Entscheidungsstichwort (Thema)

PKH-Antrag bei Rechtskraft des die Klage abweisenden Urteils

 

Leitsatz (NV)

1. Steht im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde wegen des abgelehnten PKH-Antrags bereits fest, daß das die Klage abweisende Urteil rechtskräftig ist, kann der PKH-Antrag grundsätzlich keinen Erfolg mehr haben. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich aus dem Vortrag des Antragstellers ergibt, daß die Erfolgsaussichten seiner Klage in dem Stadium vor Ergehen der Sachentscheidung in der Hauptsache anders zu beurteilen gewesen wären.

2. Allein die Tatsache, daß das FG eine Beweiserhebung für notwendig gehalten hat, ist nicht geeignet, notwendigerweise eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Klage zu begründen.

 

Normenkette

FGO § 56 Abs. 2, §§ 120, 142; ZPO § 114

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hat den Antrag des Antragstellers und Beschwerdeführers (Antragsteller), ihm für seine Klage gegen die Inanspruchnahme als Haftender für von der GmbH, deren Geschäftsführer er war, geschuldete Lohn- und Kirchensteuer ... Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren, mit dem angefochtenen Beschluß vom ... Juni 1996 wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt. Mit Urteil vom ... Juli 1996 wies es auch die Klage gegen den Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ab, nachdem es zuvor in der mündlichen Verhandlung vom ... Juli 1996 Beweis darüber erhoben hatte, in welcher Weise im Jahre ... die Geschäfte der GmbH geführt worden waren. Der Antragsteller hat gegen das Urteil Revision eingelegt, sie jedoch nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist begründet. Einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Frist hat er trotz eines entsprechenden Hinweises der Geschäftsstelle des Senats nicht gestellt.

Mit Schriftsatz vom ... Juni 1996 legte der Antragsteller gegen den die Bewilligung der PKH ablehnenden Beschluß Beschwerde ein. Er meint, PKH sei zu bewilligen, sobald eine Beweisaufnahme auch nur ernsthaft in Betracht komme. Die Erfolgsaussicht sei wegen der grundsätzlichen Notwendigkeit einer Beweiserhebung auch bei sehr großer Unwahrscheinlichkeit der Beweisbarkeit zwar nicht stets, aber doch im allgemeinen hinreichend.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und in dem Nichtabhilfebeschluß vom ... Juni 1996 ergänzend ausgeführt, es sei nicht davon überzeugt, daß die noch durchzuführende Beweisaufnahme den Antragsteller entlasten werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet; sie ist deshalb durch Beschluß zurückzuweisen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Die Beschwerde gegen den die PKH ablehnenden Beschluß, dem das FG nicht abhalf, ist zulässig; sie ist fristgerecht (§ 129 FGO) und vor der Entscheidung über die Klage in der Hauptsache eingelegt worden (vgl. hierzu Senatsbeschluß vom 7. August 1984 VII B 27/84, BFHE 141, 494, BStBl II 1984, 838 zu 1. b).

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil der Antrag auf Bewilligung von PKH, wie das FG zutreffend anerkannt hat, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte (§ 142 FGO i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --).

Hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht für die beabsichtigte Rechtsverfolgung nur, wenn das Vorbringen des Antragstellers bei summarischer Prüfung nicht von vornherein aussichtslos erscheint, vielmehr der begehrte Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -- BFH --, vgl. nur Senatsbeschluß vom 22. Februar 1994 VII B 114/92, BFH/NV 1994, 822, m. w. N.). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. BFH- Beschlüsse vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217, und vom 6. Juni 1994 VII B 2/94, BFH/NV 1995, 281). Dabei ist zur Beurteilung des voraussichtlichen Erfolgs der zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegende Sach- und Streitstand zugrunde zu legen, was von Bedeutung ist, wenn dieser gegenüber dem Zeitpunkt der Antragstellung für den Antragsteller günstiger geworden ist. Selbst im Beschwerdeverfahren kann noch ein die Erfolgsaussicht begründender Sachverhalt vorgebracht werden, falls die Klage noch beim FG anhängig ist und neues tatsächliches Vorbringen im Klageverfahren berücksichtigt werden muß (vgl. Senatsbeschluß in BFH/NV 1994, 822).

