Entscheidungsstichwort (Thema)

Ungerechtfertigte Richterablehnung

 

Leitsatz (NV)

Für die Besorgnis der Befangenheit muß ein nachvollziehbarer Grund dargelegt werden.

 

Normenkette

FGO § 51 Abs. 1, § 155; ZPO §§ 41-42, 44, 411 Abs. 3; GKG § 8

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hat durch Urteil vom 26. April 1988 über die unter dem Az. . . . anhängig gewesene Klage der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) entschieden. Die Kosten des Verfahrens wurden gegeneinander aufgehoben (§ 136 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). An der Entscheidung wirkten die Richter am FG A, B und C mit.

Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom erkennenden Senat als unzulässig verworfen.

Gegen die Kostenrechnung des FG für dieses Verfahren legten die Kläger Erinnerung ein. Das FG wies diese mit Beschluß vom 25. Januar 1989 zurück. An dem Beschluß haben der Vorsitzende Richter am FG D und die Richter am FG B und C mitgewirkt.

Mit der am 12. Oktober 1988 beim FG eingegangenen Restitutionsklage . . . begehrten die Kläger die Aufhebung des Urteils des FG vom 26. April 1989 . . . Geschäftsplanmäßig zuständig sind der Vorsitzende Richter am FG D und die Richter am FG B und C.

Nach dem Schriftsatzaustausch in dieser Sache setzte das FG Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 23. Februar 1989 an.

Mit dem am 20. Februar 1989 beim FG eingegangenen Ablehnungsgesuch führen die Kläger aus: ,,Die hauptamtlichen Mitglieder des . . . Senats am FG . . . A, B und C werden von der Ausübung des Richteramts im o. g. Wiederaufnahmeverfahren - . . . - wegen Mitwirkung am Erlaß der angefochtenen Entscheidung vom 26. 4. 1988 im Verfahren - . . . - ausgeschlossen.

Die hauptamtlichen Mitglieder des . . . Senats D, B und C werden im Verfahren - . . . - wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Der Antrag auf Ausschließung bedarf eigentlich keiner Begründung. Die drei o. g. Herren sind Verfasser und Unterzeichner des angefochtenen Urteils, dessen Entscheidungsgründe Anlaß zur Restitutionsklage gaben. Hierzu wird auf die Ausführungen in der Klageschrift vom 12. Oktober 1988 und in den diesbezüglichen Schreiben der Kläger vom 2. 11. 1988 sowie vom 25. 11. 1988 Bezug genommen. Daß die Herren A, B und C im Finanzrechtsstreit . . . nicht gerade klägerfreundlich eingestellt waren, sei der Urteilsbegründung vom 26. 4. 1988 zu entnehmen. . . .

Die Ablehnung der Herren D, B und C in bezug auf das o. g. Wiederaufnahmeverfahren, in dem es auch hauptsächlich um Fehler und Unterlassungen des vom . . . Senat bestellten Sachverständigen im Verfahren . . . geht, erfolgt wegen bestimmter Äußerungen der genannten Herren im o. g. Beschluß des . . . Senats vom 25. Januar 1989 auf die Erinnerung vom 10. 9. 1988."

Das FG lehnte durch den Vorsitzenden Richter am FG D und die Richter am FG B und C das Ablehnungsgesuch mit Beschluß vom 21. Februar 1989 (. . .) ab. Die pauschale Ablehnung eines ganzen Spruchkörpers sei mißbräuchlich.

Die Ablehnungsgründe, die vorgetragen worden seien, beinhalteten die Behauptung von Rechtsfehlern in den Entscheidungen . . . und . . . Rechtsfehler seien keine Befangenheitsgründe. Dies gelte insbesondere, wenn sie in früheren Verfahren unterlaufen sein sollten.

Die Auffassung der Kläger, der Beschluß vom 25. Januar 1989 . . . enthalte ,,eindeutig abwertende Äußerungen", sei abwegig.Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger.

Das Ablehnungsgesuch habe sich nur zufällig gegen alle im vorliegenden Rechtsstreit beteiligten Richter gerichtet. Es sei keine pauschale Ablehnung der Kammer erfolgt. Wenn sich die Ablehnungsgründe, wie in dem Gesuch vorgetragen, aus dem Urteil ergeben, so könne selbstverständlich nachträglich nicht ein einzelner Richter abgelehnt werden, wenn auch zu erwarten sei, daß der Berichterstatter das Urteil geschrieben habe. Vielmehr müßten alle Richter, die das Urteil unterschrieben haben, abgelehnt werden.

