Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung

 

Leitsatz (NV)

1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Rechtsmittelfrist infolge unüblich langen Postlaufs (Eil-Telebrief).

2. Zur erforderlichen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache bei behaupteter Verfassungswidrigkeit einer (Kraftfahrzeug-)Steuervorschrift.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer wendet sich gegen die nach seiner Ansicht verfassungswidrige kraftfahrzeugsteuerrechtliche Höherveranlagung des Haltens seines PKW mit Selbstzündungsmotor - Diesel - aufgrund von § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1979 i. d. F. des Haushaltsbegleitgesetzes 1989 vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 1988, 2262, BStBl I 1989, 19 - Steuersatz 21,60 DM/100 ccm Hubraum). Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die bei den Steuersätzen vorgenommene Differenzierung zwischen Diesel- und Benzin-PKW - bei diesen um 8,40 DM/100 ccm Hubraum geringere Steuer - sei mit dem Gleichheitssatz vereinbar. Der höhere Steuersatz bei Diesel-PKW diene dem Ausgleich von Vorteilen, die sich infolge der für Dieselkraftstoff nicht geltenden Mineralölsteuererhöhung im Verhältnis zu Benzin-PKW ergäben. Bei der Kraftfahrzeugsteuererhöhung für Diesel-PKW handele es sich um eine in die Form eines Steuergesetzes gekleidete wirtschaftspolitische Lenkungsmaßnahme, die sachlich gerechtfertigt sei und die die Grenzen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers nicht überschreite. Wenn die Gesamtbelastung durch Kraftfahrzeug- und Mineralölsteuer bei Diesel-PKW mit hoher Fahrleistung niedriger, bei solchen mit geringer Fahrleistung aber höher sei als bei vergleichbaren Benzin-PKW, so bedeute das nicht, daß die Kraftfahrzeugsteuererhöhung gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verstoße. Der Gesetzgeber habe den auszugleichenden Steuervorteil der Diesel-PKW zwangsläufig aufgrund des durchschnittlichen jährlichen Dieselkraftstoffverbrauchs berechnen müssen. Diese pauschale Bewertung (,,Typengerechtigkeit") sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Mit der Beschwerde will der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache erreichen. Das FG habe selbst erkannt, daß die Steuersatzerhöhung für Diesel-PKW nur dann durch die geringere Mineralölsteuerbelastung ausgeglichen werde, wenn die Diesel-PKW eine entsprechend hohe Fahrleistung erbrächten. Gerade weil es verwaltungstechnisch nicht möglich sei, den Steuervorteil der Diesel-PKW für jedes einzelne Fahrzeug zu berechnen und auszugleichen, wäre der Gesetzgeber verpflichtet gewesen, für Diesel- und Benzin-PKW den gleichen Steuersatz vorzusehen. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, inwieweit der Spielraum des Gesetzgebers bei der Schaffung unterschiedlicher Steuermöglichkeiten im Interesse der Steuergerechtigkeit und Steuergleichbehandlung eingeschränkt sei.

Die Beschwerdeschrift ist mit Telebrief (Eilzustellung) einen Tag nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist eingegangen. Der Kläger hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung darauf verwiesen, daß seitens des Postamts bei der Einlieferung am letzten Tage der Frist erklärt worden sei, die Sendung könne noch am gleichen Tag zugestellt werden (Glaubhaftmachung durch eidesstattliche Versicherung der mit der Einlieferung beauftragten Anwaltsgehilfin).

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist, weil unzulässig, kostenpflichtig zu verwerfen (§ 135 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Unzulässigkeit der Beschwerde ergibt sich freilich nicht schon daraus, daß sie verspätet eingelegt worden ist. Denn insoweit ist dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) zu gewähren. Er hat glaubhaft gemacht, daß er ohne Verschulden - auch ohne Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten - verhindert war, die gesetzliche Frist (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) einzuhalten, und die Formerfordernisse für eine Wiedereinsetzung erfüllt. Nach seinem Vortrag ist davon auszugehen, daß mit der Telebrief-Übersendung der Beschwerdeschrift im Wege der Eilzustellung bei üblichem Postlauf noch am Tage der Einlieferung zu rechnen war. Mit der Telebrief-Übermittlung durch Eilzustellung hat der Kläger den Weg gewählt, der nach der der Gehilfin seines Prozeßbevollmächtigten erteilten postamtlichen Auskunft den noch rechtzeitigen Zugang der Beschwerdeschrift gewährleistete (vgl. auch Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. März 1986 IV R 182/83, BFHE 146, 220, 222, BStBl II 1986, 563).

Unzulässig ist die Beschwerde, weil nicht ausreichend dargelegt worden ist, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 3 FGO). Mit der Rechtsbehauptung, die vom FG angewendete Vorschrift sei verfassungswidrig, wird eine grundsätzliche Bedeutung nicht ,,dargelegt" (Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 115 Anm. 62). Der Beschwerdeführer muß vielmehr erläutern, gegen welche Verfassungsnorm die Vorschrift nach seiner Ansicht verstößt, und dies näher begründen (Klein / Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, 1986, Rdnr. 160; vgl. auch BFH, Beschluß vom 8. Mai 1989 X B 189/88, BFH/NV 1990, 243). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Ihr läßt sich allenfalls entnehmen, daß der Kläger die hier maßgebende Steuervorschrift für gleichheitssatzwidrig hält. Es fehlen indessen Ausführungen zu der Frage, inwieweit die beanstandete Ungleichbehandlung, vor allem unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Befugnis des Gesetzgebers, der Besteuerung aus Gründen der Praktikabilität pauschale Maßstäbe zugrunde zu legen (dazu unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts z. B. Senat, Urteil vom 10. Juli 1990 VII R 12/88, BFHE 162, 141, 144, BStBl II 1990, 929), gegen eine Verfassungsnorm verstoßen könnte. Der Kläger wirft dem FG lediglich einen ,,Zirkelschluß" vor, den er darin erblickt, daß die Vorinstanz verwaltungstechnische Schwierigkeiten zum Anlaß genommen habe, um die an sich erkannte steuerliche Ungleichbehandlung zuzulassen. Dieses Vorbringen enthält nicht die gebotene Auseinandersetzung mit der Vorentscheidung und den ausführlichen Gründen, aus denen das FG den erhöhten Steuersatz und dessen Festlegung für verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet hat.

 

Fundstellen

BFH/NV 1992, 753

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