Entscheidungsstichwort (Thema)

Divergenz; Verfahrensrügen; Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht und gegen den klaren Akteninhalt; grundsätzliche Bedeutung

 

Leitsatz (NV)

Die Rüge der Verletzung der Pflicht zur Amtsermittlung wegen Nichterhebung eines nicht beantragten Zeugenbeweises ist nicht schlüssig erhoben, wenn das Finanzgericht nach Erörterung der Sach- und Rechtslage erkennbar keinen Bedarf mehr zu weiteren Ermittlungen gesehen hat und der Prozeßbevollmächtigte in Kenntnis der maßgebenden Rechtslage nicht zumindest auf die Einvernahme des Zeugen hingewirkt hat.

 

Normenkette

AO 1977 § 174 Abs. 4, 5 S. 1; FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Die Beschwerde bezieht sich entgegen dem Rubrum der Beschwerdeschrift nach ihrem Inhalt nicht auf das Streitjahr 1978, für das das Finanzgericht (FG) der Klage stattgegeben hat.

2. Soweit die Beschwerde eine Divergenz zum Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. Mai 1963 III 380/61 (Steuerrechtsprechung in Karteiform -- StRK --, Reichsabgabenordnung, § 239, Rechtsspruch 9 = Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964, 51) behauptet, betrifft die Entscheidung nicht dieselbe Rechtsfrage (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 25. Januar 1971 GrS 6/70, BFHE 101, 247, BStBl II 1971, 274, 275; vom 3. Mai 1968 III B 38/67, BFHE 93, 25, BStBl II 1968, 685, 687).

3. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.

a) Das FG hat nach seinem insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Standpunkt (vgl. BFH-Urteil vom 31. August 1992 V R 47/88, BFHE 169, 250, BStBl II 1992, 1046, 1047) nicht darauf abgestellt, ob auch für die Streitjahre 1978 und 1979 eine Prüfungsanordnung gegen die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ergangen war.

b) Das FG hat die Beteiligung der Komplementär-GmbH an der Klägerin nicht im Widerspruch zu dem klaren Inhalt der Akten (§ 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichts ordnung -- FGO --) außer acht gelassen. Vielmehr hat es materiell-rechtlich genügen lassen, daß die Steuerschuldner der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und der Klägerin im wesentlichen identisch seien. Ob dies materiell-rechtlich ausreicht, stellt eine Frage zutreffender Rechtsanwendung dar, nicht hingegen einen Verfahrensmangel.

c) Die Rüge fehlender Prüfung einer ordnungsgemäßen Beteiligung der GmbH am Rechtsbehelfsverfahren der GbR betrifft die zutreffende Anwendung der besonderen Änderungsvorschrift nach § 174 Abs. 5, Abs. 4 der Abgabenordnung (AO 1977) und damit eine materiell- rechtliche Frage. Im übrigen hat das FG die Hinzuziehung der GmbH ausdrücklich festgestellt.

d) Die Rüge mangelnder Sachaufklärung durch das FG (§ 76 Abs. 1 FGO) ist nicht schlüssig erhoben. Nachdem die fachkundig durch den Prozeßbevollmächtigten vertretene Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 2. März 1994 ausdrücklich auf das Urteil des BFH vom 5. Mai 1993 X R 111/91 (BFHE 171, 400, BStBl II 1993, 817, 818) Bezug genommen hat, wonach eine Beteiligung i. S. des § 174 Abs. 5 Satz 1 AO 1977 nicht nur eine förmliche Hinzuziehung des Dritten, sondern außerdem dessen Antrag oder jedenfalls Zustimmung zur Korrektur des fehlerhaften Bescheides erfordert, bestand Anlaß für den Prozeßbevollmächtigten -- unbeschadet der objektiven Feststellungslast -- auf die Einvernahme des Zeugen hinzuwirken. Hierzu bestand um so mehr Veranlassung, als das FG nach Erörterung der Sach- und Rechts lage offenbar keinen Bedarf zu weiteren Ermittlungen gesehen hat (vgl. BFH-Urteil vom 25. Oktober 1977 VII R 5/74, StRK, Finanzgerichtsordnung, § 76, Rechtsspruch 62; Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts -- BVerwG -- vom 12. September 1972 II B 23.72, StRK, Finanzgerichtsordnung, § 76, Rechtsspruch 47; Urteil des BVerwG vom 30. Auigust 1973 II C 26/71, StRK, Finanzgerichtsordnung, § 120, Rechtsspruch 85; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 120 FGO Rz. 63).

4. a) Die Rechtsfrage eines Durchgriffs durch die Komplementär-GmbH ist in einem künftigen Revisionsverfahren nicht klärungsfähig.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage hinreichend darlegt (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Hierzu ist u. a. erforderlich, daß die bisher in der Rechtsprechung und in der Literatur hierzu vertretenen Auffassungen dargestellt werden (vgl. BFH-Beschluß vom 13. April 1993 III B 88/91, BFH/NV 1994, 44, 45).

Als Dritte war allein die Klägerin im Rechtsbehelfsverfahren der GbR zu beteiligen; denn streitig war eine den Gesamtgewinn betreffende Frage.

b) Nach ständiger Rechtsprechung ist eine förmliche Beteiligung des Dritten im Rahmen des § 174 Abs. 5 Satz 1 AO 1977 erforderlich (vgl. BFH-Beschluß vom 22. September 1973 II B 67/93, BFH/NV 1994, 216; BFH-Urteile vom 10. November 1993 I R 20/93, BFHE 173, 184, BStBl II 1994, 327, 330; vom 20. Mai 1992 III R 176/90, BFH/NV 1993, 74, 75; vom 11. April 1991 V R 40/86, BFHE 164, 176, BStBl II 1991, 605, 606).

Die Beschwerde legt nicht ausreichend dar, inwiefern angesichts dieser ständigen Rechtsprechung die Rechtsfrage erneut klärungsbedürftig geworden sein soll (vgl. hierzu BFH-Beschluß vom 23. Januar 1992 II B 64/91, BFH/NV 1992, 676, 677). Das FG hat im übrigen diese Voraussetzungen ausdrücklich in dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegt.

Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nicht (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420712

BFH/NV 1995, 1073

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