Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Richterablehnung

 

Leitsatz (NV)

Es stellt keinen wirksamen Grund zur Ablehnung eines Richters dar, wenn ein anderer Rechtsstreit unter Mitwirkung des betreffenden Richters zuungunsten des Klägers entschieden worden ist. Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine gleichliegende Sache handelt.

 

Normenkette

FGO § 51 Abs. 1; ZPO § 42 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehrt vor dem Finanzgericht (FG) bei der Festsetzung seiner Einkommensteuer die Anrechnung von Körperschaftsteuer und Kapitalerstragsteuer 1985 bis 1988. Er lehnte in diesem Verfahren die Berichterstatterin, Richterin am FG R, wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Die Richterin hatte an den Klageverfahren wegen Einkommensteuer 1985, wegen Einkommensteuer 1986, wegen Einkommensteuer 1987 und wegen Einkommensteuer 1989 -- ebenfalls als Berichterstatterin -- mitgewirkt. In diesen Verfahren sind Urteile ergangen.

Zur Begründung des Ablehnungsantrags führt der Kläger im wesentlichen aus, die Richterin habe in den vorgenannten Urteilen Körperschaftsteuer in Höhe von ... DM ordnungsgemäß hinzugerechnet, es jedoch entgegen der Gesetzes- und Richtlinienlage versäumt, diese Beträge als Anrechnungspositionen in Ansatz zu bringen. Als die Richterin ihren Fehler bemerkt habe, habe sie sich -- heimlich und ohne seine Kenntnis -- mit dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) ins Benehmen gesetzt und dieses veranlaßt, die besagten Einkommensteuerbescheide zu ändern und die Bemessungsgrundlagen um die Körperschaftsteuer zu vermindern, wodurch sich auch die Anrechnung erübrige. Darin erweise sich die fehlende Neutralität der Richterin ihm gegenüber. Ihre Handlungen seien gezielt darauf abgestellt, ihm zu schaden. Gleiches habe sich auch in einem anderen Verfahren erwiesen und sei entsprechend gerügt worden.

Richterin am FG R gab eine dienstliche Äußerung des Inhalts ab, daß sie sich nicht befangen fühle und keine Absprachen mit dem FA getroffen habe. Die Änderungen der besagten Einkommensteuerbescheide seien vielmehr auf Veranlassung der Oberfinanzdirektion (OFD) erfolgt.

Das FG hat den Ablehnungsantrag als unbegründet zurückgewiesen. Es geht davon aus, daß der Kläger in subjektiven Vorstellungen befangen sei, weil die Urteile in den von ihm eingeleiteten Klageverfahren nicht seinen Vorstellungen entsprochen hätten. Dem Kläger sei infolge einer Auskunft der OFD bekannt gewesen, daß eine Absprache des FA mit Richterim am FG R nicht existiere. In diesem Sinne habe sich auch die Richterin selbst geäußert. Was sein Vorbringen hinsichtlich der anderen, bereits entschiedenen Verfahren anbelange, bestehe keine Veranlassung, hierauf einzugehen. Es werde lediglich darauf hingewiesen, daß nicht die Richterin, sondern der gesamte Spruchkörper die Urteile beschlossen habe und daß Befangenheitsanträge nicht dazu bestimmt seien, Rechtsfehler in abgeschlossenen Verfahren nachzuprüfen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, der nicht abgeholfen wurde.

