Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichterhebung von Kosten

 

Leitsatz (NV)

1. Zum Antrag auf Nichterhebung von Kosten gemäß § 8 GKG wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs (Überraschungsentscheidung).

2. Zur Prozeßförderungs- und -fürsorgepflicht des Vorsitzenden.

 

Normenkette

FGO § 76 Abs. 2, § 116 Abs. 1 Nr. 5; GKG §§ 5, 8

 

Gründe

Der Antrag des Erinnerungsführers und Kostenschuldners (Kostenschuldner) auf Nichterhebung von Kosten gemäß § 8 des Gerichtskostengesetzes (GKG) ist als Erinnerung (§ 5 GKG) gegen die Kostenansätze zu behandeln, da die Kostenrechnungen in den Verfahren ... und ... dem Kostenschuldner bereits zugegangen sind (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 24. Februar 1967 III B 8/66, BFHE 88, 276, BStBl III 1967, 369; vom 16. Juli 1985 VII E 1, 2/85, BFH/NV 1985, 108; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., Vor § 135 FGO Tz. 22). Über den Antrag hat nach § 8 Abs. 2 Satz 1 GKG das Gericht und nicht die Verwaltung zu entscheiden.

Die gemäß § 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu gemeinsamer Entscheidung verbundenen Erinnerungen sind nicht begründet, da eine unrichtige Sach behandlung durch den Senat in den angeführten Verfahren nicht vorliegt.

In dem Verfahren ... ist entgegen dem Vorbringen des Kostenschuldners nicht deshalb eine Überraschungsentscheidung ergangen und das rechtliche Gehör des Kostenschuldners verletzt worden, weil der Senat in der Begründung seines Urteils im Zusammenhang mit der angegriffenen Überweisungsnachfrage des Finanzamts (FA) den Rechtsbegriff des schlichten Verwaltungshandelns gebraucht hat. Der Senat hat vielmehr die Verfahrensrüge des Kostenschuldners nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO, daß das Urteil des Finanzgerichts (FG) nicht mit Gründen versehen sei, als unschlüssig mit der Begründung zurückgewiesen, daß das Vorbringen des Kostenschuldners keine selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmittel enthalte, die das FG mit Stillschweigen übergangen habe, sondern nur unselbständige Begründungselemente, die die vom Kostenschuldner geltend gemachte Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns belegen sollten. Damit war die Unzulässigkeit der Revision, soweit sie auf § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO gestützt worden war, bereits begründet.

Im Sinne einer Hilfsbegründung hat der Senat sodann in den Urteilsgründen weiter ausgeführt, daß "im übrigen" das Revisionsvorbringen bereits daran scheitere, daß sämtliche Einwendungen aus der rechtlichen Sicht des FG ... unerheblich waren. Das FG habe anders als der Kläger und auch die Oberfinanzdirektion (OFD) in ihrer Beschwerdeentscheidung bei der Prüfung der Zulässigkeit der Überweisungsnachfrage nicht auf § 93 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung (AO 1977) abgestellt. Vielmehr habe es die Nachfrage -- "offensichtlich als schlichtes Verwaltungshandeln" -- bereits deshalb für zulässig ange sehen, weil nach seiner Auffassung der Auftraggeber einer Überweisung ohne weiteres berechtigt sein solle, über sein Kreditinstitut bei dem Empfängerkreditinstitut nachzufragen, ob seine Zahlung dem Empfängerkonto gutgeschrieben sei. Daraus folgt, daß die Entscheidung des Senats nicht auf der Rechtsauffassung beruht, daß dieser selbst die Überweisungsnachfrage des FA als schlichtes Verwaltungshandeln ansieht. Zu einer derartigen Beurteilung hatte der Senat auch keinen Anlaß, weil er im Rahmen des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO allein darüber zu entscheiden hatte, ob der Kostenschuldner schlüssig vorgetragen hatte, das FG habe selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht beschieden; diese allein entscheidungserhebliche Frage hat der Senat -- wie ausgeführt -- verneint. Der Senat hat lediglich hilfsweise zur Darlegung der Plausibilität der Vorentscheidung, die sich nicht zur Verwaltungsaktsqualität der Überweisungsnachfrage ausgelassen hat, ausgeführt, daß das FG die Nachfrage offensichtlich als schlichtes Verwaltungshandeln angesehen hat. Ob diese Beurteilung des FG zutreffend war, ist eine materiell-rechtliche Frage, die im Hinblick auf die erhobene Verfahrensrüge, das Urteil sei nicht mit Gründen versehen, für die Entscheidung des Senats -- wie er nachfolgend ausgeführt hat -- unerheblich war.

