Leitsatz (amtlich)

1. Der Erbbauzinsanspruch ist keine Nutzung im Sinne des § 16 BewG (Anschluß an BFHE 134, 569, BStBl II 1982, 184).

2. Sowohl die Streichung des § 16 Abs.2 als auch die gesamte Regelung des § 92 BewG sind mit dem GG vereinbar.

 

Orientierungssatz

1. § 92 Abs.5 BewG (Ansatz des Rechts auf den Erbbauzins nicht als Bestandteil des Grundstücks, sondern beim sonstigen Vermögen oder Betriebsvermögen) gilt über § 12 Abs.2 und 5 ErbStG 1974 auch für die Erbschaftsteuer. Maßgebend für die Bewertung des Erbbauzinsanspruchs sind die §§ 13 Abs.1 und 14 BewG. Dies gilt auch für den Bereich des Betriebsvermögens (Festhaltung an den BFH-Urteilen vom 26.8.1955 III 133, 134/55 S und vom 30.3.1962 III 358/61 U). Ist das Erbbaurecht auf die bestimmte Zeit von 99 Jahren vereinbart, führt dies zum Ansatz des 18fachen des Jahreswerts. Die Vereinbarung über einen Heimfall beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen macht den Erbbauzinsanspruch nicht zu einem Recht von unbestimmter Dauer.

2. Eine Revision ist insoweit unzulässig, als nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist der Revisionsantrag laut Begründungsschrift erweitert wird und die fristgerecht eingereichte Revisionsbegründung die Antragserweiterung nicht deckt, auch wenn der weitergehende Antrag bereits in der Revisionsschrift enthalten war (vgl. BFH-Urteil vom 10.12.1980 II R 101/78).

 

Normenkette

ErbStG 1974 § 12 Abs. 2, 5; BewG 1974 § 16 Abs. 2, § 92 Abs. 5, § 13 Abs. 1, §§ 14, 17 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Entscheidung vom 21.11.1982; Aktenzeichen II 284/81)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 17.08.1995; Aktenzeichen 1 BvR 62/87)

 

Tatbestand

Streitig ist die Bewertung eines Erbbauzinsanspruchs im Rahmen der Festsetzung der Erbschaftsteuer.

Die Klägerin ist die Tochter des 1976 verstorbenen X (Erblasser). Dieser ist von seiner Ehefrau beerbt worden.

Der Erblasser war an vier Kommanditgesellschaften beteiligt, u.a. an der Verwaltungsgesellschaft Y-KG. Aufgrund von Vereinbarungen in den Gesellschaftsverträgen ging sein Kapitalanteil jeweils auf seine Witwe und seine drei Kinder, darunter die Klägerin, die sämtlich auch an den Kommanditgesellschaften beteiligt waren, zu je 1/4 über. Wegen dieses Erwerbs zog das beklagte Finanzamt (FA) die Klägerin durch Bescheid vom 21.April 1981 zu einer Erbschaftsteuer in Höhe von 29 000 DM heran.

Die Y-KG hatte an einem größeren Grundstückskomplex, der zu einem Grundstück vereinigt wurde, der A-AG am 20.Januar 1974 ein Erbbaurecht für die Dauer von 99 Jahren bestellt. Der Erbbauzinsanspruch war als Reallast in das Erbbaugrundbuch eingetragen worden. Bei der Ermittlung des Wertes des auf die Klägerin übergegangenen Anteils am Kapitalanteil ihres Vaters an der Y-KG setzte das FA den Wert des Erbbauzinsanspruches der Y-KG mit dem Achtzehnfachen der 1976 von der A gezahlten Erbbauzinsen an.

Nach erfolglosem Einspruch hat die Klägerin Klage erhoben und die Herabsetzung der Erbschaftsteuer auf 780 DM beantragt. Sie hat geltend gemacht, daß der Jahreswert des Erbbauzinsanspruchs auf 1/18 der auf den Grund und Boden entfallenden Anteile an den Einheitswerten zu begrenzen sei.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1983, 463).

