Entscheidungsstichwort (Thema)

Einwendungen im Erinnerungsverfahren

 

Leitsatz (NV)

Zu den Einwendungen im Erinnerungsverfahren

 

Normenkette

GKG §§ 5, 8

 

Tatbestand

Das FG erklärte durch Urteil vom 30. Mai 1984 VI K 112/84 auf die Vollstreckungsgegenklage des FA die Vollstreckung eines Steuererstattungsanspruchs der Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Kostenschuldner) aus einem zuvor von ihm erlassenen Urteil wegen Aufrechnung durch das FA für unzulässig. Mit Urteil vom 20. Juni 1984 VI K 436/83 wies das FG die Klage der Kostenschuldner auf Aufhebung eines vom FA erteilten Abrechnungsbescheids und Verpflichtung des FA zur Erteilung eines erneuten Abrechnungsbescheids ab. Die von den Kostenschuldnern gegen diese Urteile eingelegten Nichtzulassungsbeschwerden, die hinsichtlich der Entscheidung VI K 112/84 auf Abweichung von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) und im Falle des Urteils VI K 436/83 auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) gestützt waren, blieben erfolglos. Der Senat wies durch die Beschlüsse vom 29. November 1984 VII B 40/84 und VII B 48/84 die Nichtzulassungsbeschwerden als unbegründet zurück und erlegte die Kosten beider Beschwerdeverfahren den Kostenschuldnern auf. Die Entscheidungen ergingen gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) ohne Begründung.

Mit Kostenrechnungen vom 13. Dezember 1984 setzte die Kostenstelle des BFH die von den Kostenschuldnern zu entrichtenden Gerichtskosten für das Verfahren VII B 40/84 unter Zugrundelegung eines Streitwerts von 1 893 DM auf 64 DM und für das Verfahren VII B 48/84 gemäß einem Streitwert von 4 000 DM auf 101 DM fest.

Die Kostenschuldner haben mit Schreiben vom 26. Januar 1985 gegen beide Kostenrechnungen Erinnerung eingelegt und zugleich beantragt, gemäß § 8 des Gerichtskostengesetzes (GKG) die Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht zu erheben. Zur Begründung machen sie im wesentlichen geltend:

Eine unrichtige Sachbehandlung i. S. des § 8 GKG liege vor, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung offensichtlich gegen eindeutige Normen verstoßen habe. Dies sei auch bei Verfahrensfehlern und insbesondere bei der Verletzung des rechtlichen Gehörs gegeben. Der Senat habe mit seinen ohne Begründung ergangenen Beschlüssen gegen Verfahrens- und Verfassungsrecht und gegen die ihn bindende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verstoßen. Ihre Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision seien auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs gestützt gewesen. Das FG habe ihnen die beantragte Terminsverlegung verweigert und ohne ihr Einverständnis ohne mündliche Verhandlung entschieden. Die mit den Nichtzulassungsbeschwerden angefochtenen Entscheidungen des FG verstießen auch inhaltlich gegen Rechtsnormen, auf deren Beachtung durch die Gerichte sie einen verfassungsrechtlichen Anspruch hätten. Die angeführten fehlerhaften Sachbehandlungen rechtfertigten die Nichterhebung der angesetzten Kosten.

Der Vertreter der Staatskasse beim BFH beantragt, die Erinnerungen als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Erinnerungen gegen die Kostenrechnungen KostL 1759/84 (VII B 40/84) und KostL 1760/84 (VII B 48/84) werden gemäß § 73 Abs. 1 FGO zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. Beide Erinnerungen sind unbegründet.

1. Mit der Erinnerung (§ 5 Abs. 1 GKG) können nur Einwendungen erhoben werden, die sich gegen die Kostenrechnung selbst, also gegen den Ansatz einzelner Kosten oder gegen deren Höhe, ggf. auch gegen den zugrunde liegenden Streitwert richten. Solche Gründe haben die Kostenschuldner nicht geltend gemacht. Ihre Einwände richten sich im Grunde gegen die rechtskräftigen Beschlüsse des Senats vom 29. November 1984 VII B 40/84 und VII B 48/84 und gegen die diesen Beschlüssen vorangegangenen rechtskräftigen Urteile des FG vom 30. Mai 1984 VI K 112/84 und vom 20. Juni 1984 VI K 436/83. Damit können sie aber im Erinnerungsverfahren nicht gehört werden.

2. Auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 8 GKG kann die Erinnerung keinen Erfolg haben. Verfahrensrechtlich gehört die Nichterhebung dieser Kosten nach dieser Vorschrift zum Kostenansatzverfahren. Ist, wie im Streitfall, die Kostenrechnung bereits dem Kostenschuldner zugegangen, so ist der Antrag gemäß § 8 GKG als Erinnerung gegen den Kostenansatz zu behandeln (BFH-Beschluß vom 24. Februar 1967 III B 8/66, BFHE 88, 276, BStBl III 1967, 369 zu dem fast wortgleichen § 7 GKG a. F.; Hartmann, Kostengesetze, 20. Aufl., § 8 GKG Anm. 5; Tipke/Kruse, AbgabenordnungFinanzgerichtsordnung, 11. Aufl., vor § 135 FGO Anm. 13, 22). Nach § 8 Abs. 1 GKG werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben (Satz 1). Für abweisende Bescheide - das sind verwerfende oder zurückweisende Entscheidungen jeder Art und Form, auch Beschlüsse oder Urteile (Hartmann, a.a.O., § 8 GKG Anm. 4) - kann von der Erhebung der Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht (Satz 3). Unrichtige Behandlung der Sache ist gegeben, wenn vom Gericht entweder Verfahrensfehler gemacht oder unrichtige Entscheidungen getroffen werden, wenn das Gericht gegen eindeutige Gesetzesnormen offensichtlich verstoßen hat oder wenn ein offensichtliches Versehen gegeben ist (Tipke/Kruse, a.a.O., vor § 135 FGO Anm. 19).

Entgegen der Auffassung der Kostenschuldner liegt weder ein Verfahrensfehler noch ein Verfahrensverstoß darin, daß der Senat seine zurückweisenden Beschlüsse über die Nichtzulassungsbeschwerden gemäß Art. 1 Nr. 6 BFHEntlG ohne Begründung erlassen hat. Wie das BVerfG mehrfach entschieden hat, ist die Vorschrift des Art. 1 Nr. 6 BFHEntlG mit der Verfassung vereinbar. Dem Grundgesetz (GG) läßt sich nicht entnehmen, daß jede - auch mit dem ordentlichen Rechtsmittel nicht mehr anfechtbare letztinstanzliche - gerichtliche Entscheidung mit einer Begründung zu versehen sei. Die Rechtsprechung des BVerfG zum Begründungszwang bei behördlichen Eingriffsakten (Entscheidungen vom 16. Januar 1957 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32, 44, und vom 29. Oktober 1975 2 BvR 812/73, BVerfGE 40, 276, 286), auf die sich die Kostenschuldner berufen haben, beruht auf der Erwägung, daß den Betroffenen aus rechtsstaatlichen Gründen eine sachgemäße Verteidigung ihrer Rechte ermöglicht werden muß. Dieser Gesichtspunkt läßt sich nicht auf eine den Rechtsweg abschließende Gerichtsentscheidung übertragen (BVerfG-Beschlüsse vom 28. Februar 1979 2 BvR 84/79, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs, Rechtsspruch 62, und vom 10. Januar 1983 2 BvR 1577/82, StRK, Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs, Rechtsspruch 94).

Soweit sich die Kostenschuldner darauf berufen, bereits das FG habe durch seine mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffenen Urteile ihren verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 119 Nr. 3 FGO) verletzt, können sie damit im vorliegenden Erinnerungsverfahren nicht gehört werden, denn dieser Verfahrensfehler wäre für die angefochtenen Kostenansätze, die die Kosten der Beschwerdeverfahren vor dem BFH betreffen, nicht ursächlich. Im übrigen trifft es nicht zu, daß die Kostenschuldner, wie sie nunmehr vortragen, ihre Nichtzulassungsbeschwerden auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das FG gestützt haben. Vielmehr haben sie mit ihren Beschwerden keine Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) geltend gemacht, sondern diese auf Divergenz (so im Verfahren VII B 40/84) bzw. grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (VII B 48/84) gestützt (§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO).

Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer unrichtigen Sachbehandlung und den festgesetzten Kosten wäre auch dann nicht gegeben, wenn die Urteile des FG, wie die Kostenschuldner meinen, inhaltlich unrichtig wären. § 8 GKG könnte die Nichterhebung der hier streitigen Kosten nur rechtfertigen, wenn eine fehlerhafte Sachbehandlung durch den BFH vorläge. Eine solche haben die Kostenschuldner - abgesehen von der hier nicht durchgreifenden Rüge der Anwendung des Art. 1 Nr. 6 BFHEntlG - nicht geltend gemacht. Nachdem die Nichtzulassungsbeschwerden erfolglos geblieben sind, kann die materielle Richtigkeit der rechtskräftigen FG-Urteile auch im Erinnerungsverfahren gegen den Kostenansatz des BFH nicht mehr überprüft werden.

Schließlich kann auch für die zurückweisenden Nichtzulassungsbeschwerden nicht nach § 8 Abs. 1 Satz 3 GKG von der Erhebung der Kosten abgesehen werden. Denn die Kostenschuldner waren in den Beschwerdeverfahren durch Rechtsanwälte vertreten, so daß ihr Antrag an den BFH nicht auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht haben kann (vgl. Hartmann, a.a.O., § 8 GKG Anm. 4 B am Ende).

 

Fundstellen

BFH/NV 1985, 108

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