Leitsatz (amtlich)

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist auch bei Zweifeln an der Höhe des Streitwerts zumindest dann unzulässig, wenn der Beschwerdeführer bei verständiger Würdigung mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, daß das Revisionsgericht den Wert des Streitgegenstandes auf einen Betrag bemessen wird, der die für die Statthaftigkeit der Revision bestimmte Grenze übersteigt.

2. Der Streitwert ist bei Untersagung der Hilfeleistung in Steuersachen in der Regel gleich dem letzten Jahreseinkommen des Betroffenen.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 1, 3; BFH-EntlastG Art. 1 Nr. 5; ZPO § 3

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) hatte gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) Klage erhoben, weil dieses ihm die Hilfeleistung in Steuersachen und insbesondere die Hilfeleistung bei der Erfüllung von Buchführungsaufgaben untersagt hatte, die aufgrund der Steuergesetze bestehen. Durch Urteil vom 10. März 1977 wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab. Die Revision gegen das Urteil ließ es nicht zu. Der Beschwerdeführer legte deswegen mit Schreiben vom 17. Mai 1977 Nichtzulassungsbeschwerde ein. Durch Beschluß vom 18. Mai 1977 setzte das FG den Streitwert auf 13 520 DM fest. Der Nichtzulassungsbeschwerde half das FG nicht ab.

Mit Schriftsatz vom 5. Juli 1977 erklärte der Beschwerdeführer die Nichtzulassungsbeschwerde für erledigt. Zur Begründung führte er aus, die Nichtzulassungsbeschwerde habe vorsorglich eingelegt werden müssen. Der Beschluß des FG über den Streitwert sei ihm erst am 23. Mai 1977 zugestellt worden.

Das FA beantragt, die Beschwerde zu verwerfen mit der Begründung, daß der Beschwerdeführer die Beschwerde zurücknehmen müsse, da eine Erledigung des Beschwerdeverfahrens nicht vorliege.

 

Entscheidungsgründe

Die Erledigungserklärung ist ohne Wirkung, da die Nichtzulassungsbeschwerde von vornherein unzulässig war. Nach einhelliger Auffassung nahezu aller obersten Gerichtshöfe des Bundes können Erledigungserklärungen in der Rechtsmittelinstanz nur wirksam abgegeben werden, wenn das Rechtsmittel gegen die gerichtliche Vorentscheidung zulässig ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 9. August 1977 VII R 123/74, BFHE 122, 443, BStBl II 1977, 697, mit weiteren Hinweisen). Im vorliegenden Fall ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig, weil der Beschwerdeführer durch die Nichtzulassung der Revision nicht beschwert worden ist. Er konnte gegen das Urteil des FG gem. § 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH-EntlastG) von Anfang an ohne Zulassung Revision einlegen, weil der Wert des Streitgegenstandes für das Revisionsverfahren höher war als 10 000 DM (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Mai 1968 III B 38/67, BFHE 93, 25, BStBl II 1968, 685). Der Wert des Streitgegenstandes ist in sinngemäßer Anwendung des § 3 der Zivilprozeßordnung - ZPO - (§ 155 FGO) nach freiem Ermessen zu bestimmen, da die anderen Vorschriften über die Bestimmung des Streitwerts (§§ 6 bis 9 ZPO) nicht anwendbar sind. Dabei hält der Senat es für angemessen, den Wert des Streitgegenstandes nach dem Jahreseinkommen des Beschwerdeführers zu bemessen und mit Rücksicht auf dessen Einkommen im Jahr 1970 auf 33 000 DM zu bestimmen.

Die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde kann auch nicht daraus hergeleitet werden, daß das FG den Streitwert zunächst nicht festgesetzt hat. Ob der Wert des Streitgegenstandes die für die Statthaftigkeit der Revision maßgebliche Grenze überschreitet, hängt nicht von einer Entscheidung des FG ab. Vielmehr muß allein der BFH darüber befinden, da er zu entscheiden hat, ob die Revision statthaft ist (vgl. Urteile des BFH vom 19. Mai 1967 III 264/63, BFHE 89, 149 [150], BStBl III 1967, 549, und vom 24. Januar 1978 VII R 118/74, BFHE 124, 153).

Zur Begründung der Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde kann auch nicht angeführt werden, daß der Wert des Streitgegenstandes bei der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht ohne weiteres beziffert werden konnte. Nach den Ausführungen des III. Senats in den Gründen des Beschlusses III B 38/67 kann zwar die für die Nichtzulassungsbeschwerde erforderliche Beschwer auch damit begründet werden, daß berechtigte Zweifel an der Höhe des Streitwerts für das Revisionsverfahren bestehen. Im vorliegenden Fall braucht jedoch nicht entschieden zu werden, ob dieser Rechtsprechung, die im übrigen auf die hier nicht zu beachtenden Besonderheiten des Bewertungsrechts abgestellt ist (vgl. Beschlüsse des III. Senats des BFH vom 21. Juni 1968 III B 58/67, BFHE 93, 503 [504], BStBl II 1969, 36, und vom 13. August 1976 III B 33/75, BFHE 120, 17 [20], BStBl II 1976, 774), zu folgen ist. Bei dem erheblichen wirtschaftlichen Interesse, das der Beschwerdeführer an der Durchführung der Revision hatte, konnte er bei verständiger Würdigung mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, daß der Wert des Streitgegenstandes auf mehr als 10 000 DM bemessen werden würde. Das dabei verbleibende Risiko mußte er auf sich nehmen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72575

BStBl II 1978, 631

BFHE 1979, 435

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