Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert im Revisionsverfahren - Streitwert bei gesonderter Gewinnfeststellung

 

Leitsatz (NV)

1. Wenn der Revisionskläger keine Anträge gestellt hat, ist der Streitwert für das Revisionsverfahren aus dem Umfang seines Unterliegens im finanzgerichtlichen Verfahren zu ermitteln.

2. Betrifft der Rechtsstreit eine gesonderte Gewinnfeststellung (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 b i. V. m. § 18 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977), so bemißt sich der Wert des Streitgegenstands grundsätzlich nach den Auswirkungen der gesonderten Gewinnfeststellung auf die Höhe der Einkommensteuer.

 

Normenkette

GKG § 14 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Der Kläger, Revisionskläger und Erinnerungsführer (Kläger) hatte vor dem Finanzgericht (FG) wegen folgender Bescheide Klage erhoben:

Gesonderte Gewinnfeststellung 1973 bis 1977, Festsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge 1973 bis 1979, Festsetzung der Umsatzsteuer 1973 bis 1977 und Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1974.

Das FG wies die Klagen wegen Versäumung der Klagefrist ab. Die dagegen eingelegte Revision verwarf der Bundesfinanzhof (BFH) als unzulässig, da der Kläger vor dem BFH nicht durch eine gemäß Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vertretungsbefugte Person vertreten war (BFH-Beschluß vom 11. Mai 1984 IV R 110/84). Die Kosten des Revisionsverfahrens wurden dem Kläger auferlegt.

Die Kostenstelle des BFH setzte in ihrer Kostenrechnung vom 4. Juni 1984 die Gerichtskosten für das Verfahren vor dem BFH in Höhe von 4 696 DM fest; sie legte dabei einen Streitwert von 355 048 DM zugrunde.

Mit seiner Erinnerung begehrte der Kläger zunächst, bei der Kostenrechnung von einem Streitwert von 200 DM auszugehen; später beantragte er einen Streitwertansatz von 100 DM.

 

Entscheidungsgründe

Die Erinnerung ist unbegründet.

1. Der Streitwert im Revisionsverfahren bestimmt sich nach den Anträgen des Revisionsklägers (§ 14 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -). Endet das Verfahren, ohne daß solche Anträge eingereicht werden, so ist für die Ermittlung die Beschwer maßgebend (§ 14 Abs. 1 Satz 2 GKG). Die Beschwer des Revisionsklägers ergibt sich regelmäßig aus dem Umfang seines Unterliegens im finanzgerichtlichen Verfahren (Tipke /Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., vor § 135 FGO, Tz. 90). Auch im Streitfall ist der Streitwert für das Revisionsverfahren wegen des Fehlens von Revisionsanträgen auf dieser Grundlage zu ermitteln.

2. Da das FG im Streitfall über mehrere Steuer-(Feststellungs-)Fälle in einem Urteil entschieden hat, ist für das Revisionsverfahren ein Gesamtstreitwert zu bilden; dabei sind die für die einzelnen Steuer-(Feststellungs-)Fälle maßgebenden Werte zusammenzurechnen (BFH-Beschluß vom 18. Juni 1969 I B 8/69, BFHE 96, 153, BStBl II 1969, 587). Im Streitfall sind folgende Ansätze für die Streitwertermittlung maßgebend:

a) Gesonderte Gewinnfeststellungen

Betrifft der Rechtsstreit eine gesonderte Gewinnfeststellung (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 b i. V. m. § 18 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -), so bemißt sich der Wert des Streitgegenstands grundsätzlich nach den Auswirkungen der gesonderten Gewinnfeststellung auf die Höhe der Einkommensteuer; als Streitwert ist der strittige Einkommensteuerbetrag anzusehen (BFH-Urteil vom 20. Mai 1965 IV 195/63 U, BFHE 82, 595, BStBl III 1965, 462; Beschluß vom 22. Februar 1985 III R 206/83, BFH / NV 1985, 42; Beschluß vom 8. März 1985 IV R 310 /84, BFH / NV 1986, 752). Im Streitfall ist der Kläger mit seinen im finanzgerichtlichen Verfahren gestellten Anträgen in vollem Umfang erfolglos geblieben. Daraus errechnet sich für das Revisionsverfahren folgende Beschwer:

aa) Gewinnfeststellung 1973

Der Kläger erstrebte an Stelle des vom Beklagten und Revisionsbeklagten C Finanzamt - FA -) festgestellten Gewinns aus Gewerbebetrieb in Höhe von 58 416 DM einen Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 66 546 DM (vgl. Bl. 5 des FG-Urteils). Hätte der Kläger mit seinem Antrag Erfolg gehabt, so wäre ein um 8 130 DM höherer Gewinn festzustellen gewesen; dies hätte eine Erhöhung der Einkommensteuerschuld um 3 614 DM zur Folge gehabt.

bb) Gewinnfeststellungen 1974 bis 1977

Für diese Jahre erstrebte der Kläger keine Änderungen hinsichtlich der Gewinnhöhe. Die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide sollten lediglich hinsichtlich der Art der Einkünfte geändert werden; statt Gewinnen aus Gewerbebetrieb sollten Gewinne aus freiberuflicher Tätigkeit festgestellt werden.

