Entscheidungsstichwort (Thema)

Urteilsberichtigung: Fehlerhafte Größenangabe eines landwirtschaftlichen Grundstücks

 

Leitsatz (NV)

Die Möglichkeit eines Denkfehlers, eines Verfahrensverstoßes oder einer unzutreffenden Tatsachenwürdigung schließt die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit im Sinne des § 107 FGO aus.

 

Normenkette

FGO § 107

 

Tatbestand

Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) hat beim Finanzgericht (FG) beantragt, das wegen Einkommensteuer 1988 und 1989 ergangene Urteil gemäß § 107 der Finanzgerichtsordnung (FGO) insoweit zu berichtigen, als die bewirtschaftete Weinbaufläche mit 500 qm angegeben ist; diese Angabe sei durch die Flächenangabe von 5000 qm zu ersetzen.

Das FG hat den Berichtigungsantrag zurückgewiesen.

Mit seiner dagegen gerichteten Beschwerde trägt das FA im wesentlichen vor, es könne dahingestellt bleiben, ob es sich um einen Rechenfehler oder eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 107 Abs. 1 FGO handele. Dies sei dem Urteil nicht anzusehen. In jedem Fall sei es ein offenkundiger und unbeabsichtigter Fehlgriff, denn die fehlerhafte Angabe von 500 qm Weinbaufläche stehe in Diskrepanz zu dem gewollten Urteilsinhalt. Es sei nicht davon auszugehen, daß den Richtern des FG ein Denkfehler unterlaufen sei, weil sie die Grundrechenarten zuverlässig beherrschten. Im Streitfall sei der unterlaufene Fehler evident; offenkundig sei auch, daß das Gericht nicht 500 qm, sondern 5000 qm habe angeben wollten. Es handele sich um eine offenbare Unrichtigkeit, wie in dem Fall, daß ungeprüft fehlerhafte Steuerberechnungen aus der Einspruchsentscheidung des FA übernommen worden seien (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Oktober 1991 I B 78/89, nicht veröffentlicht - NV -). Für die Evidenz der offenbaren Unrichtigkeit genüge es daher, daß sich der Fehler für alle Beteiligten klar und eindeutig aus dem Vergleich mit dem Inhalt der Steuerakten ergebe. Im Streitfall sei die Unrichtigkeit nicht Ergebnis der Tatbestandswürdigung und Rechtsanwendung, sondern der Urteilsbildung gedanklich vorgeschaltet. Die Auffassung, daß sich die Unrichtigkeit unmittelbar aus dem Urteil selbst ergeben müsse, sei unzutreffend. Zu berichtigen seien auch Fehler, die bereits im Vorfeld der Sachverhaltsfeststellung offenkundig und unbewußt eingeflossen seien (Hinweis auf BFH-Beschluß vom 18. Juni 1986 V S 5/86, BFH/NV 1986, 621).

Die Kläger tragen vor, es sei zwar zutreffend, daß 5000 qm Flächen zurückbehalten worden seien. Davon seien jedoch allein 3000 qm an zwei andere Landwirte verpachtet gewesen, die die Flächen ab März 1990 dann erworben hätten. Das einmalige Abernten eines 2000 qm großen Weinbergs, mit einem Ertrag von 1200 Liter Most könne nicht als nachhaltige wirtschaftliche Betätigung angesehen werden.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und in dem dazu ergangenen Beschluß darauf verwiesen, daß sein Urteil auch bei einer Grundstücksgröße von 5000 qm = 500 l Weinertrag nicht anders ausgefallen wäre.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Nach § 107 FGO sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit vom Gericht zu berichtigen. Sinn und Zweck der Vorschrift bestehen darin, das Gericht und die Beteiligten nicht an etwas zu binden, was in Wirklichkeit nicht gewollt war (BFH-Beschluß vom 4. September 1984 VIII B 157/83, BFHE 142, 13, BStBl II 1984, 834). Wird eine offenbare Unrichtigkeit erkannt, so ist das Gericht zur Berichtigung verpflichtet.

