Entscheidungsstichwort (Thema)

Nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts

 

Leitsatz (NV)

1. Hat der zuständige Minister im Rahmen des Haushaltsplanes die Zahl der Senate eines FG zu einem bestimmten Zeitpunkt erhöht, ist der dementsprechend neu gebildete Senat nicht i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO unvorschriftsmäßig besetzt, wenn er nicht sofort eingerichtet wird.

2. Gegen § 6 FGO bestehen keine verfassungsmäßigen Bedenken.

3. Zur Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung bei Bestellung eines Vorsitzenden Richters zum Einzelrichter.

 

Normenkette

FGO §§ 6, 116 Abs. 1 Nr. 1; Hess AGFGO § 3

 

Gründe

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) haben gegen das im Rubrum bezeichnete Urteil des Finanzgerichts (FG) eine weder vom FG noch vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassene Revision eingelegt. Sie machen geltend, daß das FG bei seiner Entscheidung nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei und die Entscheidung auf der Verletzung von Verfahrensvorschriften beruhe (Beiladung, Zustellung, Zuständigkeit des Finanzamts, Schätzungsergebnis, Versagung des rechtlichen Gehörs). Derartige Verfahrensmängel können aber nur mittels einer vom FG oder vom BFH nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassenen Revision geltend gemacht werden. Dagegen kann die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts nach § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO auch im Wege der zulassungsfreien Revision gerügt werden. Eine derartige Revision ist jedoch nur zulässig, wenn der Besetzungsmangel schlüssig gerügt ist; dies verlangt, daß die zur Begründung vorgetragenen Tatsachen, ihre Richtigkeit unterstellt, den Besetzungmangel ergeben. Hieran fehlt es im Streitfall.

Die Kläger beanstanden, daß der entscheidende 14. Senat des Hessischen FG nicht ordnungsgemäß eingerichtet worden sei. Nach § 3 des Hessischen Ausführungsgesetzes zur Finanzgerichtsordnung bestimmt der zuständige Minister im Rahmen des Haushaltsplans die Zahl der Senate. Die Kläger räumen ein, daß eine Anordnung des Ministers der Justiz vorgelegen habe; daß dieser Anordnung nicht sogleich Folge geleistet werden konnte, ist unerheblich. Daß die Einrichtung des Senats durch den Haushaltsplan 1993 einschließlich seiner Nachtragshaushalte nicht gedeckt gewesen sei, ist von den Klägern nicht dargetan.

Darüber hinaus machen die Kläger geltend, daß der Rechtsstreit zu Unrecht durch den Vorsitzenden des Senats als Einzelrichter entschieden worden sei. Auch insoweit sind jedoch keine Tatsachen vorgetragen, die einen Besetzungsmangel ergeben. Nach § 6 FGO kann ein Rechtsstreit einem Mitglied des FG-Senats zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen werden. Gegen die Vorschrift bestehen keine verfassungsmäßigen Bedenken, wie der BFH wiederholt entschieden hat. Um dem Gebot in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes zu genügen, muß die Person des Einzelrichters, dem die Sache zur Entscheidung übertragen werden kann, von vornherein feststehen. Hierzu muß der vom Vorsitzenden des Senats gemäß § 21 g des Gerichtsverfassungsgesetzes aufzustellende Mitwirkungsplan Festlegungen enthalten.

Im Streitfall ist der Vorsitzende Richter im Jahre 1995 zum Einzelrichter bestellt worden. Die Kläger haben nicht erläutert, was hierzu im Mitwirkungsplan für 1995 vorgesehen war und daß von der getroffenen Regelung vorliegend abgewichen worden ist. Ob der Vorsitzende zuvor die Bearbeitung der Sache von der an sich zuständigen Berichterstatterin übernommen hatte, ist unerheblich. Ebenso ergibt sich aus dem Vortrag der Kläger kein Anhaltspunkt dafür, daß der Beschluß in offenbarem Widerspruch zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FGO ergangen wäre, weil die Sache erhebliche Schwierigkeiten aufwies oder grundsätzliche Bedeutung hatte, die Übertragung mithin "greifbar gesetzwidrig" war (vgl. BFH-Beschluß vom 19. Januar 1994 II R 69/93, BFH/NV 1994, 725; Urteil vom 8. Juni 1995 IV R 80/94, insoweit nicht amtlich veröffentlicht).

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 417

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