In solchen Fällen beschränken sich die Auswirkungen der gesonderten Gewinnfeststellung auf die Höhe der Einkommensteuer darauf, daß bei der Ermittlung des Einkommens ein Freibetrag gemäß § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abzusetzen ist. Im Streitfall hätten sich aufgrund dessen die für die Streitjahre 1974 bis 1977 auszusetzenden Einkommensteuerschulden wie folgt vermindert:

1974: 228 DM; 1975: 0 DM; 1976: 490 DM; 1977: 0 DM.

cc) Streitwert der Gewinnfeststellungen ingesamt

Die vom Kläger erstrebten Änderungen hätten sich hiernach auf die Höhe der Einkommensteuer 1973 bis 1977 insgesamt mit (3 614 DM + 228 DM + 0 DM + 490 DM + 0 DM =) 4 322 DM ausgewirkt. Dieser Betrag ist als Streitwert für das Revisionsverfahren hinsichtlich der gesonderten Gewinnfeststellungen anzusetzen.

b) Gewerbesteuermeßbeträge

Bei Rechtsstreitigkeiten, die die Festsetzung von Gewerbesteuermeßbeträgen zum Gegenstand haben, ist der Streitwert nach der Auswirkung der Meßbeträge auf die Gewerbesteuer zu bemessen; Wert des Streitgegenstands ist hiernach der streitige Steuermeßbetrag, vervielfacht mit dem für das laufende Jahr geltenden Hebesatz der zuständigen Gemeinde (BFH-Urteil vom 7. Mai 1965 VI 356/62 U, BFHE 82, 654, BStBl III 1965, 483).

Im Streitfall erstrebt der Kläger den vollständigen Wegfall der Gewerbesteuer; streitig sind somit die Gewerbesteuermeßbeträge in voller Höhe. Der Wert des Streitgegenstands ist auf der Grundlage eines Gewerbesteuerhebesatzes von 300 v. H. wie folgt zu berechnen:

Gewerbesteuermeßbetrag 1973 = 2 710 DM

Gewerbesteuermeßbetrag 1974 = 72 DM

Gewerbesteuermeßbetrag 1975 = 72 DM

Gewerbesteuermeßbetrag 1976 = 458 DM

Gewerbesteuermeßbetrag 1977 = 2 283 DM

Gewerbesteuermeßbetrag 1978 = 338 DM

Gewerbesteuermeßbetrag 1979 = 332 DM

= 6 265 DM

Vervielfältiger: 300 v. H. = 18 795 DM.

Der von der Kostenstelle zugrunde gelegte Streitwert von 6 265 DM (Summe der Gewerbesteuermeßbeträge ohne Berücksichtigung des Vervielfältigers) ist hiernach zu gering bemessen.

c) Umsatzsteuer

Bei Rechtsstreitigkeiten wegen der Höhe der Umsatzsteuer bemißt sich der Streitwert nach dem Unterschied zwischen festgesetzter und angestrebter Steuer. Im Streitfall errechnet sich dieser Wert wie folgt:

Streitjahr Festsetzung Antrag beim FG Unterschied

lt. Bescheid (s. S. 5, 6 FG-Urteil)

1973 95 684 DM 24 195 DM 71 489 DM

1974 86 831 DM 12 230 DM 74 511 DM

1975 84 774 DM 23 212 DM 61 562 DM

1976 118 072 DM 46 126 DM 71 946 DM

1977 124 809 DM 57 464 DM 67 345 DM

Streitwert = 346 853 DM.

d) Einheitsbewertung des Betriebsvermögens

Bei Streitigkeiten um den Einheitswert des Betriebsvermögens ist der Streitwert für Stichtage ab 1. Januar 1974 mit 30 v. T. des Unterschieds zwischen dem festgestellten und dem begehrten Einheitswert zu bemessen (BFH-Beschluß vom 22. März 1982 III R 59/81, BFHE 135, 404, BStBl II 1982, 512).

Im Streitfall hatte der Kläger die ersatzlose Aufhebung des Bescheides über den Einheitswert des Betriebsvermögens (./. 7 000 DM) begehrt. In einem solchen Fall ist bei der Bemessung des Streitwerts von der gesamten Wertspanne auszugehen. Der Streitwert beträgt hiernach 30 v. T. von (./.) 7 000 DM = 210 DM.

e) Gesamtstreitwert

Die Summe der unter a) bis d) ermittelten Streitwerte ergibt den Gesamtstreitwert.

Er ist wie folgt zu errechnen:

Einzelstreitwerte aus gesonderter Gewinnfeststellung 4 322 DM

Festsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge 18 795 DM

Festsetzung der Umsatzsteuer 346 853 DM

Einheitsbewertung des Betriebsvermögens 210 DM

Gesamtstreitwert 370 180 DM.

Dieser Betrag ist höher als der vom Kostenbeamten angesetzte Streitwert (355 048 DM). Wegen des Verbots der reformatio in peius, das auch für das Erinnerungsverfahren gegen die Kostenfestsetzung und den Kostenansatz gilt (vgl. BFH-Beschluß vom 16. Dezember 1969 VII B 45/68, BFHE 98, 12, BStBl II 1970, 251), verbleibt es bei dem vom Kostenbeamten angesetzten Betrag.

3. Über die Frage, ob hinsichtlich der angefallenen Kosten Billigkeitsmaßnahmen zu gewähren sind, hat der Senat nicht zu entscheiden. Für Billigkeitsmaßnahmen ist der Präsident des BFH zuständig. Es bleibt dem Kläger überlassen, entsprechende Anträge zu stellen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1989, 718

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