Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde

 

Leitsatz (NV)

Wer die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache geltend macht, muß darlegen, inwiefern der Rechtsstreit über den Einzelfall hinaus Bedeutung hat. Liegt diese Bedeutung nach Ansicht des Beschwerdeführers in dem Konkurrenzverhältnis zweier Vorschriften, so muß auch erörtert werden, ob die beiden Konkurrenzvorschriften im vorliegenden Fall erfüllt sind.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Klägerin kaufte mit notariell beurkundetem Vertrag vom 6. November 1981 von ihrem Ehemann eine vermietete Eigentumswohnung für 60 000 DM.

Auf Antrag der Klägerin gewährte das FA vorläufige Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStEigWoG. Mit Bescheid vom 4. Februar 1986 erhob es die Steuer nach. Entsprechend seinen Feststellungen hatte die Klägerin nach Ablauf des bisherigen Mietvertrages die Wohnung am 1. Oktober 1982 erneut vermietet und nicht selbst bezogen.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Mit der Klage machte die Klägerin geltend, es sei verfassungswidrig, wenn § 4 Nr. 6 GrEStG Rheinland-Pfalz den Erwerb zwischen Verwandten in gerader Linie, nicht aber den Erwerb zwischen Ehegatten begünstige. ,,Fürsorglich" werde außerdem darauf hingewiesen, daß ,,der Kaufpreis für den Grundstückserwerb . . . aufgehoben worden ist mit der Folge, daß das Entgelt nachträglich mit Wirkung auf den Kauf weggefallen ist . . .". Die Klägerin überreichte eine schriftliche Vereinbarung zwischen ihrem Ehemann und ihr vom 20. Januar 1987, wonach ,,der in dem Kaufvertrag vom 6. 11. 1981 festgesetzte Kaufpreis in Höhe von 60 000 DM . . . hiermit nachträglich und rückwirkend aufgehoben (wird) . . ., da anstatt des Kaufpreises eine Schenkung gewollt war . . .".

Ihre bisherige Behauptung, sie habe die Wohnung selbst bewohnt, hielt die Klägerin nicht mehr aufrecht.

Das FG wies die Klage ab.

Art. 6 GG gebiete (i. V. m. Art. 3) nicht, daß Grundstückserwerbe zwischen Ehegatten grunderwerbsteuerfrei seien. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die hier streitige Besteuerung bestünden daher nicht.

Ob die Klägerin und ihr Ehemann tatsächlich am 20. Januar 1987 eine Vereinbarung der vorgetragenen Art ernsthaft gewollt und durchgeführt hätten, könne offenbleiben. Jedenfalls sei die 2-JahresFrist des § 34 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG RP bzw. § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG 1983 nicht eingehalten worden, denn die gemäß § 3 Abs. 1 GrEStEigWoG nachzuerhebende Steuer sei spätestens am 1. Oktober 1982 entstanden, als die Klägerin die Wohnung nach Ablauf des ersten Mietvertrages ersichtlich unbefristet an fremde Dritte vermietet habe.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, welcher das FG nicht abgeholfen hat.

Nach Auffassung der Klägerin hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ,,dargelegt", wie § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO dies erfordert.

In ihrem Schriftsatz vom 20. März 1987 führt die Klägerin aus:

,,Zur Begründung trage ich vor, daß das Gericht die allgemeinen Rechtsgrundsätze der rückwirkenden Rechtsgestaltung nicht beachtet hat, wie sie in § 175 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung vorgesehen sind. Darin liegt die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, daß das Gericht einen nachträglichen Wegfall der Gegenleistung als Herabminderung der Gegenleistung auf null DM beurteilt hat. Solche Fälle des Wegfalls der Gegenleistung im nachhinein mit Rückwirkung haben auf Erwerbsvorgänge gleicher Art eine grundsätzliche Bedeutung."

Wenn das FG nicht geprüft hat, ob die Klage aus § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 gerechtfertigt ist, so ist das eine Frage des vorliegenden Einzelfalles; eine über diesen Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO läßt dieser Vortrag nicht erkennen (vgl. die Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Februar 1987 V B 65/85, BFH/NV 1987, 384).

Nicht anders ist das Entscheidungsergebnis, wenn man den letzten Satz des Vortrages der Klägerin dahin auslegt, daß nach ihrer Ansicht im angestrebten Revisionsverfahren die (allgemein interessierende) Frage geklärt werden kann, ob § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 neben § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG 1983 anwendbar ist. Dann hätte die Klägerin zwecks Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erläutern müssen, inwiefern nach ihrer Ansicht die Voraussetzungen der erstgenannten Vorschrift im vorliegenden Fall erfüllt sind; denn andernfalls brauchte das Konkurrenzverhältnis zwischen beiden Vorschriften in dem Revisionsverfahren nicht geprüft zu werden.

Ob § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 im vorliegenden Fall anzuwenden wäre, ist zumindest insoweit offen, als die Vorschrift ein Ereignis mit ,,steuerliche(r) Wirkung" für die Vergangenheit voraussetzt. Es ist zweifelhaft, ob die Vereinbarung vom 20. Januar 1987 - ihre Wirksamkeit unterstellt - ein solches steuerlich rückwirkendes Ereignis war. Zwar können die Beteiligten eines Vertrages diesen in der Weise abändern, daß sie schuldrechtlich so gestellt werden, als habe der Vertrag von Anfang an in der abgeänderten Form gegolten. Steuerrechtlich ist die vereinbarte ,,Rückwirkung" aber nur zu beachten, wenn sie vom Steuerrecht anerkannt wird; denn grundsätzlich kann ein Steuerpflichtiger bereits eingetretene steuerrechtliche Folgen nicht rückwirkend beseitigen (vgl. das BFH-Urteil vom 26. Juli 1984 IV R 10/83, BFHE 141, 488, BStBl II 1984, 786). Dem GrEStG 1983 läßt sich eine Regel, daß die Herabsetzung eines Grundstückskaufpreises auch außerhalb der Frist des § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG 1983 steuerrechtlich wirksam ist, nicht entnehmen. Das gilt auch für den Fall, daß die Gegenleistung eines Kaufvertrages durch nachträgliche Vereinbarung einer Schenkung auf null DM herabgesetzt wird (vgl. dazu das BFH-Urteil vom 31. Mai 1972 II R 92/67, BFHE 106, 374, 378, BStBl II 1972, 836). Zu diesen Fragen hat die Klägerin nichts vorgetragen.

In ihrem Schriftsatz vom 23. April 1987 führt die Klägerin ergänzend aus, der Schuldgrund des notariell beurkundeten Vertrages vom 6. November 1981 sei - wie bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vorgetragen - ausgetauscht worden, indem der Kauf rückwirkend in eine Schenkung umgewandelt worden sei. Die Frage, wie diese Novation grunderwerbsteuerrechtlich zu behandeln sei, habe grundsätzliche Bedeutung.

Der Senat kann diesen Vortrag nicht berücksichtigen, weil der Schriftsatz erst am 27. April 1987 und daher nach Ablauf der Monatsfrist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO (23. März 1987) bei Gericht eingegangen ist. Abgesehen davon fehlen auch hier Ausführungen zu der Frage, ob die behauptete Novation ein ,,rückwirkendes" Ereignis i. S. des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415244

BFH/NV 1988, 783

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