Die Zweifel an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit der Richter am FG A, B und C ergäben sich daraus, daß diese im Finanzrechtsstreit . . ., bei dem es wie im Wiederaufnahmeverfahren . . . um die Kaufpreisaufteilung in Bodenwert- und Gebäudewertanteil gehe, immer dann bereit gewesen seien, auch ungenehmigte Aus- oder Umbauten bei der Ermittlung des Gebäudewertes mitzuberücksichtigen, wenn dafür auch ein Mietwertansatz des beklagten Finanzamts (FA) in Betracht gekommen sei. Andernfalls sei die Bewertung einfach mit dem Hinweis auf den (angeblich) fehlenden Bestandsschutz abgelehnt worden.

Eine Bevorzugung des FA sei auch darin zu sehen, daß eine Ergänzung des Mietwerts um die niemals strittige, ortsübliche Garagenmiete erfolgte, sowie durch die Nichtanrechnung der Kosten für die Schotterbeseitigung und den Abbruch ungenehmigter Bauten, die nach Aussagen des Sachverständigengutachtens den Wert der belasteten Grundstücke verminderten.

Auch die Ablehnung der Richter D, B und C wegen der Entscheidung über die Erinnerung sei nicht unzulässig, denn die Behauptung, die Erinnerungsführer hätten ,,gegen nahezu alle Feststellungen des Sachverständigen Einwendungen erhoben", entspreche nachweislich nicht den Tatsachen. Wenn dieselben Richter am Wiederaufnahmeverfahren . . . tätig sein sollten, habe eine solche Äußerung sogar diffamierenden Charakter in bezug auf den Vortrag der Kläger, die damit schon im vorhinein zu Querulanten abgestempelt und gar nicht mehr ernst genommen würden. Deren Ablehnungsgesuch werde deshalb bezeichnenderweise als ,,schlechthin abwegig" bezeichnet, um sich nicht im einzelnen zu den Ablehnungsgründen äußern zu müssen. Die abgelehnten Richter hätten deshalb an der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch nicht teilnehmen dürfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde der Kläger ist zulässig, aber unbegründet.

Die nach § 128 FGO statthafte Beschwerde ist nicht deswegen unzulässig, weil das FG zur Hauptsache entschieden hat (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. November 1981 GrS 1/80, BFHE 134, 525, BStBl II 1982, 217).

Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, war keiner der abgelehnten Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes im Sinne von § 51 FGO i. V. m. § 41 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ausgeschlossen.

Das FG konnte das Ablehnungsgesuch der Kläger nach § 51 FGO i. V. m. § 45 ZPO mit den abgelehnten Richtern zurückweisen. Die abgelehnten Richter können bei der Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch mitwirken, sofern dieses rechtsmißbräuchlich ist (BFH-Beschlüsse vom 17. Juli 1974 VIII B 29/74, BFHE 112, 457, BStBl II 1974, 638; vom 7. Mai 1986 I B 70/85, BFH / NV 1987, 653). Dies ist hier der Fall.

Ein Richter kann nach § 51 Abs. 1 FGO i. V. m. § 42 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es darauf an, ob ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus, aber bei objektiver und vernünftiger Betrachtung, davon ausgehen kann, daß der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Unerheblich ist, ob ein solcher Grund wirklich vorliegt (BFH-Beschluß vom 21. September 1977 I B 32/77, BFHE 123, 305, BStBl II 1978, 12).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH liegt ein solcher Grund nur dann vor, wenn ein Verfahrensbeteiligter nach den äußeren Umständen einen vernünftigen Grund für die Annahme hat, der Richter werde sich aus einem in seiner Person liegenden Grund bei seiner Entscheidung von nicht sachgerechten Rücksichten leiten lassen. Maßgebend ist zwar die Sicht des Ablehnenden; ihr kann jedoch nur insoweit Rechnung getragen werden, als die Besorgnis der Befangenheit nachvollziehbar ist; der Verfahrensbeteiligte muß nach § 44 Abs. 2 ZPO einen Grund für eine solche Annahme darlegen und glaubhaft machen (BFH-Beschluß in BFHE 112, 457, BStBl II 1974, 638).

