfahrensaussetzung ein bestimmtes Ereignis, etwa -- wie hier -- das Ergehen einer bestimmten Verwaltungsentscheidung, bezeichnet, so endet die Aussetzung des Verfahrens und verliert der Beschluß nach § 74 FGO seine Wirkung, sobald dieses Ereignis eintritt (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. Januar 1989 XI ZR 75/88, Neue Juristische Wochenschrift 1989, 1729; Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Rdnr. 8004; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 53. Aufl., § 150 Rdnr. 4).

Hier war die Verfahrensaussetzung bis zur Entscheidung des FA über die gesonderte Feststellung der geltend gemachten Verluste ausgesetzt worden. Die Entscheidung ist inzwischen ergangen. Auch das FA G hat im übrigen die dort geltend gemachten Verluste des Klägers festgestellt. Damit endete die Verfahrensaussetzung, ohne daß dies von einem Beschluß des FG abhängig war.

Der angefochtene Beschluß hat deshalb im Hinblick auf das Verfahren Y nur deklaratorische Bedeutung. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde ist insoweit nicht erkennbar.

Im Ergebnis das gleiche gilt hinsichtlich der Aufhebung der Verfahrensaussetzung in dem Verfahren X. Das FG hat die Verfahrensaussetzung zwar durch die "Entscheidung" in dem Verfahren X befristet, die bislang nicht ergangen ist. Bei sinnentsprechender Auslegung ist jedoch der Aussetzungsbeschluß des FG in dem Verfahren X nicht dahin zu verstehen, daß dieses Verfahren bis zum Ergehen einer Entscheidung in dem Verfahren Y ausgesetzt werden sollte. Denn es fehlt an einem Anhaltspunkt dafür, daß das FG die Entscheidung in dem Verfahren X zurückstellen wollte und nicht vielmehr meinte, das Verfahren X solle ausgesetzt sein, solange eine Entscheidung in dem Verfahren Y nicht vorbereitet werden kann, im Ergebnis also: solange die Aussetzung in diesem Verfahren fortdauert.

Selbst wenn aber die Beschwerde hinsichtlich der Aufhebung der Verfahrensaussetzung in dem Verfahren X nicht am fehlenden Rechtsschutzbedürfnis des Klägers scheitern müßte, könnte sie keinen Erfolg haben. Denn das FG kann einen Beschluß über die Aussetzung des Verfahrens jederzeit nach seinem Ermessen wieder auf heben, auch wenn die bei der Aussetzung bestimmte Frist noch nicht abgelaufen ist (vgl. Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, a. a. O., Rdnr. 8003). Es sind weder Gründe vorgetragen noch sonst erkennbar, warum die Entscheidung des FG vorliegend ermessensfehlerhaft oder jedenfalls unzweck mäßig sein sollte. Ob das FG vor Erlaß des angegriffenen Beschlusses den Beteiligten hätte rechtliches Gehör gewähren müssen, kann auf sich beruhen, weil ein solcher Mangel der angegriffenen Entscheidung jedenfalls dadurch geheilt wäre, daß der Kläger sich im Beschwerdeverfahren recht liches Gehör verschaffen konnte, davon jedoch keinen Gebrauch gemacht hat (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 29. September 1976 I B 113/75, BFHE 120, 134, BStBl II 1977, 83, und vom 18. August 1987 VII B 97/87, BFH/NV 1988, 374).

 

Fundstellen

Haufe-Index 421663

BFH/NV 1997, 51

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