Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei gesonderter Gewinnfeststellung nach § 6 der Verordnung über die Zuständigkeit im Besteuerungsverfahren vom 3. Januar 1944 (RGBl 1944 I S. 11) ist die streitige Einkommensteuer auch dann Wert des Streitgegenstandes, wenn sie sich nicht aus einer Veranlagung entnehmen, aber unter zumutbarem Zeitaufwand aus dem Stand der Steuerakten zu Beginn der Rechtsmittelfrist feststellen läßt.

 

Normenkette

AO § 320 Abs. 4; FGO § 140/3

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist im Verfahren der gesonderten Gewinnfeststellung 1959 über die Zulässigkeit einer Rb.

Der Bf. betrieb vom 1. Januar bis 10. April 1959 in X einen Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen. Nach dem 1. April 1959 verzog er nach Y. Da der Bf. bis Februar 1961 für den Autohandelsbetrieb keine Gewinnerklärung abgab, schätzte das Betriebstätten-Finanzamt den Gewinn aus dem Kraftfahrzeughandel auf 5.200 DM. Grundlage dieser Schätzung waren die Feststellungen einer Steuerfahndungsprüfung.

Der Einspruch und die am 2. November 1961 eingelegte Berufung blieben ohne Erfolg. Durch Urteil vom 30. April 1963, zugestellt am 16. Mai 1963, wies das Finanzgericht die Berufung als unbegründet zurück. Unter Hinweis auf das amtlich nicht veröffentlichte Urteil des Bundesfinanzhofs IV 23/57 vom 6. März 1958 setzte das Finanzgericht den Streitwert auf 1.300 DM fest, das sind 25 % des geschätzten Gewinns aus dem Kraftfahrzeughandel. Die Veranlagung durch das Wohnsitz-Finanzamt mit Bescheid vom 12. März 1964 führte nach Abzug des Sonderausgaben-Pauschbetrages und eines Kinderfreibetrages vom Gesamtbetrag der Einkünfte zu einer Steuer von 326 DM. Der Gesamtbetrag der Einkünfte setzte sich zusammen aus dem im vorliegenden Falle streitigen Gewinn aus Gewerbebetrieb und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, die der Bf. nicht erklärt, das Finanzamt aber auf Grund der Angaben im Steuerfahndungsbericht schätzte.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unzulässig.

Der Streitwert erreicht den nach § 286 AO für die Zulässigkeit einer Rb. erforderlichen Betrag von 1.000 DM nicht. Die Streitwertgrenze von 1.000 DM gilt für Fälle, in denen der Rechtsstreit nach dem 31. August 1961 bei Gericht anhängig wurde (Art 17 Ziff. 14 in Verbindung mit Art. 18 des Steueränderungsgesetzes - StändG - 1961, BStBl 1961 I S. 444). Der Bf. legte die Berufung am 2. November 1961 ein.

Es bestand kein Anlaß, den Streitwert wie bei der einheitlichen Gewinnfeststellung auf 25 v. H. des streitigen Gewinns zu schätzen, da sich der auf Grund des Gewinns ergebende Steuerbetrag aus den Steuerakten feststellen ließ. Die Rechtsprechung, wonach der Streitwert auch bei der gesonderten Gewinnfeststellung auf 25 v. H. des streitigen Gewinns zu schätzen sei, gab der Bundesfinanzhof durch das Urteil IV 62/60 U vom 10. November 1960 (BStBl 1961 III S. 95, Slg. Bd. 72 S. 251) auf. In diesem Urteil führte der Senat aus, daß bei der gesonderten Gewinnfeststellung nach § 6 der Verordnung über die Zuständigkeit im Besteuerungsverfahren vom 3. Januar 1944 (RGBl 1944 I S. 11) der streitige Einkommensteuerbetrag als Streitwert festgestellt werden muß. Das gilt nicht nur, wenn der streitige Steuerbetrag sich aus einer Veranlagung ergibt, sondern auch dann, wenn er sich aus den Steuerakten in zumutbarem Zeitaufwand feststellen läßt.

Für die Feststellung ist der Stand der Steuerakten zu Beginn der Rechtsmittelfrist maßgebend. Denn während der Rechtsmittelfrist müssen die Prozeßbeteiligten entscheiden, ob sie den Rechtsstreit weiterführen wollen. Es wäre mit den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Rechtspflege unvereinbar, einem Prozeßbeteiligten die erstrebte sachlich-rechtliche Entscheidung zu verweigern, weil den Akten später Unterlagen über die Höhe des Streitwerts hinzugefügt wurden. Da die Feststellung des Streitwerts aus den Steuerakten vor Ergehen einer Veranlagung mit gewissen Unsicherheiten verbunden ist, darf bei der Prüfung, ob die Streitwertgrenze erreicht ist, nicht kleinlich verfahren werden. Bei Prüfung der Zulässigkeit einer Rb. darf sich ein Prozeßbeteiligter nicht auf die Streitwertfeststellung der Vorinstanz verlassen. Denn für die Zulässigkeit der Rb. ist der Streitwert der Vorinstanz ohne Bedeutung. Der Streitwert in der Rb. richtet sich nach dem Begehren des Bf. im Zeitpunkt der Einlegung der Rb. über die Höhe entscheidet der Bundesfinanzhof selbst (Urteil des Bundesfinanzhofs III 414/58 U vom 14. Juni 1960, BStBl 1960 III S. 370, Slg. Bd. 71 S. 324).

Im vorliegenden Falle ist der Streitwert nach diesen Grundsätzen in Höhe der später veranlagten Steuer festzustellen; denn zu Beginn der Rechtsmittelfrist befand sich bei den Steuerakten der Steuerfahndungsbericht, aus dem sich die Steuerbelastung durch den streitigen Gewinn errechnen ließ. Der Bf. hatte Einkünfte von insgesamt 0 DM erklärt. Für die Annahme weiterer Schätzungen über die Angaben des Steuerfahndungsberichts hinaus bieten die Akten keinen Anhalt. Von einem Grenzfall kann wegen des großen Abstandes zur Streitwertgrenze für die Rb. keine Rede sein. Der Streitwert deckt sich mit der später auf 326 DM veranlagten Einkommensteuer. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von 1.500 DM hätten zu keiner Einkommensteuer geführt, da die Einkommensteuertabelle erst bei einem zu versteuernden Einkommensbetrag von 3.420 DM einsetzt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411670

BStBl III 1965, 462

BFHE 1965, 598

BFHE 82, 598

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