Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur ordnungsmäßigen Besetzung des Gerichts

 

Leitsatz (NV)

1. Die geringfügige Überbesetzung eines Senats mit einem Richter mehr als die vorgeschriebene Mindestzahl von fünf (§ 10 Abs. 3 FGO) ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden (Anschluß an BFHE 165, 492, BStBl II 1992, 260).

2. Stehen zwei (Vorsitzender und Mitberichterstatter) der an der Entscheidung in Dreierbesetzung mitwirkenden Richter von vornherein fest, so verstößt die Entscheidung jedenfalls nicht gegen das verfassungsrechtliche Gebot des gesetzlichen Richters i.S. von Art.101 Abs. 1 Satz 2 GG (Anschluß an BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252 unter 5).

 

Normenkette

FGO § 10 Abs. 3, §§ 134, 155; GVG § 21g Abs. 2; ZPO § 579 Abs. 1 Nr. 1; GG Art.101 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Der Antragsteller beantragt die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) und die Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Wiederaufnahme des Verfahrens XI S 5/92. In diesem Verfahren hat der Senat die Gewährung von PKH abgelehnt, weil die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Der Antragsteller macht nunmehr im wesentlichen geltend, der Beschluß vom 7. August 1992 XI S 5/92 sei rechtswidrig. Die Herren X und Y hätten nicht an der Beratung beim Finanzgericht (FG) teilnehmen dürfen. Außerdem sei ,,der Spruchkörper des Bundesfinanzhofs (BFH) unter Verletzung von § 21c des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) falsch besetzt gewesen, weil nicht das Zufallsergebnis gemäß Geschäftsverteilungsplan die Teilnahme der Richter an dem Verfahren bestimmt hat, sondern diese Richter durch diverse Entscheidungen des Vorsitzenden mit ihrer Beschlußfassungsaufgabe ausgewählt aus sechs bis sieben Richtern betraut worden" seien. Nach § 579 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) habe ein derartiges Richterauswahlverfahren die Nichtigkeit des Beschlusses zur Folge, weil dadurch der Anspruch auf den gesetzlichen Richter verletzt worden sei.

Der Antragsteller hat dem Antrag eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt.

 

Entscheidungsgründe

Dem Antragsteller kann für die begehrte Wiederaufnahme des Verfahrens XI S 5/92 keine PKH gewährt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. § 114 ZPO).

Gemäß § 134 FGO i.V.m. §§ 578 ff. ZPO kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren wiederaufgenommen werden. Die Wiederaufnahme kann durch Nichtigkeitsklage oder durch Restitutionsklage erfolgen. Nach dem Wortlaut des § 578 Abs. 1 ZPO setzt die Wiederaufnahme zwar ein durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossenes Verfahren voraus. Wiederaufgenommen werden kann aber auch ein durch einen rechtskräftigen oder unanfechtbaren Beschluß beendetes Verfahren, soweit der Beschluß auf einer Sachprüfung beruht (allgemeine Ansicht vgl. BFH-Beschluß vom 29. Januar 1992 VIII K 4/91, BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252). In diesem Fall leitet statt einer Klage ein Antrag das Verfahren ein.

Der Senat läßt offen, ob der Wiederaufnahmeantrag gegen einen Beschluß, durch den der BFH PKH für ein einzulegendes Rechtsmittel abgelehnt hat, statthaft ist. Den Ausführungen des Antragstellers läßt sich entnehmen, daß er den Beschluß XIS 5/92 vom 7. August 1992 deshalb für nichtig hält, weil der erkennende Senat bei seinem Erlaß wegen Überbesetzung und mangels eines abstrakt nachvollziehbaren senatsinternen Geschäftsverteilungsplanes nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei (§ 134 FGO i.V.m. § 579 Abs. 1 Nr.1 ZPO). Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, den Nichtigkeitsgrund schlüssig zu behaupten. Eine vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts i.S. des § 134 FGO i.V.m. § 579 Abs. 1 ZPO setzt einen Verstoß gegen Art.101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) voraus (vgl. dazu im einzelnen BFH-Beschluß in BFHE 165, 569, BStBl II 1991, 252). Eine Verletzung dieses Verfahrensgrundrechts läßt sich weder aus dem Geschäftsverteilungsplan des BFH noch dem senatsinternen Geschäftsv

erteilungsplan des XI.Senats für das Geschäftsjahr 1992 herleiten.Die geringfügige Überbesetzung des XI.Senats im Geschäftsjahr 1992 mit einem Richter mehr als die vorgeschriebene Mindestzahl von fünf (§ 10 Abs. 3 FGO), ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der erkennende Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des II.Senats im Urteil vom 11.Dezember 1991 II R 49/89 (BFHE 165, 492, BStBl II 1992, 260 unter 1. a) und des VIII.Senats im Beschluß in BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252 unter 4., welche gleichermaßen für die Überbesetzung des XI.Senats gelten.

Für die Entscheidungen in der Besetzung von drei Richtern enthielt der gemäß § 21g Abs. 2 GVG für das Geschäftsjahr 1992 vom Vorsitzenden des XI.Senats aufgestellte Geschäftsverteilungsplan unter Abschn. II die Regelung, daß der Senatsvorsitzende den Berichterstatter bestimmt und der Mitberichterstatter durch die Endziffer des Aktenzeichens bestimmt wird. Abgesehen vom Senatsvorsitzenden waren jedem der Senatsmitglieder zwei Ziffern zugeteilt. Außerdem war die Vertretung für den Fall geregelt, daß der zum Mitberichterstatter berufene Richter selbst Berichterstatter oder verhindert war. Schließlich war festgelegt, daß bei Anhängigkeit mehrerer Sachen desselben Steuerpflichtigen der Mitberichterstatter in der Sache mit dem niedrigsten Aktenzeichen auch in den folgenden Sachen mitwirkt. War gleichzeitig über ein Revisionsverfahren des Steuerpflichtigen zu entscheiden, so war der Berichterstatter des Revisionsverfahrens zuständig.

Die Grundsätze über die Bestimmung des Berichterstatters waren nicht schriftlich festgelegt. Ihn bestimmte der Vorsitzende unter Berücksichtigung des überkommenen Arbeitsbereichs sowie der Arbeitsbelastung des einzelnen Richters.

Der Senat läßt offen, ob Abschn. II seines Geschäftsverteilungsplanes für 1992 den Anforderungen des § 21g Abs. 2 GVG entsprach. Zumal danach zwei (Vorsitzender und Mitberichterstatter) der an der Entscheidung in Dreierbesetzung mitwirkenden Richter von vornherein feststanden, verstieß er jedenfalls nicht gegen das verfassungsrechtliche Gebot des gesetzlichen Richters i.S. von Art.101 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im BFH-Beschluß in BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252 unter 5.

Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Es entstehen keine Gerichtsgebühren (§ 142 FGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO, § 1 Abs. 1 Buchst. c i.V.m. § 11 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes).

 

Fundstellen

Haufe-Index 419029

BFH/NV 1993, 613

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