Ist das die Klage abweisende FG-Urteil im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung bereits rechtskräftig geworden, steht zwar grundsätzlich fest, daß auch der PKH-Antrag keinen Erfolg mehr haben kann. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn sich aus dem Vortrag des Antragstellers ergibt, daß die Erfolgsaussichten seiner Klage in dem Stadium vor Ergehen der Sachentscheidung in der Hauptsache anders zu beurteilen gewesen wären (vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 141, 494, BStBl II 1984, 838 zu 2.; vom 6. März 1991 III B 145/89, BFH/NV 1991, 624, und in BFH/NV 1994, 822).

Im Streitfall ist das FG-Urteil zwar noch nicht rechtskräftig geworden, weil der BFH über die zu ihm eingelegte Revision noch nicht entschieden hat. Im Hinblick darauf, daß der Kläger die Revision nicht fristgerecht (§ 120 FGO) begründet hat und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist nicht innerhalb der in § 56 Abs. 2 FGO vorgeschriebenen Frist gestellt hat, wird die Revision aber als unzulässig zu verwerfen sein (§ 124 Abs. 1, § 126 Abs. 1 FGO), wenn sie der Antragsteller nicht zur Vermeidung höherer Kosten zurücknimmt. Deshalb ist auch der Streitfall so zu behandeln, als sei das FG- Urteil bereits rechtskräftig.

Die Beschwerde könnte daher nur dann Erfolg haben, wenn sich aus dem Vortrag des Antragstellers ergibt, daß die Erfolgsaussichten seiner Klage in dem Stadium vor Ergehen der Sachentscheidung in der Hauptsache anders zu beurteilen gewesen wären, als dies durch das Urteil geschehen ist. Allein die Tatsache, daß das FG eine Beweiserhebung für erforderlich gehalten hat, ist jedoch nicht geeignet, notwendigerweise eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Klage i. S. des § 142 FGO i. V. m. § 114 ZPO zu begründen (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 1986 2 BvR 25/86, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1987, 786). Über die Erfolgsaussicht der Klage ist vielmehr im Einzelfall durch das entscheidende Gericht zu befinden. Hält das Gericht eine umfangreiche Sachaufklärung für erforderlich, so kann das zwar ein Anhaltspunkt für eine hinreichende Erfolgsaussicht sein (vgl. BFH-Beschluß vom 20. Februar 1990 VIII B 39/85, BFH/NV 1990, 785). Eine Beweisantizipation ist auch im PKH-Verfahren grundsätzlich nicht zulässig (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. September 1987 IV aZR 76/86, Neue Juristische Wochenschrift 1988, 266). Dennoch muß das Gericht im Einzelfall im summarischen Verfahren prüfen können, ob es die Beweisführung für möglich hält (BFH-Beschluß in BFH/NV 1995, 281), andernfalls könnte der Mittellose die PKH mit jedem aussichtslosen, aber formell korrekten und prozessual nicht übergehbaren Beweisantritt erzwingen (Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 55. Aufl., § 114 Rz. 88; vgl. auch Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 142 FGO Rz. 26).

Da der Antragsteller sich in seiner Beschwerde allein auf die Tatsache der beabsichtigten Beweiserhebung gestützt hat, ohne die Möglichkeiten für die Beweisführung näher darzulegen, das FG in seinem Nichtabhilfebeschluß aber zum Ausdruck gebracht hat, daß es nicht davon überzeugt sei, die noch durchzuführende Beweisaufnahme werde den Antragsteller entlasten, die später durchgeführte Beweisaufnahme diese Überzeugung bestätigt und der erkennende Senat keine anderen Anhaltspunkte für eine vor Ergehen der Entscheidung bestehende hinreichende Erfolgsaussicht der Klage hat, ist im Hinblick auf das in diesem Zusammenhang wie eine rechtskräftige Entscheidung zu behandelnde, klageabweisende Urteil davon auszugehen, daß eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Klage trotz Anordnung der Beweiserhebung durch das FG nicht bestanden hat. Die Beschwerde kann daher keinen Erfolg haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422001

BFH/NV 1997, 607

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge