Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Rechtsbehelfsbelehrung; mangelhafte Begründung eines VA

 

Leitsatz (NV)

1. Die Rechtsmittelbelehrung bedarf naturgemäß keines Hinweises darauf, daß die "Dreitagesvermutung" des § 122 Abs. 2 AO 1977 nicht gilt, wenn das Schriftstück dem Empfänger nicht zugegangen ist.

2. Eine unzutreffende oder zu dürftige Begründung macht eine Rechtsbehelfsentscheidung nicht nichtig.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2; AO 1977 § 122 Abs. 2, §§ 125, 366

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Gründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --)

Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachte Divergenz zu den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. Januar 1964 VI 94/62 S (BFHE 78, 528, BStBl III 1964, 201) und vom 18. Oktober 1972 II R 110/69 (BFHE 107, 409) ist nicht in zulässiger Weise dargetan und liegt auch nicht vor. Die beiden Urteile befassen sich mit Rechtsbehelfsbelehrungen, in denen jeglicher Hinweis auf die Ausnahmen von der "Dreitagesvermutung" des § 17 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (jetzt § 122 Abs. 2 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) fehlte. Das hielt der BFH für unzureichend, weil auf diese Weise der Steuerpflichtige zu dem Irrtum verleitet werden könne, die Rechtsbehelfsfrist sei trotz verspäteten Zugangs des Schriftstücks abgelaufen (Urteil in BFHE 78, 528, BStBl III 1964, 201). Daß die für den Empfänger bestimmte Rechtsbehelfsbelehrung keines Hinweises darauf bedarf, was gilt, wenn das Schriftstück ihm nicht zugegangen ist, liegt auf der Hand.

2. Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO)

Es trifft zwar zu, daß für die Trennung von Verfahren gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO ein Gerichtsbeschluß notwendig ist. Im Streitfall hat das Finanzgericht (FG) jedoch keine Verfahrenstrennung vorgenommen. Es hat vielmehr den Schriftsatz vom 14. November 1994, der erstmalig den Antrag enthielt, (auch) den Einkommensteuerbescheid 1992 aufzuheben, als weitere Klage angesehen.

Inwieweit das FG gegen das Recht des Klägers auf die Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen haben soll, indem es die Klage vom 23. September 1994 ausschließlich als Rechtsmittel gegen die Umsatzsteuerfestsetzung gewertet hat (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 1. April 1981 II R 38/79, BFHE 133, 151, BStBl II 1981, 532, und vom 5. September 1989 VII R 15/87, BFH/NV 1990, 580), ist nicht nachvollziehbar. Die Klage richtet sich eindeutig (nur) gegen die Umsatzsteuerfestsetzung 1992. Entgegen der Darstellung in der Beschwerdebegründung gilt das auch für die Angabe der Rechtsbehelfslistennummer, die nicht mit der für das Einspruchsverfahren wegen Einkommensteuer identisch war.

3. Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO)

Die Frage, ob Rechtsbehelfe gegen Schätzungsbescheide erfolgreich nur mit der Abgabe der entsprechenden Steuererklärung begründet werden können, ist nicht klärungsfähig, da das FG die Anfechtungsklage als unzulässig abgewiesen hat.

Die Klärungsbedürftigkeit der Frage, ob "nur formelhaft begründete" Rechtsbehelfsentscheidungen rechtliche Wirksamkeit erlangen können, ist nicht hinreichend dargetan. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage genügt nicht der Hinweis darauf, daß der BFH einen vergleichbaren Fall noch nicht entschieden habe (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Tz. 56; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 115 Rdnr. 62). Vielmehr ist es u. a. erforderlich, daß die bisher in der Rechtsprechung und in der Literatur hierzu vertretenen Auffassungen dargestellt werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. April 1993 III B 88/91, BFH/NV 1994, 44, 45, und vom 25. April 1995 VIII B 99/94, BFH/NV 1995, 1073). Daran fehlt es im Streitfall. Nach einhelliger Auffassung macht eine unzureichende oder zu dürftige Begründung die Rechtsbehelfsentscheidung nicht nichtig (Tipke/Kruse, a. a. O., § 366 AO 1977, Tz. 5; Scymczak in Koch/Scholz, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 366 Rdnr. 6; Haarmann in Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Rdnr. 3795, m. w. N.; Klinger, Verwaltungsgerichtsordnung, § 73 Anm. B 2 a, m. w. N. aus dem verwaltungsrechtlichen Schrifttum). Insbesondere die Frage, ob eine Begründung "nur formelhaft" sei, wird man kaum jemals "offenkundig" i. S. des § 125 Abs. 1 AO 1977 bejahen können. Man kann es mit Sicherheit nicht im Streitfall, denn der Kläger war in seinem Einspruchsschreiben selbst davon ausgegangen, daß zur Begründung seines Einspruchs die Abgabe der Steuererklärungen erforderlich sei. Insoweit traf die Aussage der Einspruchsentscheidung, der Kläger habe seinen Einspruch nicht begründet, durchaus den Kern der Sache.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421493

BFH/NV 1996, 871

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