Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe in einem Rechtsstreit um die Rückforderung von Wohnungsbauprämie

 

Leitsatz (NV)

1. Keine Versagung der Prozeßkostenhilfe, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß die Klage Erfolg haben kann.

2. Zur Ausübung des Wahlrechts zwischen Gewährung der Wohnungsbauprämie oder Geltendmachung des Sonderausgabenabzugs für geleistete Bausparbeiträge.

 

Normenkette

FGO § 142 Abs. 1; ZPO § 114 S. 1; EStG § 10 Abs. 4-5; WoPG § 2b Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) stellte am 27. März 1986 einen formularmäßigen Antrag auf Gewährung von Wohnungsbauprämie für die im Streitjahr 1985 geleisteten Bausparbeiträge. Der Antrag ging am 3. April 1986 bei der Bausparkasse ein. Unter V erhielt er den Hinweis, daß für die Bausparbeiträge bisher kein Sonderausgabenabzug beantragt worden sei. Am 29. Mai 1986 gewährte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) eine Prämie in Höhe von . . . DM.

In seinem am 27. März 1986 beim FA eingegangenen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich setzte der Antragsteller in der für ,,Beiträge an Bausparkassen, die als Sonderausgaben geltend gemacht werden - ohne vermögenswirksame Leistungen" (Antragsformular ESt/LSt 1 A, Zeile 72, 73) vorgesehenen Spalte das Institut, die Vertrags-Nummer und den Vertragsbeginn ein. Die in dem Antragsformular bei Kennzahl 35 notwendige Angabe der gezahlten Bausparbeiträge unterließ er jedoch. In Zeile 74 des Antragsformulars gab der Antragsteller durch entsprechende Kennzeichnung an, daß er für das Streitjahr 1985 eine Wohnungsbau- oder Sparprämie beantragt habe.

Das FA ermittelte aus den vom Antragsteller beigefügten Belegen die gezahlten Bausparbeiträge mit . . . DM und berücksichtigte sie bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Sonderausgaben. Die darauf entfallende steuerliche Auswirkung betrug nach den Feststellungen des FA . . . DM.

Der Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1985 vom 15. Juli 1986 wurde bestandskräftig.

Durch Bescheid vom 21. August 1986 forderte das FA vom Antragsteller die gewährte Wohnungsbauprämie mit dem Hinweis darauf zurück, daß er für die im Streitjahr geleisteten Bausparbeiträge in seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich den - im Streitfall eine größere Steuerminderung ergebenden - Sonderausgabenabzug geltend gemacht habe.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat der Antragsteller Klage erhoben und geltend gemacht, daß das FA die Wohnungsbauprämie zu Unrecht zurückfordere. Gleichzeitig beantragte er, ihm für das Klageverfahren Prozeßkostenhilfe (PKH) zu bewilligen.

Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag auf PKH wegen fehlender Erfolgsaussichten ab (§ 142 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Zur Begründung führte es aus, das FA fordere die Prämie zu Recht vom Antragsteller zurück, weil dieser sein gemäß § 2 b Abs. 1 des Wohnungsbauprämiengesetzes (WoPG) bzw. § 10 Abs. 4 EStG bestehendes Wahlrecht zugunsten des Sonderausgabenabzugs von Bausparbeiträgen ausgeübt habe. Für den vom FA im wohlverstandenen Interesse des Antragstellers gewährten Sonderausgabenabzug habe sich dieser spätestens dadurch entschieden, daß er den Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich bestandskräftig werden ließ. Wegen des Kumulationsverbotes habe der Antragsteller deshalb keinen Anspruch auf die Prämie gehabt.

Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller geltend, seine Klage habe hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Er beantragt sinngemäß, ihm PKH zu gewähren.

Das FA hält die Beschwerde für unbegründet.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, ist begründet.

Nach § 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 114 ZPO ist PKH auf Antrag zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint und wenn der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn für seinen Eintritt bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht; dabei ist eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten nicht erlaubt. Demnach ist die Rechtsverfolgung hinreichend erfolgversprechend, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. März 1986 III B 5-6/86, BFHE 146, 223, BStBl II 1986, 526).

