Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Richterablehnung wegen Nichtaufhebung eines Termins

 

Leitsatz (NV)

Lehnt der Vorsitzende die beantragte Aufhebung eines Termins zur mündlichen Verhandlung ab, weil ein erheblicher Grund dafür nicht glaubhaft gemacht worden ist, so rechtfertigt dieses Vorgehen nicht die Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit.

 

Normenkette

FGO § 51 Abs. 1 S. 1, § 155; ZPO § 42 Abs. 1-2, § 227

 

Tatbestand

In einem Klageverfahren des Klägers wegen Kraftfahrzeugsteuer war Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht - FG - auf den 18. Dezember 1987 anberaumt worden. Am 11. Dezember 1987 ging beim FG ein Schreiben des Steuerbevollmächtigten (StBev) T - erstinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter des Klägers - ein, mit dem beantragt wurde, den Termin aufzuheben und die Sache zu vertagen, weil das Büro des Prozeßbevollmächtigten ab 18. Dezember 1987 wegen Urlaubs geschlossen sei. Der Vorsitzende des zuständigen Senats, Vorsitzender Richter am Finanzgericht (VRFG) R, lehnte den Antrag auf Terminaufhebung ab, da nicht ersichtlich sei, daß bereits zum 18. Dezember 1987 eine Urlaubsreise fest gebucht sei. Dies gab VRFG R. dem Vertreter des Prozeßbevollmächtigten, Steuerberater (StB) L, am 15. Dezember 1987 fernmündlich vorweg mit dem Hinweis bekannt, eine Terminaufhebung komme nur in Betracht, wenn glaubhaft gemacht werde, daß StBev T und StB L schon vor Zugehen der Ladung eine Urlaubsreise zum Terminstag fest gebucht hätten. Bei einer persönlichen Vorsprache am 17. Dezember 1987 legte StB L Bescheinigungen zweier Vermieter vor, nach denen er und StBev T je ein Ferienhaus im Ausland gemietet hatten. Er erklärte zusätzlich, die Reisen zu den Urlaubszielen sollten - je mit eigenem Kraftwagen - bereits am 18. Dezember 1987 angetreten werden. VRFG R hielt jedenfalls eine der Bescheinigungen nicht für ausreichend, da sich aus ihr das Buchungsdatum nicht ergebe. Ein von ihm mit dem betreffenden Vermieter geführtes Ferngespräch erbrachte nicht die für notwendig gehaltenen Aufschlüsse. Er lehnte darauf den Antrag erneut ab.

Darauf lehnte der Kläger VRFG R wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Er führte dazu im wesentlichen aus, der Richter habe im Gespräch mit StB L im Gegensatz zu der fernmündlich gegebenen Zusage erklärt, er werde den Senat entscheiden lassen, und nicht unklar gelassen, wie die Entscheidung ausfallen werde; dies dokumentiere, daß die Entscheidungen bei dem Richter ,,vorgefertigt" gewesen seien. Für die Annahme einer Verzögerungstaktik spreche auch das - ungewöhnliche - Vorgehen des Richters bei dessen Rückfrage beim Vermieter.

Das FG wies das Ablehnungsgesuch nach Einholung einer dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters als unbegründet zurück. Ein Ablehnungsgrund - so das FG - könne nicht darin gesehen werden, daß der Richter im Verlauf des Rechtsstreits einen Antrag des Beteiligten abgelehnt bzw. eine für diesen ungünstige prozeßleitende Verfügung getroffen habe, solange diese Entscheidung nicht willkürlich oder aus unsachlichen oder parteiischen Gründen erfolgt sei. Die Ablehnung der beantragten Terminaufhebung sei sachgerecht gewesen, der Hinweis darauf, daß über den Vertagungsantrag der Senat entscheiden werde, berechtigt. Die Belehrung darüber, daß eine Nichtgewährung rechtlichen Gehörs mit der Revision gerügt werden könne, sei für den Fall erteilt worden, daß der Senat dem Vertagungsantrag nicht stattgeben würde. Wegen der auffälligen Übereinstimmung der Bescheinigungen in Wortlaut und Inhalt sei es auch sachgerecht gewesen, wie von StB L angeregt, bei dem Vermieter anzurufen, um die Beziehungen zwischen diesem - Mandant von T - und dem Antragsteller aufzuklären.

Im Anschluß hieran hat das FG unter Mitwirkung von VRFG R in der Sache entschieden (Klageabweisung), ohne daß der Kläger anwesend oder vertreten war.Mit der Beschwerde gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs macht der Kläger geltend, die Vertagung sei am 15. Dezember 1987 fernmündlich zugesagt worden, unter der Voraussetzung, daß die Urlaubsbuchung bis zum 18. Dezember 1987 belegt würde; als diese Voraussetzung am 17. Dezember 1987 vorgelegen habe, sei die Zusage zurückgenommen worden. Dabei sei die Bestätigung des Prozeßbevollmächtigten in einer Weise ,,überprüft" worden, die den Vorhalt beinhalte, jener habe gelogen. Die ,,Täuschung" des Prozeßbevollmächtigten lasse objektiv den Eindruck zu, daß eine Kontroverse zwischen Richter und Prozeßbevollmächtigtem ausgetragen werde, die den ,,klaren Blick" in der Sache zu trüben geeignet sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Sie ist zulässig, obwohl das FG unter Mitwirkung des abgelehnten Richters bereits eine Entscheidung in der Hauptsache getroffen hat. Im Falle des Erfolgs der Beschwerde könnte nachträglich, unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Revisionsfrist, zulassungsfreie Revision gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 2, § 119 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - eingelegt werden (vgl. Kühn/Kutter/Hofmann, AO/FGO, 15. Aufl. 1987, § 51 FGO Bem. 6; Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluß vom 30. November 1981 GrS 1/80, BFHE 134, 525, 531, BStBl II 1982, 217).