Das Ablehnungsgesuch muß gegen einen bestimmten Richter gerichtet werden. Unzulässig ist es, pauschal den ganzen Spruchkörper abzulehnen. Unzulässig, weil rechtsmißbräuchlich, ist es auch, alle Richter eines Spruchkörpers abzulehnen, ohne daß Gründe vorgetragen werden, die auf die Einstellung des einzelnen Richters bei der anstehenden Entscheidung bezogen sind. Das gilt insbesondere für die Rüge von Rechtsverstößen, die dem Gericht in einem früheren, bereits abgeschlossenen Verfahrensabschnitt unterlaufen sein sollen (Beschluß in BFH / NV 1987, 653).

Die Kläger haben alle Richter abgelehnt, die an den Entscheidungen vom 26. April 1988 (. . .) und vom 25. Januar 1989 (. . .) mitgewirkt hatten; sie haben nicht in bezug auf jeden einen Ablehnungsgrund dargelegt.

Es kann indes dahingestellt bleiben, ob die Beschwerde bereits aus diesem Grunde zurückzuweisen ist. Denn die Kläger haben keinen nachvollziehbaren Grund für die Besorgnis der Befangenheit auch nur eines Richters dargelegt.

Mit den Rügen wird im Kern ausschließlich der Vorwurf fehlerhafter Rechtsanwendung in den vorausgegangenen Verfahren der Einkommensteuersache 1980 (. . .) und dem anschließenden Erinnerungsverfahren in der Kostensache (. . .) erhoben. Der Umstand, daß ein Richter schon in einer gleichliegenden Sache zuungunsten der Kläger entschieden hat, ist jedoch kein Ablehnungsgrund (vgl. Gräber / Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., München 1987, § 51 Ann. 41).

Das FG hat im Verfahren der Erinnerung gegen die Kostenrechnung u. a. ausgeführt.

,,Abgesehen davon, daß sich § 8 GKG somit nicht auf die umstrittenen Auslagen für den Sachverständigen bezieht, liegt im Streitfall weder seitens des Sachverständigen noch seitens des Gerichts eine unrichtige Sachbehandlung vor. Die ergänzenden Äußerungen des Sachverständigen waren geboten, um den verschiedenen Einwendungen der am Klageverfahren Beteiligten sowie den unübersichtlichen tatsächlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Soweit kleinere Unrichtigkeiten in den Berechnungen des Sachverständigen zu Korrekturen geführt haben, hat sie der Sachverständige nach dem Schreiben vom 18. 9. 1987 in seiner Rechnung nicht berücksichtigt. Es war auch zweck- und gesetzmäßig (§ 411 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 155 FGO), den Sachverständigen zur Erläuterung des Gutachtens zur mündlichen Verhandlung am 26. 4. 1988 zu laden, zumal die Erinnerungsführer gegen nahezu alle Feststellungen des Sachverständigen Einwendungen erhoben hatten und im Schreiben vom 17. 3. 1988 auf einer Ergänzung des Gutachtens bestanden hatten."

Es trifft nach Aktenlage zu, daß die Kläger im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens gegen das dem FG vorliegende Gutachten und seine Ergänzungen Einwendungen erhoben haben, und zwar zuletzt auch im Schriftsatz vom 6. April 1988 vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung. Das FG hat diesen Termin nicht vertagt, vielmehr den Gutachter das Gutachten in diesem Termin erläutern lassen und den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit gegeben, sich erneut zu dem letzten Stand des Gutachtens zu äußern. Aus der Darstellung dieser Umstände im Beschluß läßt sich kein Grund entnehmen, der Anlaß zur Besorgnis der Befangenheit geben könnte. Mit dem Wort ,,abwegig" im Beschluß, mit dem das FG den Ablehnungsantrag ablehnt, drückt es sein Unverständnis aus, die Darstellung des Sachverhalts sei ,,als eindeutig abwertende Äußerung" anzusehen. Aus dem Zurückweisen des Vorwurfs, die Darstellung des Sachverhalts sei nicht nur eine wertende, sondern sogar eine abwertende Äußerung des Gerichts, läßt sich weder für sich genommen noch im Gesamtzusammenhang der Begründung eine Besorgnis der Befangenheit ableiten.

 

Fundstellen

BFH/NV 1990, 317

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