Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Anordnung - Anordnungsgrund

 

Leitsatz (NV)

Zur Begründetheit eines auf die Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung gerichteten Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.

 

Normenkette

FGO § 114 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) beantragte beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -), ihr eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen. Das FA lehnte den Antrag mit der Begründung ab, nach Mitteilung der Steuerfahndungsstelle, die gerade eine Fahndungsprüfung bei der Antragstellerin durchführte, bestünden erhebliche Zweifel an ihrer steuerlichen Zuverlässigkeit. Gegen diese Ablehnung hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt.

Die Antragstellerin beantragte beim Finanzgericht (FG), das FA im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen. Sie machte geltend, der Antrag sei zulässig, da ihr wegen des Verlustes öffentlicher Aufträge erhebliche finanzielle Nachteile entstünden. Sie habe derzeit keinerlei Steuerrückstände. Wegen des noch laufenden Strafverfahrens könne noch keine endgültige Aussage über ihre steuerliche Zuverlässigkeit gemacht werden. Sie habe bislang auch keinerlei Gelegenheit gehabt, zu dem erhobenen Vorwurf Stellung zu nehmen, da ihr Beweismittel vorenthalten worden seien.

Das FG lehnte den Antrag ab. Zur Begründung führte es aus:

Eine Anordnung nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dürfe nur eine einstweilige Regelung enthalten. Da

her sei es unzulässig, das FA bereits im Rahmen des Verfahrens über die einstweilige Anordnung zum Erlaß eines Verwaltungsakts zu verpflichten. Auch eine eventuell später gegebene rechtliche Möglichkeit eines Widerrufs berühre die Endgültigkeit der einmal erteilten Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht. Diese ermögliche den Abschluß zivilrechtlich gültiger Vertragsverhältnisse, auf die ein späterer Widerruf der Unbedenklichkeitsbescheinigung keine Auswirkungen mehr haben könne.

Die Voraussetzungen, die es zuließen, im Verfahren der einstweiligen Anordnung ausnahmsweise dem Hauptverfahren vorzugreifen, lägen im Streitfall nicht vor. Insbesondere habe die Antragstellerin nichts vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht, woraus sich eine besondere Intensität des Anordnungsgrundes ergäbe. Ihr Hinweis darauf, daß ihr ohne Unbedenklichkeitsbescheinigung keine öffentlichen Aufträge erteilt würden, indiziere zwar finanzielle Nachteile. Zur Bejahung des bei Vorwegnahme der endgültigen Regelung erforderlichen intensiven Anordnungsgrundes müsse aber eine Existenzgefährdung vorliegen. Hierzu habe die Antragstellerin nichts vorgetragen.

Mit der Beschwerde begehrt die Antragstellerin weiterhin, unter Aufhebung der Vorentscheidung das FA zu verpflichten, ihr eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen. Eine Begründung der Beschwerde wurde nicht vorgelegt. Auf die telefonische Anfrage der Geschäftsstelle des Senats teilte der Prozeßbevollmächtigte der Antragstellerin mit, daß er nicht beabsichtige, eine Begründung abzugeben.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist gemäß § 128 Abs. 1, § 129 FGO zulässig, denn sie bedarf - anders als die Revision (vgl. § 120 Abs. 1 und 2 FGO) - keiner besonderen Begründung (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. April 1968 VI B 47/67, BFHE 92, 469, BStBl II 1968, 608; Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 129 Anm. 6). Sie ist aber nicht begründet. Das FG hat den Antrag der Antragstellerin auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Der Senat läßt es dahinstehen, ob der Antrag deshalb unbegründet ist, weil die begehrte einstweilige Anordnung - wenigstens zeitweise - irreparable Zustände schaffen und damit das Ergebnis des Hauptverfahrens vorwegnehmen würde (vgl. hierzu Beschluß des Senats vom 21. Februar 1984 VII B 78/83, BFHE 140, 163, BStBl II 1984, 449). Es kommt nicht darauf an, ob - wie das FG geprüft hat - eine besondere Intensität des Anordnungsgrundes gegeben ist, die ausnahmsweise auch eine über den vorläufigen Zustand hinausgehende Regelung rechtfertigen könnte. Denn die Antragstellerin hat bereits den für den Regelfall der einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht (vgl. § 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung).

Die Antragstellerin begehrt eine Regelungsanordnung i. S. des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO. Diese Vorschrift räumt dem Gericht keine schrankenlose Befugnis zum Erlaß einer einstweiligen Anordnung ein. Die in § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO ausdrücklich genannten Gründe (,,wesentliche Nachteile" und ,,drohende Gewalt") setzen Maßstäbe auch für die ,,anderen Gründe" im Sinne dieser Bestimmung. ,,Andere Gründe" rechtfertigen eine einstweilige Anordnung nur dann, wenn sie für die begehrte Regelungsanordnung ähnlich gewichtig und bedeutsam sind wie ,,wesentliche Nachteile" oder ,,drohende Gewalt" (vgl. BFH-Beschluß vom 26. Januar 1983 I B 48/80, BFHE 137, 235, BStBl II 1983, 233, 236). Solche Gründe hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Sie hat vor dem FG lediglich vorgetragen, ohne die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung würde sie erhebliche finanzielle Nachteile erleiden, da sie keine öffentlichen Aufträge mehr bekäme. Auch auf den Hinweis des FA, daß es an einer Bezeichnung konkreter Nachteile fehle, hat sie diese nicht näher dargetan. Zu dem Umfang der der Antragstellerin durch die Versagung der Unbedenklichkeitsbescheinigung entstehenden Nachteile fehlt jegliche Angabe. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß für den Erlaß der begehrten einstweiligen Anordnung nur diejenigen öffentlichen Aufträge berücksichtigt werden könnten, die der Antragstellerin in dem Zeitraum bis zur Entscheidung der Hauptsache in dem anhängigen Beschwerdeverfahren entgehen würden. Ob und in welchem Umfang sie in diesem Zeitraum aber überhaupt mit öffentlichen Aufträgen hätte rechnen können und wie sich diese auf ihre wirtschaftliche Gesamtsituation ausgewirkt hätten, hat die Antragstellerin auch im Beschwerdeverfahren weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Es kann daher dahinstehen, ob es auch an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs fehlt.

 

Fundstellen

BFH/NV 1986, 541

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