Leitsatz (amtlich)

Der Wert des Rechtsstreits über die Untersagung der Hilfeleistung in Steuersachen ist nach den Einkünften zu bemessen, die der von der Untersagungsverfügung Betroffene in dem der Verfügung vorangegangenen Kalenderjahr aus der nunmehr untersagten Tätigkeit erzielt hat.

 

Normenkette

FGO § 155; ZPO § 3

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 22.08.1980; Aktenzeichen 2 BvR 653/79)

 

Tatbestand

Der nicht als Setuerberater oder Steuerbevollmächtigter bestellte Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) besorgt selbständig die gesamten steuerlichen Angelegenheiten von fünf Steuerpflichtigen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) untersagte ihm durch Verfügung vom 27. April 1976 mit sofortiger Wirkung jegliche Hilfeleistung in Steuersachen für diese Steuerpflichtigen und für alle weiteren Fälle. Mit der dagegen erhobenen Klage machte der Kläger geltend, er leiste keine geschäftsmäßige Hilfe; eine solche liege nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) erst vor, wenn mehr als zehn Steuerpflichtige betreut würden. Das Finanzgericht (FG) sah die Hilfeleistung als geschäftsmäßig an und wies die Klage durch Urteil vom 25. Mai 1978 ab; die Revision ließ es nicht zu.

Wegen der Nichtzulassung der Revision hat der Kläger form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt. Er ist der Auffassung, die Revision gegen das Urteil stehe ihm erst zu, wenn sie nach § 115 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung mit Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH-EntlastG) vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861) zugelassen worden sei. Der Wert des Streitgegenstandes übersteige nämlich nicht die gesetzliche Grenze von 10 000 DM. Der Wert des Streitgegenstandes sei in Fällen des Verbotes der Berufsausübung gleichzusetzen mit dem letzten Jahreseinkommen des Betroffenen. Im Steuerbescheid für die Jahre 1974 und 1975 habe das FA sein Jahreseinkommen auf Beträge unter 10 000 DM festgestellt.

Das FA macht geltend, für die Höhe des Streitwertes komme es nicht auf das Einkommen, sondern auf den aus der untersagten Tätigkeit erzielten Gewinn an. Maßgeblich könne nur das Interesse sein, das der Kläger an der weiteren Ausübung der untersagten Tätigkeit habe, somit also das Interesse an dem durch sie erzielbaren Gewinn. Aus der untersagten Tätigkeit habe der Kläger in den Jahren 1974 bis 1976 jeweils einen Gewinn von mehr als 10 000 DM erzielt.

 

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil der Kläger durch die Nichtzulassung der Revision nicht beschwert ist. Er konnte gegen das Urteil des FG gemäß § 115 Abs. 1 FGO, Art. 1 Nr. 5 BFH-EntlastG von Anfang an ohne Zulassung Revision einlegen, weil der Wert des Streitgegenstandes für das Revisionsverfahren höher ist als 10 000 DM (vgl. BFH-Beschluß vom 3. Mai 1968 III B 38/67, BFHE 93, 25, BStBl II 1968, 685). Der Wert des Streitgegenstandes ist bei sinngemäßer Anwendung des § 3 der Zivilprozeßordnung - ZPO - (§ 155 FGO) nach freiem Ermessen zu bestimmen, da die anderen Vorschriften über die Bestimmung des Streitwerts (§§ 6 bis 9 ZPO) nicht anwendbar sind. Streitgegenstand ist die Rechtmäßigkeit der vom Kläger angegriffenen Verfügung des FA vom 27. April 1976, die ihm mit sofortiger Wirkung untersagt hat, für fünf näher bezeichnete Steuerpflichtige oder für weitere Personen Hilfe in Steuersachen zu leisten. Der Wert dieses Streitgegenstandes wird wesentlich bestimmt durch den finanziellen Nachteil, den der Kläger durch Befolgung der Verfügung erleidet, nämlich durch den Verlust der aus der Tätigkeit erzielbaren Einkünfte. Diese betrugen in den der Verfügung vorangegangenen beiden Kalenderjahren gemäß dem vom Kläger vorgelegten Steuerbescheid jeweils mehr als 10 000 DM. Die Höhe des finanziellen Interesses des Klägers an der Aufhebung der ihm die Hilfe in Steuersachen untersagenden Verfügung wird nicht gemindert durch diejenigen Beträge, die bei der Veranlagung zur Einkommensteuer von der Summe seiner gesamten Einkünfte als Altersentlastungsbetrag, Sonderausgaben, Vorsorgeaufwendungen und Altersfreibetrag abzusetzen waren. Denn die Höhe seines finanziellen Erfolges aus der untersagten Tätigkeit hing von diesen Beträgen nicht ab. Es ist also sachgerecht, den Streitwert nach den Einkünften zu bemessen, die der von der Untersagungsverfügung Betroffene in dem der Verfügung vorangegangenen Kalenderjahr aus der nunmehr untersagten Tätigkeit erzielt hatte. Diese Einkünfte beliefen sich im vorliegenden Falle auf mehr als 10 000 DM. Somit ist diese Streitwertgrenze überschritten.

Der erkennende Senat hat allerdings in seinem Beschluß vom 27. Juni 1978 VII B 18/77 (BFHE 125, 435, BStBl II 1978, 631) ausgeführt, bei der Untersagung der Hilfeleistung in Steuersachen sei der Streitwert gleich dem letzten "Jahreseinkommen" des Betroffenen. Er hatte indessen damals keinen Anlaß, den damit gewählten Maßstab den dem Einkommensteuerrecht entommenen Begriffen "Einkünfte" und "Einkommen" anzupassen, da keine Zweifel daran bestanden, daß der wirtschaftliche Erfolg der untersagten Hilfeleistung in jedem Falle in dem betreffenden Jahr weit über 10 000 DM lag.

Wie im Falle des Beschlusses VII B 18/77 kann auch hier dahingestellt bleiben, ob der vom III. Senat im Beschluß III B 38/67 vertretenen Auffassung zu folgen ist, eine Nichtzulassungbeschwerde könne auch mit der Begründung als zulässig angesehen werden, daß bei ihrer Einlegung der Wert des Streitgegenstandes nicht ohne weiteres beziffert werden konnte. Denn im vorliegenden Fall mußte der Kläger wegen seines erheblichen wirtschaftlichen Interesses an der Durchführung der Revision bei verständiger Würdigung der finanziellen Ergebnisse seiner umstrittenen Tätigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, daß der Wert des Streitgegenstandes die Grenze von 10 000 DM übersteigen könnte. Im übrigen mußte er wegen des Risikos einer Fehleinschätzung gegebenenfalls neben der Nichtzulassungsbeschwerde auch Revision einlegen.

 

Fundstellen

BStBl II 1979, 264

BFHE 1979, 509

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