Der Kläger wiederholt im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen, insbesondere hinsichtlich der durch Urteil abgeschlossenen Verfahren und erhebt den Vorwurf der Rechtsbeugung, derentwegen er auch Strafanzeige gegen Richterin am FG R erhoben habe. Im übrigen sei zu erwarten gewesen, daß sowohl die Richterin als auch das FA eine Absprache leugnen würden, allein schon, um die Richterin nicht bloßzustellen. Schließlich sei ihm in dem vorliegenden Klageverfahren durch übereilte Anberaumung der mündlichen Verhandlung das rechtliche Gehör abgeschnitten worden. Seinem Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung habe das FG nicht entsprochen. Dies belege erneut die Befangenheit der Richterin.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Nach § 51 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung setzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit einen Grund voraus, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Mißtrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei verünftiger objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, daß der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Unerheblich ist, ob ein solcher Grund wirklich vorliegt (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 21. September 1977 I B 32/77, BFHE 123, 305, BStBl II 1978, 12, und vom 30. August 1989 IX B 82/89, BFH/NV 1990, 317). Durch das Institut der Richterablehnung sollen die Beteiligten vor Unsachlichkeit geschützt werden. Es ist kein geeignetes Mittel, sich gegen unrichtige bzw. für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren, gleichgültig, ob diese Ansichten formelles oder materielles Recht betreffen (BFH-Beschlüsse vom 17. Juli 1974 VIII B 29/74, BFHE 112, 457, BStBl II 1974, 638, und vom 16. Februar 1989 X B 99/88, BFH/NV 1989, 708). Es ist auch nicht Sinn dieses Instituts, den Beteiligten die Möglichkeit zu eröffnen, nach ihrem Belieben Einfluß auf die Besetzung der Richterbank zu nehmen (BFH-Beschlüsse vom 10. März 1972 VI B 141/70, FHE 105, 316, BStBl II 1972, 570, und vom 7. April 1988 X B 4/88, BFH/NV 1989, 587). Aus der im Rahmen einer früheren richterlichen Entscheidung vertretenen, für den Betroffenen ungünstigen Rechtsansicht allein kann selbst dann kein Ablehnungsgrund hergeleitet werden, wenn diese Auffassung falsch sein sollte (BFH-Beschlüsse vom 2. März 1978 IV R 120/76, BFHE 125, 12, BStBl II 1978, 404; vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555, und in BFH/NV 1989, 587, m. w. N.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn Gründe dargetan sind, die dafür sprechen, daß die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (BFH in BFHE 112, 457, BStBl II 1974, 638, und in BFH/NV 1989, 708).

2. Bei Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze rechtfertigen die vom Kläger vorgetragenen Gründe nicht die Besorgnis der Befangenheit. Der Kläger hat keine Umstände dargetan, die auf eine unsachliche oder willkürliche Einstellung der berichterstattenden Richterin am FG R bei der Entscheidung im FG-Verfahren deuten.

Der Kläger begründet sein Befangenheitsgesuch gegen die Richterin u. a. mit denselben Sach- und Verfahrenseinwänden, die er auch in der gleichzeitig erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das FG-Urteil vom 24. Mai 1994 sowie in der Beschwerde gegen den FG-Beschluß über die Festsetzung des Streitwertes in dieser Sache geltend gemacht hat. Gerügt wird vor allem, daß ihm das rechtliche Gehör abgeschnitten worden sei, indem das FG seinem Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung nicht entsprochen habe. Über beide Beschwerden hat der erkennende Senat unter den Az. I B 161/94 und I B 48/94 zwischenzeitlich entschieden. Die Beschwerden wurden als unzulässig verworfen bzw. als unbegründet abgewiesen. Auf die entsprechenden Beschlüsse vom heutigen Tage wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Die darin gegebenen Begründungen bestätigen, daß das FG das Befangenheitsgesuch des Klägers gegen Richterin am FG R zu Recht zurückgewiesen hat. Die Sach- und Verfahrensbehandlung des Streitfalles gibt keine Veranlassung zur Besorgnis der Befangenheit der Richterin. Sie gäbe dies auch dann nicht, wenn die vorgenannten Entscheidungen des FG in der Sache falsch sein sollten. Der Kläger hat nichts dafür dargetan, was dafür spräche, daß eine solche unterstellte Fehlerhaftigkeit auf Willkür oder einer unsachlichen Einstellung der Richterin beruhen würde.

Der weitere Vortrag des Klägers zum "Zusammenwirken" der Richterin mit dem FA ist ebenfalls nicht geeignet, Parteilichkeit und Unvoreingenommenheit gegenüber dem Kläger anzunehmen, und zwar schon deshalb nicht, weil dieses behauptete, aber durch nichts belegte Zusammenwirken vom Kläger nicht in dem Klageverfahren vermutet wird, sondern in anderen von ihm betriebenen Klageverfahren gegen das FA. Daß ein anderer Rechtsstreit unter Mitwirkung des betreffenden Richters zuungunsten des hier beteiligten Klägers entschieden worden ist, stellt aber keinen Ablehnungsgrund dar, und zwar auch dann nicht, wenn es sich um eine gleichliegende Sache gehandelt hat (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 51 Rdnr. 41, m. w. N. zur Rechtsprechung). In Anbetracht dessen läßt auch die Gesamtwürdigung der vorgebrachten Ablehnungsgründe die Unvoreingenommenheit der Richterin am FG R nicht als zweifelhaft erscheinen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 369

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