Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiederaufnahme eines PKH-Verfahrens

 

Leitsatz (NV)

1. Es bleibt offen, ob die Wiederaufnahme eines PKH-Verfahrens trotz fehlender materieller Rechtskraft des PKH-Beschlusses beantragt werden kann.

2. Im Verfahren wegen Wiederaufnahme eines PKH-Verfahrens besteht vor dem BFH Vertretungszwang.

3. Im Wiederaufnahmeverfahren sind Tatsachen schlüssig darzulegen, aus denen sich ein Wiederaufnahmegrund ergibt.

 

Normenkette

FGO §§ 134, 142; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

I. Der Antragsteller begehrt, auf §580 der Zivilprozeßordnung (ZPO) gestützt, die Wiederaufnahme des Verfahrens wegen Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für ein Beschwerdeverfahren gegen den Beschluß des Finanzgerichts (FG), mit welchem dem Antragsteller PKH für seine Klage und seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gegen den Kraftfahrzeugsteuerbescheid des Beklagten und Antragsgegners (Finanzamt) über die Besteuerung seines Kraftfahrzeuges ab 31. Januar 1995 versagt worden ist. Der beschließende Senat hat den zuerst genannten PKH-Antrag mit Beschluß abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Denn die vom Antragsteller selbst eingelegte Beschwerde gegen den PKH-Beschluß des FG sei unzulässig, und dem Antragsteller könne auch nicht im Wege der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Möglichkeit eröffnet werden, nach Gewährung von PKH für das Beschwerdeverfahren die Beschwerde erneut formgerecht einzulegen.

 

Entscheidungsgründe

II. 1. Der beschließende Senat versteht das Begehren des Antragstellers dahin, daß dieser (lediglich) die Wiederaufnahme des PKH-Verfahrens begehrt. Der Antragsteller hat zwar in seiner Antragsschrift auch das Aktenzeichen des Verfahrens wegen der Beschwerde gegen den PKH-Beschluß des FG angegeben. Seine übrigen Ausführungen beziehen sich jedoch im wesentlichen auf das PKH-Verfahren.

2. Der Antrag auf Wiederaufnahme des PKH-Verfahrens ist unzulässig.

Nach §134 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann zwar ein rechtskräftig beendetes Verfahren nach den Vorschriften der ZPO, nämlich den §§579, 580 ZPO und den folgenden, das Verfahren der Wiederaufnahme betreffenden Bestimmungen, wiederaufgenommen werden. Bei der Wiederaufnahme eines durch Beschluß abgeschlossenen Verfahrens tritt dabei an die Stelle der Wiederaufnahmeklage ein Wiederaufnahmeantrag (vgl. u. a. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 26. April 1996 III K 35/95, BFH/NV 1996, 901).

Es kann offenbleiben, ob §134 FGO auch auf PKH-Beschlüsse anwendbar ist (bejahend Beschluß des erkennenden Senats vom 26. Mai 1992 VII S 17/92, BFH/NV 1993, 305; zustimmend Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., §134 FGO Rdnr. 6; vgl. auch Rennert in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 10. Aufl. 1998, §153 Rdnr. 6; Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 10. Aufl. 1994, §153 Rdnr. 5), obwohl diese nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht in materielle Rechtskraft erwachsen (vgl. z. B. Beschluß des Senats vom 4. Dezember 1990 VII B 56/90, BFH/NV 1991, 474, m. w. N.), sondern -- ebenso wie Beschlüsse nach §69 FGO jederzeit geändert werden können (zur Unzulässigkeit eines Wiederaufnahmeantrages gegen Beschlüsse nach dieser Vorschrift vgl. Senatsbeschluß vom 25. Juni 1991 VII B 111/90, BFH/NV 1992, 253) -- ggf. durch eine erneute Entscheidung aufgrund eines weiteren PKH-Antrages korrigiert werden können. Der Wiederaufnahmeantrag, den der Senat dem Begehren des Antragstellers entnimmt, ist jedenfalls schon deshalb unzulässig, weil der Antragsteller nicht nach Maßgabe des Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vertreten ist. Nach Satz 1 dieser Vorschrift muß sich vor dem BFH jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Daß danach Vertretungszwang auch in diesem Wiederaufnahmeverfahren besteht, folgt aus dem Sinn und Zweck des vorgenannten Gesetzes, den BFH dadurch zu entlasten, daß Rechtsmittel, aber auch sonstige Rechtsbehelfe nur noch von solchen Personen eingelegt werden dürfen, die durch ihre fachliche Vorbildung in der Lage sind, die Aussichten der Rechtsbehelfe zu beurteilen und das Verfahren vor dem BFH selbst sachgerecht zu führen (Beschluß vom 24. Mai 1976 VIII S 3/76, BFHE 118, 552, BStBl II 1976, 504). Ein Wiederaufnahmeantrag ist ein außerordentlicher Rechtsbehelf, der folglich dem Vertretungszwang nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG unterliegt (ständige Rechtsprechung seit dem BFH- Urteil vom 17. September 1976 VI K 1/76, BFHE 122, 1, BStBl II 1977, 501). Das gilt auch für einen Wiederaufnahmeantrag in einem PKH-Verfahren. Der Rechtsschutzsuchende kann zwar, ohne sich eines nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG postulationsfähigen Vertreters bedienen zu müssen, selbst einen PKH-Antrag stellen, weil §78 Abs. 3 ZPO Prozeßhandlungen, die -- wie ein PKH-Antrag (vgl. §142 FGO i. V. m. §117 Abs. 1 Satz 1 ZPO) -- zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erklärt werden können, von einem an sich angeordneten Vertretungszwang ausnimmt und diese Vorschrift im Rahmen des Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG entsprechend anzuwenden ist (BFH-Beschlüsse vom 14. Juli 1976 VIII R 52/76, BFHE 119, 233, BStBl II 1976, 630, und vom 29. April 1977 VI K 1/76, BFHE 122, 26, BStBl II 1977, 502). Ein Wiederaufnahmeantrag kann hingegen mangels einer Vorschrift, die dem Urkundsbeamten die Aufnahme solcher Anträge auferlegt, nicht zu Protokoll erklärt und deshalb vor dem BFH nur durch eine nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG postulationsfähige Person gestellt werden.