Im Streitfall kann der Klage des Antragstellers bei summarischer Prüfung eine gewisse Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden, wenn davon auszugehen ist, daß zeitlich vor dem Antrag auf Gewährung der Wohnungsbauprämie kein Antrag auf Berücksichtigung der Bausparbeiträge als Sonderausgaben gestellt worden ist. Das in § 2 b Abs. 2 WoPG enthaltene Kumulierungsverbot griffe dann nicht ein, und die gewährte Prämie wäre zu Unrecht gemäß § 4 Abs. 4 WoPG zurückgefordert worden.

Nach § 2 b Abs. 2 WoPG bzw. § 10 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 EStG kann der Steuerpflichtige für geleistete Bausparbeiträge nur entweder die Gewährung einer Wohnungsbauprämie oder den Abzug als Sonderausgaben beantragen. Die entsprechende Wahl ist für jedes Kalenderjahr neu zu treffen (BFH-Urteil vom 18. August 1972 VI R 157/71, BFHE 107, 30, BStBl II 1972, 905). Sie wird zugunsten der Wohnungsbauprämie durch einen an die Bausparkasse gerichteten Antrag (vgl. dazu § 4 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 WoPG) ausgeübt. Der Antragsteller muß nicht zusätzlich erklären, daß er eine bestimmte Möglichkeit wählen will (BFH-Urteil vom 25. Mai 1973 VI R 59/72, BFHE 109, 249, BStBl II 1973, 585). Der Antrag wird mit dem Eingang beim FA rückwirkend auf den Zeitpunkt des Eingangs bei der Bausparkasse wirksam (BFH-Urteil vom 10. Oktober 1975 VI R 83/73, BFHE 117, 130, BStBl II 1976, 16).

Das Wahlrecht zugunsten des Sonderausgabenabzugs wird dadurch ausgeübt, daß der Steuerpflichtige einen ausdrücklichen Antrag auf Berücksichtigung der Bausparbeiträge als Sonderausgaben stellt (§ 10 Abs. 4 Satz 4 EStG), d. h., z. B. sie im Rahmen seines Antrags auf Lohnsteuer-Jahresausgleich oder in seiner Einkommensteuer-Erklärung geltend macht (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 10 EStG Anm. 426; Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 14. Aufl., § 10 EStG Rdnr. 128).

Im Rahmen seines am 27. März 1986 beim FA eingegangenen Antrags auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1985 kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß der Antragsteller den Sonderausgabenabzug für die Bausparbeiträge geltend gemacht hat. Hierfür konnte vor allem sprechen, daß der Antragsteller im Antragsformular bei der dafür vorgesehenen Kennzahl die Bausparbeiträge nicht aufgeführt und außerdem darauf hingewiesen hat, daß für sie eine Wohnungsbauprämie beantragt worden sei. Weder dem Vorbringen im Klage- und Beschwerdeverfahren noch den Feststellungen des FG im angefochtenen Beschluß ist zu entnehmen, daß der Antragsteller vor dem Wirksamwerden seines Antrags auf Gewährung der Wohnungsbauprämie durch ein entsprechendes Verhalten die in seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich enthaltenen Angaben korrigiert und damit klargestellt hat, daß er für die Bausparbeiträge den Sonderausgabenabzug hat wählen wollen.

Bei der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung läßt sich aus dem Umstand, daß der Antragsteller den Bescheid über Lohnsteuer-Jahresausgleich 1985 vom 15. Juli 1986 mit dem darin enthaltenen Sonderausgabenabzug für Bausparbeiträge hat bestandskräftig werden lassen, nicht uneingeschränkt schließen, daß damit konkludent ein Antrag i. S. des § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG gestellt worden ist, durch den die zugunsten des Prämienabzugs getroffene Wahl geändert werden sollte.

Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit es darüber befinden kann, ob auch die übrigen für die Bewilligung der PKH erforderlichen Voraussetzungen des § 114 ZPO im Streitfall erfüllt sind (vgl. BFH-Beschluß vom 11. Oktober 1985 III B 36/84, BFH/NV 1986, 357). Der Senat sieht davon ab, diese Prüfung selbst vorzunehmen, damit dem Beteiligten nicht eine Instanz genommen wird (vgl. dazu Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 132 Anm. 2 A).

 

Fundstellen

Haufe-Index 415424

BFH/NV 1988, 303

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