Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde wegen Ablehnung der Protokollberichtigung

 

Leitsatz (NV)

Die Beschwerde, mit der eine inhaltliche Berichtigung des Sitzungsprotokolls begehrt wird, ist unzulässig.

 

Normenkette

FGO § 128 Abs. 1, § 94; ZPO § 164 Abs. 1

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 31.07.1989; Aktenzeichen 1 BvR 169/89)

FG Baden-Württemberg (Beschluss vom 01.09.1987; Aktenzeichen 1 K 139/86)

 

Tatbestand

Dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) wurde die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) zusammen mit dem Urteil der Vorinstanz am 25. September 1987 zugestellt. Mit Schreiben vom 16., 20. Oktober und 10. November 1987 an das FG beantragte der Kläger, das Protokoll der mündlichen Verhandlung zu berichtigen. Die im Protokoll wiedergegebenen Äußerungen des Klägers über seine Wohnanschrift seien unvollständig und entsprächen nicht seinen wörtlichen Äußerungen. Der Kläger habe sich gegen den Inhalt der Protokollierung in der mündlichen Verhandlung auch verwahrt. Beweis über den zutreffenden Inhalt erbringe die Vernehmung des Prozeßbevollmächtigten als Zeugen und die Auswertung der Tonbandaufzeichnung durch einen Sachverständigen.

Der Vorsitzende des zuständigen Senats des FG lehnte am 26. Oktober 1987 eine Berichtigung ab. Die wörtliche Wiedergabe der Äußerungen des Klägers sei nicht erforderlich gewesen, weil es sich weder um eine Parteivernehmung gehandelt habe, noch in der mündlichen Verhandlung ein Antrag auf wörtliche Wiedergabe gestellt worden sei. Inhaltlich gebe die Niederschrift den Vortrag des Klägers zusammenfassend und zutreffend wieder.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Zur Begründung führt der Kläger aus, die Beschwerde sei statthaft, auch wenn über die Ablehnung der Protokollberichtigung nicht durch Beschluß entschieden sei. Die Ablehnung sei fehlerhaft; denn bei zutreffender Protokollierung der Ausführungen des Klägers hätte das FG davon ausgehen müssen, daß der Kläger zur Zeit keine feste Wohnanschrift habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Gemäß § 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) steht den Beteiligten gegen Entscheidungen des FG, die nicht Urteile oder Vorbescheide sind, die Beschwerde an den Bundesfinanzhof (BFH) zu, soweit in der FGO nichts anderes bestimmt ist.

Nach § 94 FGO sind im finanzgerichtlichen Verfahren die für die Niederschrift geltenden Vorschriften der Zivilprozeßordnung (ZPO) entsprechend anzuwenden. Gemäß § 164 Abs. 1 ZPO kann die Unrichtigkeit des Protokolls jederzeit durch den Vorsitzenden oder durch den Vorsitzenden und, sofern ein solcher zugezogen ist (vgl. § 159 Abs. 1 Satz 2 ZPO), den Schriftführer gemeinsam berichtigt werden.

Dahingestellt bleiben kann, ob die Beschwerde gegen die Ablehnung einer Protokollberichtigung stets unzulässig ist (so z. B. BFH-Beschluß vom 17. März 1977 IV B 51/76, nicht veröffentlicht - NV -; Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts - BAG - vom 11. Dezember 1964 1 AZR 55/64, BAGE 17, 21, 25; Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 14. Juli 1981 6 CB 77.79, Die Öffentliche Verwaltung - DÖV - 1981, 840; Redeker / von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 9. Aufl., 1988, § 105 Anm. 12; Holtgrave, Der Betrieb - DB - 1975, 821, 824; Eyermann /Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 9. Aufl., 1988, § 105 Anm. 7) oder ob sie ausnahmsweise zulässig ist, soweit der Beteiligte nicht die inhaltliche Unrichtigkeit des Protokolls rügt, sondern geltend macht, die Berichtigung sei zu Unrecht als unzulässig abgelehnt oder von hierzu Unbefugten vorgenommen worden (Baumbach / Lauterbach / Hartmann / Albers, Zivilprozeßordnung, 46. Aufl., 1988, § 164 Anm. 4; Zöller, Zivilprozeßordnung, Kommentar, 15. Aufl., 1987, § 164 Anm. 12; Kleinknecht / Meyer, Strafprozeßordnung, Kommentar, 38. Aufl., 1987, § 271 Rdnr. 10; Beschluß des Oberlandesgerichts - OLG - Hamm vom 12. November 1982 26 W 19/82, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1983, 410; Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Juli 1981 3 C 81 A 1000, DÖV 1981, 766). Unzulässig ist jedenfalls eine Beschwerde, mit der der Beteiligte eine inhaltliche Berichtigung des Protokolls begehrt. Die Abfassung der Sitzungsniederschrift (§§ 160 bis 162 ZPO) ist allein Sache des Instanzrichters und ggf. dessen Protokollführers. Diese Verfahrenshandlung ist unvertretbar. Die inhaltliche Richtigkeit des Protokollierten entzieht sich infolgedessen der Beurteilung durch das Beschwerdegericht. Der Senat teilt deshalb nicht die vom OLG Koblenz (Beschluß vom 26. Februar 1986 8 W 121/86, MDR 1986, 593) vertretene Auffassung, die Beschwerde sei bereits deshalb statthaft, weil mit der Ablehnung der Berichtigung ein das Verfahren betreffendes Gesuch abgewiesen werde. Diese Ansicht widerspricht dem in anderen Vorschriften über den Verlauf der mündlichen Verhandlung ausgesprochenen Grundsatz der Unanfechtbarkeit von Entscheidungen, für deren Überprüfung dem Rechtsmittelgericht keine Unterlagen zur Verfügung stehen, aus denen sich die Richtigkeit oder Unrichtigkeit ergeben (z. B. § 108 FGO, § 160 Abs. 4 ZPO - so auch z. B. Zöller, a.a.O., § 164 Rdnr. 12; Kleinknecht / Meyer, a.a.O., § 271 Rdnr. 10; Bayerisches Verwaltungsgericht, Beschluß vom 24. Oktober 1973 Nr. 169 VI 73, Bayerische Verwaltungsblätter 1974, 26 -).

 

Fundstellen

Haufe-Index 416130

BFH/NV 1989, 643

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