Die Klägerin hat Revision eingelegt und zunächst beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach dem Klagantrag zu erkennen. Bei Einreichung der Revisionsbegründung hat sie dann nur noch beantragt, die ungekürzten Erbbauzinsen mit neun zu vervielfachen, und diesen Antrag damit begründet, daß ein Recht von unbestimmter Dauer vorliege. Später (nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist) hat sie ihren Antrag wieder dahin gestellt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils gemäß dem Klagantrag zu erkennen.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist auf Aufforderung des Senats dem Revisionsverfahren beigetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist teils unzulässig, teils unbegründet.

1. Unzulässig ist die Revision insoweit, als sie über den in der Revisionsbegründungsschrift vom 28.Februar 1983 gestellten Antrag hinaus erweitert worden ist. Denn diese Antragserweiterung ist durch die Revisionsbegründung nicht mehr gedeckt. Die Revisionsbegründung befaßt sich nur mit der Frage, ob der Jahreswert mit dem Neunfachen oder dem Achtzehnfachen zu vervielfachen sei, nicht aber mit der Frage der Begrenzung des Jahreswertes durch § 16 des Bewertungsgesetzes --BewG-- (vgl. in diesem Zusammenhang das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10.Dezember 1980 II R 101/78, BFHE 132, 310, 312, BStBl II 1981, 270). Für den weitergehenden Revisionsantrag, wie er bereits in der Revisionsschrift enthalten war, liegt somit keine innerhalb der Revisionsbegründungsfrist eingereichte Begründung vor.

2. Unbegründet ist die Revision im übrigen, weil das FA zu Recht den Erbbauzinsanspruch der Y-KG mit dem 18fachen des ungekürzten Jahreswertes angesetzt und § 16 BewG nicht angewendet hat. Der Senat hat zwar in seinem Beschluß vom 24.Juli 1985, durch den er den BMF zum Beitritt aufforderte, die Frage aufgeworfen, ob der Anspruch auf die Erbbauzinsen (nach der Streichung des § 16 Abs.2 BewG) nunmehr als Nutzung im Sinne des verbliebenen Textes des § 16 BewG (bisher: § 16 Abs.1 BewG) zu behandeln sei. Nach eingehender Prüfung verneint der Senat diese Frage und schließt sich damit im Ergebnis der Auffassung des III. Senats in seinem Urteil vom 13.November 1981 III R 69/80 (BFHE 134, 569, BStBl II 1982, 184) an.

a) Der in das Grundbuch eingetragene Erbbauzinsanspruch ist zwar bürgerlich-rechtlich Bestandteil des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstückes (§§ 96, 94 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--, § 9 Abs.1 Satz 1, Abs.2 Satz 2 der Verordnung über das Erbbaurecht --ErbbauV--, § 1105 BGB). § 92 Abs.5 BewG enthält jedoch eine abweichende Regelung für das Bewertungsrecht. Danach ist das Recht auf den Erbbauzins nicht als Bestandteil des Grundstückes zu berücksichtigen, sondern beim sonstigen Vermögen oder beim Betriebsvermögen anzusetzen. Diese Vorschrift gilt über § 12 Abs.2, 5 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 auch für die Erbschaftsteuer.

Aus § 10 Abs.1 ErbStG 1974 folgt nichts anderes. Danach gilt als steuerpflichtiger Erwerb die Bereicherung des Erwerbers, der bei dem Erwerb eines mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstückes auch den Anspruch auf den Erbbauzins als wesentlichen Bestandteil des Grundstückes umfaßt. Durch § 12 Abs.2 ErbStG 1974 wird jedoch die Verbindung zu den Vorschriften des BewG hergestellt. Wenn dort angeordnet ist, daß Grundbesitz mit dem Einheitswert anzusetzen ist, der nach dem Zweiten Teil des BewG festgestellt ist, so bedeutet dies, daß auch für den Umfang des durch den Einheitswert erfaßten Grundbesitzes die Vorschriften des BewG maßgebend sind und somit wegen des § 92 Abs.5 BewG der Anspruch auf den Erbbauzins nicht bereits durch den Einheitswert erfaßt wird, sondern gesondert anzusetzen ist.

Maßgebend für die Bewertung des Rechtes auf den Erbbauzins als Teil des Betriebsvermögens sind die §§ 13 Abs.1 und 14 BewG. Zwar schreibt § 109 Abs.1 BewG den Ansatz des Teilwerts vor. Es ist jedoch stets anerkannt worden, daß wiederkehrende Nutzungen und Leistungen in Anwendung des § 17 Abs.3 BewG auch im Bereich des Betriebsvermögens gemäß § 13 Abs.1 BewG zu bewerten sind (vgl. die BFH-Urteile vom 26.August 1955 III 133, 134/55 S, BFHE 61, 207, BStBl III 1955, 278, und vom 30.März 1962 III 358/61 U, BFHE 74, 624, BStBl III 1962, 232). Daran hält der Senat fest.

b) Eine Begrenzung des Jahreswerts des Erbbauzinses auf 1/18 des auf den Grund und Boden entfallenden Teil des Einheitswertes (vgl. § 16 BewG) ist nicht möglich. Im Sinne dieser Vorschrift gehören die Erbbauzinsen nicht zu den Nutzungen des Grund und Bodens, sie sind vielmehr wiederkehrende Leistungen. Der Senat läßt offen, ob die Erbbauzinsen i.S. des § 100 BGB als mittelbare Sachfrüchte i.S. des § 99 Abs.3 BGB zu den Nutzungen des Grundstücks gehören (so BFHE 134, 569, 571, BStBl II 1982, 184). Jedenfalls gehören die Erbbauzinsen nicht zu den Nutzungen i.S. des § 16 BewG.

Entscheidend für diese Auffassung ist der Umstand, daß der Gesetzgeber über § 92 Abs.1 - 3 BewG den Grund und Boden so behandelt, als habe der Grundstückseigentümer ihn auf Zeit dem Erbbauberechtigten zu vollem Recht überlassen, wobei der Erbbauzins als Gegenleistung für diese Überlassung auf Zeit erscheint. Auch für den Fall, daß der Erbbauzins zivilrechtlich zu den Nutzungen gehören sollte, erscheint er bewertungsrechtlich als Gegenleistung für die Überlassung des Grund und Bodens auf Zeit, nicht anders als etwa eine Rente, die für die Einräumung eines Nießbrauchsrechts gezahlt wird, worauf das FA mit Recht hingewiesen hat.

Auch der Gesetzgeber war dieser Auffassung. Denn er hatte die für Erbbauzinsen besondere Vorschrift des § 16 Abs.2 BewG geschaffen, die allerdings 1974 ersatzlos gestrichen wurde, nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) diese Vorschrift dahin ausgelegt hatte, daß sie nur auf die Ansprüche der Grundstückseigentümer auf den Erbbauzins anwendbar sei (vgl. BTDrucks VI/3418, S.99 zu Nr.7).

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Streichung des § 16 Abs.2 BewG bestehen nicht. Es handelt sich hier nach Auffassung des Senats um eine rechtspolitische Frage, die nur deshalb besonderes Gewicht hat, weil der Marktwert der Grundstücke, der sich auch in der Höhe des Erbbauzinses widerspiegelt, und der Einheitswert der Grundstücke weit auseinandergehen. Dies ist jedoch vor allem eine Folge des § 27 BewG, wonach beim Grundbesitz die Wertverhältnisse des Hauptfeststellungszeitpunktes für den ganzen Hauptfeststellungszeitraum maßgebend bleiben, und des weiteren Umstandes, daß der Hauptfeststellungszeitraum vom Gesetzgeber auf unabsehbare Zeit verlängert worden ist (vgl. Art.2 Abs.1 Satz 3 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 10.August 1965, BGBl I S.851 --BewÄndG-- in der geltenden Fassung). Da der Senat die dadurch hervorgerufenen Bewertungsunterschiede bei Berücksichtigung des Zuschlages zu den Einheitswerten in Höhe von 40 v.H. (vgl. § 121a BewG) noch bis einschließlich 1979 für verfassungsmäßig hält (vgl. den Beschluß vom 11.Juni 1986 II B 49/83, BFHE 146, 474, BStBl II 1986, 782), müssen die Ungereimtheiten, die sich aus den unterschiedlichen Wertansätzen ergeben, insoweit hingenommen werden, als sie der Gesetzgeber nicht ausgleicht oder der Rechtsprechung eine Milderung der Ungereimtheiten nicht möglich ist. Letzteres ist der Rechtsprechung angesichts der durch den Beschluß BVerfGE 30, 129, verursachten Aufhebung des § 16 Abs.2 BewG nicht möglich.

