Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Glaubhaftmachung der Erkrankung eines Bevollmächtigten als Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Weiterleitung von Schriftsätzen an den BFH
Leitsatz (NV)
1. Zur Glaubhaftmachung der Hinderung an der Einhaltung der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde auf Grund einer Erkrankung des Prozessbevollmächtigten ist u.a. erforderlich, dass ein ärztliches Attest vorgelegt oder eine eidesstattliche Versicherung einer dritten Person über Art und Dauer seiner Erkrankung eingereicht wird.
2. Ein Antrag auf Tatbestandsberichtigung und Dienstaufsichtsbeschwerden gegen die Richter des erkennenden Senats des FG sind nicht an den BFH weiterzuleiten.
Normenkette
FGO §§ 31, 56, 62a, 108, 116 Abs. 2 S. 1, § 155; ZPO § 85 Abs. 2, § 87 Abs. 1 Hs. 2
Verfahrensgang
FG Nürnberg (Urteil vom 13.05.2004; Aktenzeichen VI 240/2002) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie war deshalb zu verwerfen.
1. Nach § 116 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Beschwerde über die Nichtzulassung der Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bundesfinanzhof (BFH) einzulegen.
Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) am 21. Mai 2004 zugestellt, die erst am 29. Juni 2004 beim BFH eingegangene Beschwerde war daher verspätet.
2. Wiedereinsetzung gemäß § 56 Abs. 1 FGO wegen der versäumten Einlegungsfrist kann der Klägerin nicht gewährt werden.
a) Nach § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Die Wiedereinsetzung verlangt weiter, dass der Wiedereinsetzungsantrag innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt, die antragsbegründenden Tatsachen mitgeteilt und die versäumte Rechtshandlung nachgeholt werden (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO). Außerdem müssen gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO die Tatsachen zur Begründung des Antrags bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden.
b) Die Klägerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO einzuhalten. Dabei muss sich die Klägerin das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Zwar hat die Klägerin vorgetragen, sie sei durch eine Erkrankung ihres Prozessbevollmächtigten an der Einhaltung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gehindert gewesen. Der Prozessbevollmächtigte hat aber weder ein ärztliches Attest vorgelegt noch eine eidesstattliche Versicherung einer dritten Person über Art und Dauer seiner Erkrankung eingereicht (vgl. hierzu BFH-Beschlüsse vom 4. Januar 2000 IX R 83/95, BFH/NV 2000, 743, und vom 23. Oktober 2000 VI B 45/99, BFH/NV 2001, 468). Auf das Erfordernis der Vorlage eines ärztlichen Attestes kann auch nicht verzichtet werden, weil der Prozessbevollmächtigte --wie er vorträgt-- keinen Hausarzt hat.
c) Der Klägerin ist auch nicht etwa deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil das Finanzgericht (FG) einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung sowie eine Beschwerde gegen die erkennenden Richter des FG-Senats nicht an den BFH weitergeleitet hat und sie deshalb ohne Verschulden verhindert gewesen wäre, die gesetzliche Frist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO einzuhalten. Zwar muss ein FG, das mit der Sache bereits befasst gewesen war, einen bei ihm eingereichten fristgebundenen Schriftsatz für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde an den BFH als das zuständige Rechtsmittelgericht weiterleiten (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2004 XI B 130/02, BFH/NV 2005, 563). Dies gilt jedoch nicht, wenn jemand --wie hier die Klägerin-- Berichtigung des Tatbestandes gemäß § 108 Abs. 1 FGO beantragt und des Weiteren "Beschwerde" gegen die Richter des erkennenden Senats des FG erhebt. Denn für den Beschluss über einen Tatbestandsberichtigungsantrag sind nur die Richter zuständig, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben (§ 108 Abs. 2 Satz 1 und 3 FGO), und für die von der Klägerin gegen die Richter des erkennenden Senats erhobene Dienstaufsichtsbeschwerde ist der Präsident des FG gemäß § 31 FGO zuständig, so dass eine Weiterleitung an den BFH gar nicht in Betracht kam.
3. Ohne Auswirkung auf das Verfahren ist die Kündigung des Vollmachtsvertrages oder die Mandatsniederlegung, die der Prozessbevollmächtigte am 2. November 2005 schriftsätzlich mitteilte. Beide Vorgänge erlangen gemäß §§ 62a Satz 1 und 2, 155 FGO i.V.m. § 87 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Vertreters i.S. des § 62a FGO rechtliche Wirksamkeit (BFH-Urteil vom 13. Januar 1977 V R 87/76, BFHE 121, 20, BStBl II 1977, 238, und BFH-Beschluss vom 14. Februar 2003 X R 35/02, BFH/NV 2003, 652). Ein neuer Prozessbevollmächtigter wurde jedoch nicht bestellt.
Fundstellen
Haufe-Index 1463873 |
BFH/NV 2006, 348 |