Der Wiederaufnahmeantrag des Antragstellers ist ferner aus weiteren Gründen unzulässig. So ist ein Wiederaufnahmeantrag nach §134 FGO i. V. m. §586 ZPO innerhalb einer Frist von einem Monat zu stellen, die mit dem Tage beginnt, an dem der Beteiligte von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erhalten hat. Daß der Antragsteller diese Frist gewahrt hätte, ist nicht erkennbar; der angegriffene Beschluß des erkennenden Senats ist an ihn am 30. Mai 1997 abgesandt worden, der Wiederaufnahmeantrag jedoch erst am 3. Dezember 1997 beim BFH eingegangen. Überdies setzt die Zulässigkeit eines Wiederaufnahmeantrages nach der Rechtsprechung des BFH voraus, daß Tatsachen schlüssig dargelegt werden, aus denen sich -- ihre Richtigkeit unterstellt -- der behauptete Wiederaufnahmegrund ergibt (BFH, Beschluß vom 29. Januar 1992 VIII K 4/91, BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252; Urteil vom 11. April 1990 I K 1/90, BFH/NV 1990, 790; Beschluß vom 8. Dezember 1994 VII K 1/94, BFH/NV 1995, 795). Zwar gehört die Bezeichnung des Anfechtungsgrundes nach §588 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht zum gesetzlich vorgeschriebenen Mindestinhalt der Antragsschrift. Daraus folgt aber nur, daß die Tatsachen, aus denen sich der Wiederaufnahmegrund ergeben soll, nicht schon innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden müssen, sondern noch im Laufe des Verfahrens vorgebracht werden können (BFH-Beschluß in BFH/NV 1996, 901). Tatsachen, die den Tatbestand der §§579, 589 ZPO erfüllen und deshalb eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach den vorgenannten Vorschriften rechtfertigen, sind indes von dem Antragsteller weder in seiner Antragsschrift noch später benannt worden. Denn "neue Tatsachen", die der Antragsteller geltend macht, stellen keinen Wiederaufnahmegrund dar.

3. Der Antrag muß im übrigen auch dann ohne Erfolg bleiben, wenn er mit Rücksicht auf das Rechtsschutzziel des Antragstellers dahin ausgelegt wird, der Senat solle unter Berücksichtigung des Sachvorbringens in der Antragsschrift über die Gewährung von PKH für das eingangs bezeichnete Beschwerdeverfahren erneut entscheiden. Die Wiederholung eines PKH-Antrages ist zwar grundsätzlich zulässig (Senatsbeschluß in BFH/NV 1991, 474). Die Zulässigkeit der Antragswiederholung findet jedoch ihre Grenze im Verbot des Rechtsmißbrauchs. Dieser liegt vor, wenn mit dem Wiederholungsantrag keine neuen Tatsachen, Beweismittel oder rechtlichen Gesichtspunkte vorgetragen werden, die bei verständiger Würdigung Veranlassung zu einer für den Antragsteller günstigeren Beurteilung der Erfolgsaussichten geben könnten (Senatsbeschluß in BFH/NV 1991, 474, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). An solchen neuen Tatsachen, Beweismitteln oder rechtlichen Gesichtspunkten fehlt es hier. Der Antragsteller hat bereits in dem PKH-Verfahren eingehend dargelegt, warum er sich schuldlos an der Einhaltung der Fristen gehindert sieht, die bei einem PKH-Antrag für ein Beschwerdeverfahren vor dem BFH zu beachten sind. Der beschließende Senat hat dieses Vorbringen bei seinem Beschluß berücksichtigt und gewürdigt. Mit seinem neuerlichen Antragsschriftsatz macht der Antragsteller im Kern lediglich geltend, daß diese Würdigung unzutreffend gewesen sei. Dies rechtfertigt indes keine erneute Entscheidung des BFH über sein Begehren, PKH für ein Beschwerdeverfahren wegen Ablehnung von PKH durch das FG zu erhalten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67650

BFH/NV 1998, 1248

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