c) Der Senat hat noch die Frage geprüft, ob gegen die Regelung des § 92 BewG insgesamt verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, wie sie vor allem von Seifried (Steuer und Wirtschaft --StuW-- 1984, 340) geltend gemacht sind. Er verneint diese Frage, auch wenn eine andere Lösung denkbar wäre (vgl. hierzu Troll, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz-Kommentar, 3.Aufl., § 12 Tz.105, S.119 a).

Grundlage der Regelung des § 92 BewG ist die in § 68 BewG getroffene Entscheidung, daß das Erbbaurecht zum Grundvermögen gehört und somit gemäß § 70 Abs.1 BewG ein Grundstück im Sinne des BewG bildet. Es ist nicht ersichtlich, daß durch diese Entscheidung die innere Sachgesetzlichkeit des BewG verletzt wird. Denn im Zivilrecht gilt das Erbbaurecht als ein grundstücksgleiches Recht (vgl. § 11 ErbbauV).

Dem Gesetzgeber ist es verfassungsrechtlich auch nicht verwehrt, die Bewertung des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks und des Erbbaurechts so zu regeln, daß der Wert des Grund und Bodens ganz oder teilweise beim Erbbauberechtigten angesetzt wird (§ 92 Abs.2, 3 BewG). Denn hierdurch wird berücksichtigt, daß sich der Grundstückseigentümer während des Bestehens des Erbbaurechts weitgehend aller Einflußmöglichkeiten auf den Grund und Boden entäußert hat. Zwar ist die Regelung des § 92 BewG verfassungsrechtlich nicht zwingend. Auch die von Troll (a.a.O.) vorgeschlagene Lösung, wonach der Grund und Boden immer beim Grundstückseigentümer anzusetzen und dem Erbbauberechtigten nur der Wert der aufstehenden Gebäude zuzurechnen ist, während der Erbbauzins außer Betracht bleibt, wäre verfassungsrechtlich möglich. Wenn sich aber der Gesetzgeber für eine der verfassungsrechtlich denkbaren Lösungen entschieden hat, so hat die Rechtsprechung dies zu beachten. Auf der Grundlage der Regelung des § 92 Abs.2 und 3 BewG ist der gesonderte Ansatz des Erbbauzinses gemäß § 92 Abs.5, § 13 BewG folgerichtig.

Daß das Erbbaurecht im Bilanzsteuerrecht wie ein Nutzungsrecht behandelt wird, zwingt verfassungsrechtlich nicht zu einer übereinstimmenden Regelung im Bewertungsrecht.

3. Die Revision ist auch insoweit unbegründet, als sie der Auffassung ist, daß der Erbbauzinsanspruch nur mit dem 9fachen des Jahreswertes anzusetzen ist. Das Erbbaurecht ist auf eine bestimmte Zeit vereinbart, die zum Ansatz des 18fachen des Jahreswertes führt. Die Vereinbarung über einen Heimfall beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen macht den Erbbauzinsanspruch nicht zu einem Recht von unbestimmter Dauer. Maßgebend ist, was für den Regelfall vereinbart wird, nicht aber eine mögliche Änderung des Rechtsverhältnisses, die sich aus der etwaigen Geltendmachung eines Heimfallrechtes beim Vorliegen besonderer Umstände ergeben könnten. Im übrigen hat das FG zu Recht darauf hingewiesen, daß die etwaige Ausübung eines Heimfallrechtes weder das Erbbaurecht noch den Erbbauzinsanspruch zum Erlöschen bringt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61351

BStBl II 1987, 101

BFHE 148, 180

BFHE 1987, 180

BB 1987, 886

BB 1987, 886-887 (ST)

DB 1987, 618-619 (ST)

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