Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweislast für die Zurechnung von Umsätzen bei Ehegatten

 

Leitsatz (NV)

1. Wenn das Finanzgericht überzeugt ist, daß die Ehefrau des Klägers bestimmte Umsätze ausgeführt hat, braucht es nicht zu begründen, weshalb der Kläger diese Umsätze nicht ausgeführt hat. Den Steuerpflichtigen trifft keine Darlegungs- und Beweislast dafür, daß er Umsätze nicht ausgeführt hat. Vielmehr trifft das Finanzamt im Steuerprozeß die Feststellungslast, daß die besteuerten Umsätze von der im Steuerbescheid bezeichneten Person ausgeführt worden sind.

2. Die Verletzung von Vorschriften über die notwendige Beiladung kann die zulassungsfreie Revision nicht begründen.

 

Normenkette

UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1, § 105 Abs. 2, § 116 Abs. 1 Nr. 5; AO 1977 § 174 Abs. 5

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) rechnete in den angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheiden für 1989 und 1990 dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) Umsätze über Reinigungsleistungen zu, die in einem am 1. Januar 1989 an seine Ehefrau verkauften Reinigungsbetrieb ausgeführt worden waren. Auf die Sprungklage änderte das Finanzgericht (FG) die Steuerfestsetzungen und entschied, daß die Umsätze und Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit dem bezeichneten Betrieb nicht berücksichtigt werden dürften. In der Begründung des der Klage stattgebenden Urteils führte das FG u. a. aus, daß die dem Kläger zugerechneten Reinigungsleistungen in dem an seine Ehefrau veräußerten Betrieb bei einer Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens von dieser ausgeführt worden seien. Dafür sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) maßgebend, wer in wessen Namen die Ausgangsleistungen gegenüber Dritten ausgeführt habe. Für die Zurechnung von Umsätzen zwischen Ehegatten sei abweichend vom Ertragsteuerrecht kein Fremdvergleich anzustellen. Für die Schlußfolgerung des FA, daß der Kläger die Leistungen erbracht habe, reichten die dafür herangezogenen Beweisanzeichen nicht aus, nach denen die Veräußerung des Reinigungsbetriebes an seine Ehefrau nicht anzuerkennen sei, weil er nach dem Verkauf noch Überweisungen unterschrieben, die Buchführung übernommen habe und weil einige Lastschriften auf den Namen des Klägers ausgestellt worden seien. Diese Indizien ließen keinen Schluß auf die Ausgangsleistungen zu und seien durch die unter Ehegatten übliche Hilfeleistung, z. B. bei der Buchführung, erklärbar. Die Beweiskraft der bezeichneten Umstände sei dadurch gemindert, daß die Zahlungen vom Konto der Ehefrau geleistet worden seien und daß der Kläger beim Weiterkauf des von der Ehefrau erworbenen Betriebes ausdrücklich als ihr Beauftragter aufgetreten sei.

Da das FA aufgrund unzutreffender ertragsteuerrechtlicher Beurteilung keine Feststellungen getroffen habe, welche zivilrechtlichen Leistungsbeziehungen über die Reinigungsleistungen mit Kunden bestanden hätten, wer die mit dem Betrieb verbundenen Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung ausgeführt und berechnet habe, wer gewerberechtlich als Betriebsinhaber aufgetreten sei, werde -- so führte das FG weiter aus -- an der Richtigkeit der Darstellung des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht gezweifelt, nach der die Leistungen gegenüber Kunden unter dem Namen der Ehefrau abgerechnet worden seien, daß diese ständig in dem Reinigungsbetrieb tätig gewesen sei und daß sie vor dem Erwerb des Betriebes unstreitig Inhaberin einer anderen Reinigung gewesen sei. Unter diesen Umständen sei für die Vermutung des FA kein Raum, daß die Ehefrau des Klägers nur als "Strohmann" tätig geworden sei und daß die Veräußerung der Reinigung nur durch Scheingeschäft erfolgt sei. Dafür sei auch deshalb kein Anhalt vorhanden, weil die Ehefrau ihre steuerlichen Pflichten aus dem Erwerb des Reinigungsbetriebes erfüllt habe und weil sie aus dem Vertrag mit einer Bank über ein Darlehen zum Erwerb der Reinigung unmittelbar verpflichtet worden sei.

