Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerrechtliche Bedeutung des Ausgleichsanspruchs eines Handelsvertreters nach § 89b HGB

 

Leitsatz (NV)

Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89b HGB ist umsatzsteuerrechtlich Gegenleistung für die bereits erbrachten Vermittlungsleistungen und soll nicht das Übertragen des Kundenstammes als eine eigenständige sonstige Leistung des Handelsvertreters gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 9, § 9a Abs. 1 UStG 1980 vergüten.

 

Normenkette

HGB § 89b; UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 9, § 3a Abs. 1, § 4 Nr. 5 Buchst. c

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) ist Handelsvertreter. Er vermittelte seit 1983 für eine belgische Firma Umsätze, die ausschließlich im Außengebiet bewirkt wurden und die der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) gemäß § 4 Nr. 5 Buchst. c des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 als steuerfrei behandelte.

1987 beendete der Kläger seine Tätigkeit für den belgischen Unternehmer und erhielt aufgrund einer Vereinbarung auf seinen Ausgleichsanspruch gemäß § 89b des Handelsgesetzbuches (HGB) insgesamt ... DM. Der Betrag war in 4 Raten zu zahlen. 1987 flossen dem Kläger ... DM, 1988 der Rest in Höhe von ... DM zu.

Das FA unterwarf die Ausgleichszahlungen der Umsatzsteuer. Es vertrat die Auffassung, sie seien Entgelt für eine von den Vermittlungsleistungen zu unterscheidende gesonderte Leistung des Handelsvertreters - die Übertragung des geschaffenen Kundenstammes und der Geschäftsbeziehungen -.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, der Handelsvertreter erbringe keine weiteren, über die bereits vor Vertragsauflösung verrichteten Dienste hinausgehenden Leistungen, um in den Genuß der Ausgleichszahlungen zu gelangen. § 89b HGB regele nach seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Natur lediglich einen zusätzlichen Vergütungsanspruch des Handelsvertreters für die in der Vergangenheit geleisteten und nach Vertragsende fortwirkenden Dienste.

Hiergegen wendet sich das FA mit seiner auf Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützten Nichtzulassungsbeschwerde. Es meint, das angefochtene Urteil weiche von den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Juli 1990 X R 111/88 (BFHE 162, 38, BStBl II 1991, 218) vom 27. Juni 1957 V 106/57 U (BFHE 65, 130, BStBl III 1957, 282) und vom 26. September 1968 V 196/65 (BFHE 94, 296, BStBl II 1969, 210) ab.

 

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde des FA ist unbegründet.

Das angefochtene Urteil weicht nicht von den Entscheidungen des BFH in BFHE 65, 130, BStBl III 1957, 282; BFHE 94, 296, BStBl II 1969, 210, und in BFHE 162, 38, BStBl II 1991, 218 ab.

Das FA bringt zur Begründung seiner Beschwerde sinngemäß vor, nach den oben genannten BFH-Entscheidungen beruhe der Vergütungsanspruch des Handelsvertreters auf einer eigenständigen, von der im Streitfall gemäß § 4 Nr. 5 Buchst. c UStG 1980 steuerbefreiten Vermittlungsleistung zu unterscheidenden sonstigen Leistung des Handelsvertreters, dem Geschäftsherrn den wirtschaftlich wertvollen Kundenstamm zur Verfügung zu stellen. Hiervon weiche das angefochtene Urteil ab; denn danach sei Gegenleistung für den Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB die bereits durch den Handelsvertreter ausgeführten Vermittlungsleistungen.

Der vom FA zutreffend wiedergegebene abstrakte Rechtssatz, auf dem die Vorentscheidung beruht, weicht indes nicht von den Entscheidungen in BFHE 65, 130, BStBl III 1957, 282, und in BFHE 94, 296, BStBl II 1969, 210 ab. In diesen Entscheidungen hat der Senat erkannt, daß der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB umsatzsteuerrechtlich als Entgelt und nicht als Schadensersatz zu beurteilen ist. Er hat einen Leistungsaustausch zwischen dem Auftraggeber und dem Handelsvertreter bejaht. Von diesen Grundsätzen ist auch das angefochtene Urteil ausgegangen. Es hat den Ausgleichsanspruch als Gegenleistung für die bereits erbrachten Vermittlungsleistungen des Handelsvertreters beurteilt. Den angeführten BFH-Urteilen ist entgegen der Auffassung des FA aber nicht zu entnehmen, daß der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB mit dem Zurverfügungstellen des Kundenstammes eine eigenständige sonstige Leistung des Handelsvertreters gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 9, § 9 Buchst. a Abs. 1 UStG 1980 vergüten soll.

Ein Rechtssatz dieses Inhalts ergibt sich ebensowenig aus der Entscheidung des X. Senats in BFHE 162, 38, BStBl II 1991, 218. Auch dieses Urteil geht im Einklang mit der übrigen ständigen Rechtsprechung des BFH und des Bundesgerichtshofs davon aus, daß die Ausgleichszahlung auf einem Anspruch beruht, der seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Natur nach ein zusätzlicher Vergütungsanspruch des Handelsvertreters für die vor Vertragsende geleisteten und nach Vertragsende fortwirkenden Dienste ist, der unmittelbar aus dem Handelsvertreterverhältnis folgt und keinen besonderen Willensentschluß voraussetzt. Dieser Rechtssatz besagt also nicht, die Ausgleichszahlung vergüte die Übertragung des Kundenstammes und damit eine von den bis zum Vertragsende geleisteten Diensten (Vermittlungsleistungen) gesonderte und eigenständige Leistung des Handelsvertreters. Im übrigen enthält das Urteil des X. Senats keine Aussagen zum hier maßgeblichen umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbereich.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der ertragsteuerrechtlichen Behandlung der entgeltlichen Übertragung von Vertretungen auf einen Nachfolger (BFH in BFHE 162, 38, BStBl II 1991, 218). Denn in diesem Fall handelt es sich nicht um Ausgleichszahlungen gemäß § 89b HGB, sondern um ein selbständiges Leistungsverhältnis zwischen dem Handelsvertreter und seinem Nachfolger. Rückschlüsse auf die Art der durch die Ausgleichszahlungen des Geschäftsherrn abgegoltenen Leistung des Handelsvertreters lassen sich entgegen der Auffassung des FA nicht ziehen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 350

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge