Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist

 

Leitsatz (NV)

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist kann nicht gewährt werden, wenn die Rechtsmittelbelehrung des FG-Urteils ohne weiteres den Schluß erfordert hat, daß die Revision mangels entsprechender Zulassung im vorinstanzlichen Urteil gerade nicht zugelassen war und folglich die Zulassung der Revision einer Beschwerde bedurfte.

 

Normenkette

FGO § 56 Abs. 1, § 115 Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 07.05.1991; Aktenzeichen 2 BvR 1418/90)

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhob wegen der Veranlagung zur Einkommensteuer 1984 Klage vor dem Finanzgericht (FG).

Das FG wies die Klage mit Urteil vom 14. Dezember 1988 ab, ohne Ausführungen zur Zulassung der Revision zu machen. Das Urteil enthielt folgende Rechtsmittelbelehrung: ,,Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof die Revision zugelassen hat . . . Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils angefochten werden. . . . Vor dem Bundesfinanzhof muß sich jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Das gilt auch für die . . . Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision . . .".

Das Urteil wurde dem Kläger laut Postzustellungsurkunde (PZU) am 7. Januar 1989 zugestellt.

Mit Schreiben vom 31. Januar 1989, das beim FG am 1. Februar 1989 einging, beantragte der Kläger unter Bezugnahme auf die dem Urteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung die Zulassung der Revision, da er dem Urteil nicht entnehmen könne, ob die Revision ,,bereits zwangsläufig" zugelassen sei. Nach der Rechtsmittelbelehrung des FG-Urteils komme er wohl nicht umhin, sich noch nach einem beim Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Rechtskundigen umzuschauen; vorsichtshalber beantrage er, ihn von dieser Verpflichtung zu befreien und seine Selbstvertretung zuzulassen.

Mit Schreiben vom 10. Februar 1989 wies ihn die Berichterstatterin beim FG darauf hin, daß das Gesetz (Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG -) eine derartige Möglichkeit nicht vorsehe. In einem weiteren Schreiben vom 22. Februar 1989 teilte die Berichterstatterin dem Kläger unter Bezugnahme auf ein Telefonat vom 20. Februar 1989 nochmals mit, daß ein Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) von einer im Sinne der Rechtsmittelbelehrung vertretungsbefugten Person zu erfolgen habe.

Daraufhin beantragte ein vom Kläger als Prozeßbevollmächtigter bestellter Rechtsanwalt mit am 22. Februar 1989 beim FG eingegangenem Schreiben, dem Kläger wegen der Versäumung der Beschwerdeeinlegungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und die Revision zuzulassen. Der Rechtsmittelbelehrung des Urteils sei nicht zu entnehmen gewesen, ob das FG die Revision zugelassen habe. Der Kläger habe als juristischer Laie nicht wissen können, ob ein weiteres Vorgehen gegen das Urteil des FG in jedem Falle der vermittelnden Tätigkeit eines Rechtsanwalts bedurft hätte. Der Rechtsmittelbelehrung sei lediglich zu entnehmen gewesen, daß jegliches Rechtsmittel zum BFH durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer eingelegt werden müsse.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

Vor dem BFH muß sich - wie auch aus der Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Urteil hervorgeht - jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handelt, durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten lassen (Art. 1 Nr. 1 Satz 1 BFHEntlG). Dies gilt auch für die Einlegung einer Beschwerde (Art. 1 Nr. 1 Satz 2 BFHEntlG). Fehlt es, wie offensichtlich im Streitfall, an diesem Erfordernis der ordnungsgemäßen Vertretung durch einen Angehörigen der in Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG aufgeführten Berufsgruppen (Prozeßhandlungsvoraussetzung; vgl. dazu Rosenberg / Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl., § 45 II 1, S. 249), so ist die betreffende Prozeßhandlung unwirksam.

Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO kann dem Kläger nicht gewährt werden, weil er nicht ,,ohne Verschulden verhindert" war, diese Frist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 FGO). Die Fristversäumnis durch den Kläger wäre nur dann als entschuldigt anzusehen, wenn dieser sie durch die äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht hätte verhindern können (BFH-Beschluß vom 7. Februar 1977 IV B 62/76, BFHE 121, 171, BStBl II 1977, 291 m.w.N.). Das war nicht der Fall. Denn bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte der Kläger die Fristversäumung vermeiden können, da der Rechtsmittelbelehrung des FG-Urteils eindeutig zu entnehmen war, daß den Beteiligten die Revision nur zusteht, wenn das FG oder, auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung, der BFH die Revision zugelassen hat. Der Kläger hätte daraus ohne weiteres den Schluß ziehen können und müssen, daß die Revision mangels entsprechender Zulassung im vorinstanzlichen Urteil gerade nicht zugelassen war und folglich die Zulassung der Revision einer Beschwerde bedurfte. Der Rechtsmittelbelehrung des FG-Urteils war auch eindeutig zu entnehmen, daß sich bei einer derartigen Beschwerde jeder Beteiligte vor dem BFH durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten lassen muß. Dennoch aufgekommene Zweifel hätte der Kläger ohne weiteres durch rechtzeitige Einholung eines sachverständigen Rates beheben können und müssen (Beschluß in BFHE 121, 171, BStBl II 1977, 291).

 

Fundstellen

BFH/NV 1991, 176

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