Einen Antrag des FA, die Ehefrau des Klägers zum Verfahren nach §174 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) beizuladen, lehnte das FG ab.

Mit der Revision rügt das FA das Fehlen von Entscheidungsgründen (§116 Abs. 1 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) und begehrt die Aufhebung der Vorentscheidung (§119 Nr. 6 FGO). Zur Begründung macht es u. a. geltend, das FG habe sich nicht mit der Darlegungs- und Beweislast auseinandergesetzt, die der Kläger nach der in der mündlichen Verhandlung gegebenen Begründung tragen müsse. Es sei Aufgabe des Klägers gewesen, das Ausscheiden seines Filialbetriebes aus seinem Unternehmen nachzuweisen. Es habe Anlaß bestanden, zur Beweislast Stellung zu nehmen, weil der Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen habe, daß die Anwesenheit der Ehefrau in dem an sie verkauften Reinigungsbetrieb keine Schlußfolgerung auf ihre Unternehmereigenschaft zulasse, weil sie bis 1987 als angestellte Betriebsleiterin für den Kläger tätig gewesen sei. Dadurch, daß das FG dem nach der Gewerbeordnung vorgeschriebenen Schild an der Ladentür, zu dem der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung keine befriedigende Antwort habe geben können, überraschend ein Gewicht für die Entscheidung beigemessen habe, habe es das rechtliche Gehör (§96 Abs. 2 FGO) verletzt. Der Kläger habe seiner Darlegungs- und Beweislast auch dadurch nicht genügt, daß er keine Rechnungsblocks vorgelegt habe.

Die Revision müsse schließlich wegen der unterlassenen notwendigen Beiladung (§174 Abs. 5 AO 1977) und des dadurch gegebenen Verfahrensmangels zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.

Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig. Sie war daher durch Beschluß zu verwerfen (§126 Abs. 1 FGO).

a) Abweichend von §115 Abs. 1 FGO findet die Revision nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der BFH sie zugelassen hat. Das FG hat die Revision nicht zugelassen.

b) Die Revision ist auch nicht als zulassungsfreie Verfahrensrevision wegen eines Verfahrensmangels i. S. von §116 Abs. 1 FGO zulässig. Eine zulassungsfreie Revision ist -- abgesehen von der Sonderregelung für Zolltarifsachen (§116 Abs. 2 FGO) -- nur statthaft, wenn einer der in §116 Abs. 1 FGO genannten wesentlichen Verfahrensmängel gerügt wird.

Die nach §116 Abs. 2 FGO statthafte Revision ist zulässig, wenn der Revisionskläger in einer den Anforderungen des §120 Abs. 2 Satz 2 FGO entsprechenden Form schlüssig darlegt, daß ein in §116 Abs. 1 FGO bezeichneter Verfahrensfehler vorhanden ist. Andere Verstöße gegen Verfahrensvorschriften sind im Rahmen einer zulassungsfreien Revision nach §116 Abs. 1 FGO ohne Bedeutung.

aa) Das FA macht zwar einen Verfahrensfehler des FG wegen fehlender Entscheidungsgründe (§116 Abs. 1 Nr. 5 FGO) geltend. Es hat zur Begründung aber keine Tatsachen vorgetragen, die -- ihre Richtigkeit unterstellt -- den bezeichneten Mangel schlüssig ergeben. Dadurch erfüllt das FA die Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §116 Anm. 3, m. w. N.; Gräber, Deutsches Steuerrecht 1968, 173, 175).

