Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der Bewertung des Erbbaurechtes und daher keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache

 

Leitsatz (NV)

Der Gesetzgeber handelt nicht willkürlich, wenn er das Erbbaurecht bewertungsrechtlich anders behandelt als ein Miet- oder Pachtverhältnis. Die Frage, ob § 92 BewG verfassungswidrig ist, hat daher keine grundsätzliche Bedeutung.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; BewG § 92; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Klägerin war u. a. in den Jahren 1979 bis 1986 Eigentümerin mehrerer Grundstücke, an denen Erbbaurechte bestanden. Bei den Einheitsbewertungen des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1979 bis 1. Januar 1986 setzte das beklagte Finanzamt (FA) auch jeweils den Kapitalwert der Erbbauzinsansprüche der Klägerin als Wirtschaftsgut an.

Nach erfolglosem Einspruch machte die Klägerin mit ihrer Klage geltend, die bewertungsrechtliche Behandlung des Erbbauverpflichteten verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Die unterschiedliche Behandlung im Vergleich zum Miet- und Pachtverhältnis sei systemwidrig. Die Sonderregelung in § 92 des Bewertungsgesetzes (BewG) sei sachlich nicht gerechtfertigt.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

§ 92 BewG verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz. Eine denkbare Betrachtung des Erbbaurechtsverhältnisses als ein miet- oder pachtähnliches Nutzungsverhältnis allein beleuchte nur einen Teilaspekt, verkenne aber auch das zivilrechtliche Entstehen zweier wirtschaftlicher Einheiten, die beide weitestgehend den Vorschriften von Grundstücken unterstehen. Stelle man allerdings, wie die Klägerin, nicht den rechtlichen, sondern den wirtschaftlichen Charakter des Nutzungsverhältnisses in den Vordergrund, so ergebe sich zweifellos eine beachtliche wirtschaftliche Schlechterstellung des Erbbauverpflichteten gegenüber dem Vermieter bzw. Verpächter. Dies folge allerdings nicht aus der Regelung des § 92 BewG selbst, sondern aus den unzeitgemäßen Einheitswerten für Grundstücke. Ein aus Art. 3 GG abzuleitendes Gebot der Vermeidung von Wertverschiebungen zwischen den einzelnen Vermögensarten könne aber nur zur Anhebung der Einheitswerte für Grundstücke führen. Bei einer Bewertung von Grundstücken nach Verkehrswerten würde sich die Vermögenssituation des Vermieters und des Erbbauverpflichteten anpassen. Einen Anspruch auf ebenfalls verfassungswidrige Behandlung gewähre Art. 3 GG der Klägerin nicht.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen und der Beschwerde der Klägerin hiergegen nicht abgeholfen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Die Rechtssache hat entgegen der Ansicht der Klägerin keine grundsätzliche Bedeutung.

1. Die Vorschrift des § 92 BewG ist nicht verfassungswidrig. Das hat der Senat schon in seiner bisherigen Rechtsprechung ausgeführt (vgl. die Urteile vom 26. November 1986 II R 32/83, BFHE 148, 180, BStBl II 1987, 101; vom selben Tage II R 190/81, BFHE 148, 324, BStBl II 1987, 175, und vom 14. Januar 1987 II R 208 /84, BFH / NV 1988, 148). Der Senat hat dabei auch zu den Ausführungen von Seifried (Steuer und Wirtschaft - StuW - 1984, 340 ff.) Stellung genommen.

Die weiteren Ausführungen von Seifried (StuW 1988, 175 ff.) und der Vorlagebeschluß des FG Hamburg vom 30. Juni 1988 II 331/85 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1988, 586) werfen keine neue klärungsbedürftige Frage auf.

Seifried wiederholt seine schon früher (StuW 1984, 340 ff.) geäußerte Auffassung, daß das Erbbaurecht einem Miet- oder Pachtverhältnis gleichzustellen sei und daher auch bewertungsrechtlich entsprechend behandelt werden müsse. Das Erbbaurechtsverhältnis unterscheide sich insoweit nicht von anderen Nutzungsverhältnissen, bei denen der Ansatz des Kapitalwerts künftiger Nutzungsentgelte und der Ansatz des Kapitalwerts der künftrig zu leistenden Nutzungsentgelte bei Gleichwertigkeit unzulässig sei. Dieser Systemverstoß mache die Regelung des § 92 BewG verfassungswidrig.

