Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässige Bezugnahme auf ein Urteil mit anderen Beteiligten

 

Leitsatz (NV)

1. Ein Urteil ist nicht mit Gründen versehen, wenn seine Begründung durch eine Bezugnahme auf eine Entscheidung ersetzt wird, die nicht zwischen den Beteiligten des Bezug nehmenden Urteils ergangen ist.

2. Die Beteiligtenidentität kann nicht dadurch ersetzt werden, dass das in Bezug genommene und das angefochtene Urteil auf Verfahren beruhen, die vor dem FG zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung verbunden waren.

 

Normenkette

FGO § 105 Abs. 2 Nrn. 4-5, § 116 Abs. 6

 

Verfahrensgang

FG Münster (Urteil vom 21.12.2005; Aktenzeichen 1 K 5996/02 E,VSt,F)

 

Gründe

Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung gemäß § 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Das Urteil beruht auf einem von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachten Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Es ist entgegen § 105 Abs. 2 Nrn. 4 und 5 FGO nicht mit Gründen versehen (§ 119 Nr. 6 FGO).

1. Die Wiedergabe der Entscheidungsgründe dient der Mitteilung der wesentlichen rechtlichen Erwägungen, die aus der Sicht des Gerichts für die getroffene Entscheidung maßgeblich waren. Ist den Beteiligten die Möglichkeit entzogen, die getroffene Entscheidung in Bezug auf alle wesentlichen Streitpunkte auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, so ist das Urteil nicht mit Gründen versehen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. Januar 1985 I R 292/81, BFHE 143, 325, BStBl II 1985, 417; BFH-Beschluss vom 28. April 1993 II R 123/91, BFH/NV 1994, 46).

2. Zwar kann die Möglichkeit, das Urteil auf seine Richtigkeit zu überprüfen, auch dann gegeben sein, wenn in seiner Begründung auf eine andere Entscheidung Bezug genommen wird (BFH-Urteile vom 26. Juni 1975 IV R 122/71, BFHE 116, 540, BStBl II 1975, 885; vom 21. Januar 1977 III R 125/73, BFHE 121, 284, BStBl II 1977, 396, und vom 17. Dezember 1998 I R 56/98, BFH/NV 1999, 808; BFH-Beschluss vom 12. Mai 2005 IV B 146/04, BFH/NV 2005, 1825).Jedoch ist die Bezugnahme auf eine andere Entscheidung nur dann statthaft, wenn sie zwischen denselben Beteiligten ergangen ist (BFH-Urteil vom 10. April 1984 VIII R 229/83, BFHE 141, 113, BStBl II 1984, 591, m.w.N.). Daran fehlt es im Streitfall.

3. Mit dem angefochtenen Urteil hat das FG einen Rechtsstreit entschieden, den beide Kläger gemeinsam geführt haben. Dagegen ist Beteiligter in den Streitfällen, auf deren Entscheidungen sich das FG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils wesentlich bezieht, ohne ihren Inhalt wiederzugeben, entweder der Kläger allein oder die Klägerin allein. Damit sind die Beteiligten des angefochtenen Urteils und der in Bezug genommenen Urteile --jedenfalls zu wesentlichen Teilen-- nicht dieselben Personen. Dass die jeweiligen Verfahren vor dem FG zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung verbunden waren, ändert daran nichts. Die Urteile sind gegen jeweils unterschiedliche Beteiligte ergangen. Lediglich das beklagte Finanzamt war dasselbe. Das allerdings genügt nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1718296

BFH/NV 2007, 1169

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