Die Zulassung der Revision, weil die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist (§116 Abs. 1 Nr. 5 FGO), kommt nicht schon in Betracht, wenn die Begründung des finanzgerichtlichen Urteils unvollständig oder unzureichend ist, dadurch daß darin nicht auf einzelne Argumente der Beteiligten eingegangen worden ist. Sie ist vielmehr für den Fall vorgesehen, daß aus dem Urteil des FG nicht erkennbar ist, welcher Grund für die Entscheidung über den einzelnen Anspruch und das einzelne Verteidigungsmittel maßgebend gewesen ist, so daß den Beteiligten die Möglichkeit genommen wird, die Vorentscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen (ständige Rechtsprechung des BFH, Beschluß vom 11. Dezember 1996 XI R 25/96, BFH/NV 1997, 502 zu 2., m. w. N.). Deswegen muß ein Revisionskläger, der die Zulassung der Revision wegen des in §116 Abs. 1 Nr. 5 FGO bezeichneten Mangels erstrebt, zur Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen darlegen, es fehle entweder jegliche Begründung oder das FG habe einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel übergangen, welches den vollständigen Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm darstellt (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 30. Juli 1990 V R 49/87, BFH/NV 1991, 325; Gräber/Ruban, a.a.O., §116 Anm. 2, §119 Anm. 25), oder in der Vorentscheidung fehlten entgegen §105 Abs. 2 Nr. 5 FGO so wesentliche Gründe, daß nicht erkennbar sei, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen die Vorentscheidung beruhe, und dadurch eine Rechtsmäßigkeitskontrolle nicht möglich sei (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 20. Februar 1995 II R 50/94, BFH/NV 1995, 812). Genügt die Revisionsbegründung diesen Anforderungen nicht, darf der BFH nicht prüfen, ob ein Mangel wirklich vorliegt (vgl. BFH-Urteil vom 13. September 1988 VIII R 218/85, BFH/NV 1989, 354).

Nach der Revisionsbegründung des FA hätte das Gericht begründen müssen, weshalb es die Darlegungs- und Beweislast für die Unternehmereigenschaft der Ehefrau des Klägers ihm, dem FA, als dem Beklagten auferlegt habe und nicht als steuerentlastende Tatsache dem Kläger. Damit räumt das FA ein, daß das FG in der Begründung seines Urteils die Ehefrau des Klägers als Unternehmer beurteilt hat. Die Revisionsbegründung ergibt nicht, weshalb es aus der dafür maßgebenden Sicht des FG noch notwendig war, zur Darlegungs- und Beweislast Stellung zu nehmen; denn es stellt keinen wesentlichen Verfahrensmangel i. S. des §116 Abs. 1 Nr. 5 FGO dar, wenn das FG Fragen nicht erörtert, auf die es aus seiner Sicht nicht ankommt (vgl. BFH-Beschluß vom 22. April 1997 IV R 13/96, BFH/NV 1997, 786). Da sich das FG eine Überzeugung von der Unternehmereigenschaft der Ehefrau des Klägers gebildet hatte, waren Ausführungen zur Darlegungs- und Beweislast aus der Sicht des FG nicht notwendig.

bb) Die weiteren Darlegungen in der Revisionsbegründung, in denen das FA beanstandet, daß das FG die Anwesenheit der Ehefrau des Klägers in dem verkauften Reinigungsbetrieb und die Bedeutung des Ladenschildes fehlerhaft gewürdigt habe, ergeben, daß die Vorentscheidung Gründe enthält. Soweit das FA in diesem Zusammenhang die Versagung des rechtlichen Gehörs rügt, kann dies eine zulassungsfreie Revision nicht eröffnen (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., §116 Anm. 1).

cc) Die Verletzung von Vorschriften über die notwendige Beiladung kann die zulassungsfreie Revision nicht begründen (BFH-Beschlüsse vom 2. Dezember 1992 IV R 100/92, nicht veröffentlicht; vom 5. Juli 1988 IV R 111/87, BFH/NV 1989, 235; Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 23. Februar 1977 VII CB 74/75, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1977, 512), weil sie von keiner der in §116 Abs. 1 FGO abschließend bezeichneten Fallgruppen erfaßt wird (BFH-Beschluß vom 15. Mai 1997 IV R 85/96, BFH/NV 1997, 791).

 

Fundstellen

Haufe-Index 67054

BFH/NV 1998, 977

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