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FGO, § 42 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Das ist der Fall, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus, jedoch bei objektiver, vernünftiger Betrachtung, davon ausgehen kann, der Richter werde nicht unvoreingenommen entscheiden (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH, Beschluß vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, 147, BStBl II 1985, 555). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben.

Der Prozeßbevollmächtigte selbst hat aus Gründen seiner Person kein Recht, Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen (Senat, Beschluß vom 28. Januar 1986 VII B 118/85, BFH/NV 1986, 415, 417, mit Nachweisen). Selbst wenn in dem Vorgehen des abgelehnten Richters ein ehrenrühriger Vorwurf gegen den Prozeßbevollmächtigten läge, würde sich daraus allein noch kein Ablehnungsgrund ergeben. Ein solcher Grund könnte nur angenommen werden, wenn die ablehnende Einstellung des Richters gegenüber dem Prozeßbevollmächtigten auch im Verhältnis zu der allein ablehnungsberechtigten Partei in Erscheinung tritt (vgl. auch BFH, Beschluß vom 21. September 1977 I B 32/77, BFHE 123, 305, 307, BStBl II 1978, 12). Ein derartiger Fall liegt nicht vor.

Die Aufhebung oder Verlegung eines Termins - durch den Vorsitzenden - setzt ebenso wie die dem Gericht obliegende Vertagung eines Termins nach Beginn seiner Durchführung einen erheblichen, auf Verlangen glaubhaft zu machenden Grund voraus (§ 155 FGO, § 227 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 ZPO). Als erheblicher Grund anerkannt wird die Ortsabwesenheit eines Beteiligten oder seines Bevollmächtigten infolge eines schon lange geplanten Urlaubs (Gräber/Koch, FGO, 2. Aufl. 1987, § 91 Anm. 4). Eine Verhinderung, die sich erst aufgrund kurzfristiger Planung ergibt, braucht nicht berücksichtigt zu werden, auch nicht eine urlaubsbedingte Ortsabwesenheit, wenn auf Verlangen nicht glaubhaft gemacht wird, daß der Urlaub längere Zeit vorher festgelegt worden ist. Wenn der Vorsitzende entsprechend entscheidet und damit eine Meinung äußert, die er anzunehmenderweise auch im Senat vertreten wird, kann darin bei objektiver, vernünftiger Betrachtung kein Grund gesehen werden - schon gar keine ,,Verzögerungstaktik" -, der geeignet wäre, Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters aufkommen zu lassen.

Das gilt auch hinsichtlich der Überprüfung der zu der verlangten Glaubhaftmachung (§ 227 Abs. 3 ZPO) vorgelegten Unterlagen einschließlich der - zudem durch StB L selbst angeregten - Rückfrage bei einem der Vermieter. Wie es zu werten wäre, wenn VRFG R ohne Rücksicht auf den Aussagewert der noch vorzulegenden Unterlagen eine Aufhebung oder Verlegung des Termins zugesagt, sich dann aber an die Zusage nicht gehalten hätte, braucht nicht entschieden zu werden. Ein solcher Fall liegt nicht vor, wie sich aus der gerichtlichen Mitteilung an StBev T vom 15. Dezember 1987, dem mit dieser übereinstimmenden Aktenvermerk vom gleichen Tage über die fernmündliche Vorabunterrichtung und dem Aktenvermerk des Richters vom 17. Dezember 1987 ergibt. Dem Beschwerdevorbringen kann allenfalls die Behauptung entnommen werden, StB L habe die fernmündliche Mitteilung dahin verstanden, daß der Richter unter vorweg erklärtem Verzicht auf jegliche Überprüfung der Belege für die Urlaubsbuchung die Aufhebung des Termins - auf bloße Vorlage der Unterlagen hin - zugesichert habe. Auf eine in diesem - außergewöhnlichen - Sinne tatsächlich erfolgte Zusage läßt auch das Beschwerdevorbringen nicht schließen.

Daß auch in dem Hinweis auf die bei ungerechtfertigter Ablehnung der Aufhebung des Termins oder der Vertagung gegebene Möglichkeit, den Verfahrensmangel mit der Revision zu rügen, kein Ablehnungsgrund liegen kann, hat das FG richtig entschieden.

Dieser Hinweis entsprach der Rechtslage (vgl. Gräber/Koch, a. a. O., Anm. 8; Senat, Urteil vom 14. Oktober 1975 VII R 150/71, BFHE 117, 19, 23, BStBl II 1976, 48). Er war nicht geeignet, einen vernünftigen Zweifel an der Unparteilichkeit des Richters hervorzurufen (vgl. auch Senat, Beschluß vom 11. März 1986 VII B 54/85, BFH/NV 1986, 543).

 

Fundstellen

Haufe-Index 416021

BFH/NV 1989, 379

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