Der Senat hatte demnach keinen Anlaß, den Kläger vor einer Entscheidung darauf hinzuweisen, daß die Urteilsgründe des FG auch in der Weise gewürdigt werden könnten, daß dieses die Überweisungsnachfrage als schlichtes Verwaltungshandeln angesehen haben könnte. Da es für die Frage der Zulässigkeit der Revision allein auf die Schlüssigkeit des Vorbringens des Kostenschuldners hinsichtlich der Bescheidung selbständiger Angriffs- und Verteidigungsmittel durch die Vorentscheidung ankam, liegt in dem vom Kostenschuldner vermißten Hinweis auf die Rechtsnatur der Überweisungsnachfrage durch den Senat keine Verletzung rechtlichen Gehörs. Eine Überraschungsentscheidung ist nicht ergangen, da die Ausführungen des Senats zum schlichten Verwaltungshandeln -- wie oben ausgeführt -- nicht entscheidungserheblich waren. Dem Senat war im übrigen -- wie sich aus seinen Urteilsgründen ergibt -- bekannt, daß der Kläger und die OFD die Nachfrage als Verwaltungsakt qualifiziert hatten. Das schloß aber eine anderweitige Beurteilung durch das FG nicht aus. Selbst wenn sich der Senat -- wie der Kläger meint -- hinsichtlich der Würdigung der aus den Urteilsgründen zu entnehmenden rechtlichen Überlegungen des FG geirrt haben sollte, ergibt sich daraus noch keine unrichtige Sachbehandlung i. S. des § 8 Abs. 1 GKG. Maßgeblich ist allein, daß der Senat die Verfahrensrüge der fehlenden Urteilsgründe nicht als schlüssig erhoben angesehen hat. Die vom Kostenschuldner beanstandeten Ausführungen in der Revisionsentscheidung waren jedenfalls für die Kostenentscheidung des Senats nicht ursächlich (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., Vor § 135 FGO Tz. 20).

Soweit der Senat in derselben Sache die Nichtzulassungsbeschwerde des Kostenschuldners durch Beschluß als unbegründet zurückgewiesen hat, ist ebenfalls eine unrichtige Sachbehandlung i. S. des § 8 Abs. 1 GKG weder schlüssig vorgetragen worden noch erkennbar. Bei der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde war lediglich zu prüfen, ob Zulassungsgründe i. S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO hinreichend dargelegt (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) und gegeben waren. Für diese Beurteilung war die Begründung des Revisionsurteils zu der Frage, ob das Urteil des FG mit Gründen versehen war (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO), ohne jede Bedeutung.

Die Hinweispflicht gemäß § 76 Abs. 2 FGO ist nicht verletzt worden. Nach dieser Vorschrift hat der Vorsitzende darauf hinzuwirken, daß sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, unge nügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beur teilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden. Die Prozeßförderungs- und -fürsorgepflicht des Vorsitzenden geht aber nicht -- wie der Kostenschuldner offensichtlich anzunehmen scheint -- so weit, daß er im Falle der Unzulässigkeit oder Unbegründetheit eines Rechtsmittels den Rechtsmittelführer darauf hinweisen muß, um ihm Gelegenheit zur Rücknahme des Rechtsmittels zu geben. Eine derartige Verpflichtung würde zu unzumutbaren Anforderungen führen, da über die Frage, ob die Voraussetzungen der Zulässigkeit und der Begründetheit erfüllt sind, letztlich nur der Senat verbindlich entscheiden kann. Mit der Anrufung des Gerichts hat außerdem der Rechtsmittelführer das Prozeßkostenrisiko zu tragen. Die Rechtsberatung ist grundsätzlich nicht die Aufgabe des Richters (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 76 Rz. 41). In den vorstehend genannten Verfahren kann deshalb von der Erhebung der Kosten nicht abgesehen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420495

BFH/NV 1995, 722

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