Offenbar ist eine Unrichtigkeit, wenn sie auf der Hand liegt. Als offenbar ist anzusehen, was durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist (BFH in BFHE 142, 13, BStBl II 1984, 834; vgl. auch die Entscheidung des Senats vom 14. August 1975 IV R 150/71, BFHE 119, 201, BStBl II 1976, 764 zu § 92 der Reichsabgabenordnung - AO -). Die Voraussetzungen des § 107 FGO sind nicht erfüllt, wenn auch nur die Möglichkeit eines - wenn auch offensichtlichen - Fehlers in der Rechtsanwendung oder Tatsachenwürdigung besteht (Senatsurteil vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, 229, BStBl II 1986, 293, 294 zu § 129 der Abgabenordnung - AO 1977 - m.w.N.) oder ein Verfahrensverstoß (BFH-Beschluß vom 20. Januar 1987 VII B 137/86, BFH/NV 1987, 723) oder Denkfehler nicht ausgeschlossen werden können (BFH-Beschluß vom 31. Juli 1991 II B 152/90, BFH/NV 1992, 477).

2. Im Streitfall lassen sich weder die Möglichkeit eines Denkfehlers noch eines Verfahrensverstoßes oder einer unzutreffenden Tatsachenwürdigung ausschließen.

a) Sollte das FG tatsächich von einer zurückbehaltenen Fläche von 0,5 ha ausgegangen sein, so spricht einiges für einen Denkfehler, wenn in den Entscheidungsgründen stets nur von 500 qm ausgegangen wird. Jedenfalls stimmt der erklärte Text des Urteils mit dem erkennbar gewollten Inhalt der Aussage überein. Wie der Hinweis auf die gerichtsbekannte Tatache, wonach sich bei einer derartigen Fläche nur 50 l Wein erzeugen lassen, zeigt, ist das FG nicht von einer Bewirtschaftung von 0,5 ha ausgegangen und gerade wegen der geringen Größe der Fläche zu dem Schluß gelangt, den Klägern habe es an einer Gewinnerzielungsabsicht gemangelt.

b) Denkbar ist auch ein Fehler in der Tatsachenwürdigung, denn nach dem Vorbringen der Kläger war ein Teil der Flächen verpachtet. Selbst bewirtschafteten die Kläger danach nur Flächen, die jedenfalls geringer waren als 0,5 ha. Schließlich kann der Senat nicht ausschließen, daß die fehlerhafte Angabe der Flächengröße verfahrensfehlerhaft zustandegekommen ist. Das FA hat in seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (Az. IV B 77/93) einen Verstoß gegen den Inhalt der Akten gerügt, mithin eine Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO geltend gemacht. Auch die bloße Möglichkeit eines Verfahrensmangels schließt eine Anwendung des § 107 FGO aus.

3. Nach alledem würde die begehrte Urteilsberichtigung zu einer unzulässigen nachträglichen Abänderung der gewollten Entscheidung des FG führen (BFH-Beschluß vom 14. Oktober 1976 V B 16/76, BFHE 120, 145, BStBl II 1977, 38). Solche Korrekturen können nur im Wege der Revision gegen das Urteil geltend gemacht werden. Aus diesem Grund vermag der Senat dem FA auch nicht in der Auffassung zu folgen, die offenbare Unrichtigkeit müsse aus den Gesamtumständen bei Entstehung der Entscheidung und nicht unmittelbar aus dem Urteil selbst hervorgehen. Widerspricht dies schon dem in § 107 Abs. 1 FGO enthaltenen Begriff der offenbaren Unrichtigkeit im Sinne eines jedermann auffallenden Versehens, so hat der BFH eine Ausnahme von dem Grundsatz der sich allein aus dem Urteil ergebenden Evidenz bisher nur in Fällen der Steuerberechnung im Urteil zugelassen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. Juli 1972 VIII B 11/68, BFHE 107, 4, BStBl II 1972, 954 und BFHE 142, 13, BStBl II 1984, 834). Anders als im Streitfall war in diesen Fällen aber mit Sicherheit auszuschließen, daß sich das FG bei Ermittlung der Gewerbesteuerrückstellung verrechnet (BFHE 107, 4, BStBl II 1972, 954) oder begünstigte Einkünfte i.S. des § 34c Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes absichtlich außer Acht gelassen hatte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419623

BFH/NV 1994, 723

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