Diese Ausführungen mögen rechtspolitisch wertvoll sein und Argumente für eine (künftige) Änderung des § 92 BewG enthalten. Sie ändern aber nichts daran, daß diese Auffassung Seifrieds nicht die einzig mögliche Sicht der Dinge ist. Mit der Bestellung des Erbbaurechts überträgt der Grundstückseigentümer und Erbbauverpflichtete einen erheblichen Teil seiner Eigentumsrechte an dem Grundstück auf den Erbbauberechtigten. Das Gesetz erkennt diese übetragenen Eigentumsrechte als abgespaltene selbständige Einheit an und behandelt sie ihrerseits wie ein Grundstück (§ 11 Abs. 1 der Verordnung über das Erbbaurecht - ErbbauV -). Der Gedanke, die Bestellung des Erbbaurechts dem Verkauf des Grundstücks und den Erbbauzinsanspruch der Kaufpreisforderung gleichzustellen, liegt daher nahe. Das gilt um so mehr, als Erbbaurechte in der Regel für längere Zeit bestellt werden und der Bestellende damit die vorgenannten Eigentumsrechte am Grundstück bis an sein Lebensende und darüber hinaus noch für nachfolgende (zwei oder drei) Generationen aus der Hand gibt. Der Gesetzgeber handelt daher nicht willkürlich, wenn er unter diesen Umständen bewertungsrechtlich den Erbbauzinsanspruch wie eine Kaufpreisforderung behandelt.

Auch nach Ansicht des FG Hamburg in dem genannten Vorlagebeschluß ist die Regelung des § 92 BewG 1974 verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Verfassungsrechtliche Bedenken hat das FG vielmehr gegen die ,,Diskrepanz" zwischen dem erbschaftsteuerlichen Wert eines Grundstücks (Grund und Boden), an dem ein Erbbaurecht besteht, und dem erbschaftsteuerlichen Wert des Rechts auf Erbbauzinsen im Verhältnis beider zueinander (EFG 1988, 587, li. Sp. unter 2. c der Urteilsgründe). Die (im Verhältnis zum Verkehrswert) zu niedrigen Grundstückseinheitswerte geben aber dem Inhaber eines Erbbauzinsanspruchs kein Recht darauf, gleichermaßen mit einem zu niedrigen Kapitalwert dieses Anspruchs veranlagt zu werden.

Das FG Hamburg bemängelt zwar außerdem, daß der dortige Kläger durch den Erbanfall des Erbbauzinsanspruchs eine Bereicherung versteuere, die möglicherweise höher als der Verkehrswert des unbebauten Grundstücks (EFG 1988, 587, re. Sp. unter 3, letzter Absatz, der Urteilsgründe). Der Senat sieht aber auch hier keine verfassungsrechtliche Frage. Die vom FG beanstandete Diskrepanz zwischen Verkehrswert des Grundstücks und Kapitalwert des Erbbauzinsanspruchs ist lediglich eine Folge der Höhe des Erbbauzinses. Wer als Eigentümer eines Grundstücks dessen Wert durch Verkauf oder Vergabe eines Erbbaurechts zu seinem Vorteil realisiert, darf sich nicht darüber beklagen, daß der Kaufpreisanspruch oder der Erbbauzinsanspruch höher sei als der Verkehrswert des Grundstücks.

2. Auch außerhalb der angezweifelten Verfassungsmäßigkeit des § 92 BewG gibt diese Vorschrift keinen Anlaß zu weiteren, über die bisherige Rechtssprechung des Senats hinausreichenden rechtlichen Erörterungen. Die Klägerin trägt zwar vor, ihr Fall habe große Breitenwirkung. Welche Frage sie bei der Auslegung des § 92 BewG - abgesehen von der bezweifelten Verfassungsmäßigkeit - noch für klärungsbedürftig hält, sagt sie jedoch nicht.

 

Fundstellen

BFH/NV 1990, 217

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