Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankheit als Grund zur Entschuldigung einer Fristversäumnis

 

Leitsatz (NV)

Auch wenn eine plötzliche Erkrankung u. U. einen Grund für die Entschuldigung einer Fristversäumnis bilden kann, so gilt dies für einen Prozeßbevollmächtigten, der sich von Berufs wegen mit der Bearbeitung ihm anvertrauter Sachen befaßt, nur dann, wenn für ihn die plötzliche Erkrankung nicht vorauszusehen und ihre Wirkung durch vorsorgliche Maßnahmen - wie die Sicherung einer Vertretung - nicht zu beseitigen war.

 

Normenkette

FGO § 56

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) legte gegen das seinem Prozeßbevollmächtigten am 23. Mai 1985 zugestellte Urteil des Finanzgerichts (FG) am 20. Juni 1985 Revision ein. Auf seinen gleichzeitig gestellten Antrag wurde ihm die Frist zur Begründung der Revision bis zum 26. August 1985 verlängert.

Am 12. September 1985 auf den Ablauf der Revisionsbegründungsfrist und die Möglichkeit, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu beantragen, hingewiesen, erwiderte der Kläger am 18. September 1985, sein Prozeßbevollmächtigter sei am 15. August 1985 erkrankt. Ihm sei zur Wiederherstellung seiner Gehfähigkeit ärztlich zu einer Heilkur geraten worden. Seinem Prozeßbevollmächtigten sei es bisher nicht möglich gewesen, einen geeigneten Vertreter zu finden, der den Rechtsstreit weiter verfolgen könne. Der Kläger beantragte, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und die Frist für die Revisionsbegründung bis zum 31. Dezember 1985 weiter zu verlängern. Laut beigefügtem ärztlichen Attest vom 16. September 1985 befindet sich der Prozeßbevollmächtigte seit Jahren wegen einer chronischen Lumbo-Ischialgie in ärztlicher Behandlung; auf Grund eines akuten Schubs war er seit dem 15. August 1985 bettlägerig. Der Kläger hat keine Revisionsbegründung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Der Kläger hat entgegen § 120 Abs. 1 FGO seine Revision weder innerhalb der ihm bis zum 26. August 1985 verlängerten Revisionsbegründungsfrist noch danach begründet.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist kann dem Kläger nicht gewährt werden. Dabei kann dahinstehen, ob es an einem ordnungsgemäßen Wiedereinsetzungsbegehren des Klägers schon deswegen fehlt, weil er entgegen § 56 Abs. 2 Satz 3 FGO nicht gleichzeitig die versäumte Revisionsbegründung nachgeholt hat, oder ob hierfür der Antrag auf Gewährung einer weiteren Fristverlängerung für die Revisionsbegründung ausreicht (vgl. hierzu Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. November 1984 IV R 86/84, BFHE 142, 417, BStBl II 1985, 218), in jedem Falle trifft seinen Prozeßbevollmächtigten ein Verschulden an der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist, das dem Kläger als Vertretenem nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) zuzurechnen ist.

Der Kläger hat zur Entschuldigung der Fristversäumnis nicht dargelegt, daß sein Prozeßbevollmächtigter alles ihm mögliche und zumutbare zur Fristwahrung unternommen hat. Seine Bettlägerigkeit ab 15. August 1985 laut vorgelegtem Attest vom 16. September 1985 ist kein hinreichender Hinderungsgrund dafür, daß der Prozeßbevollmächtigte noch vor Ablauf der bis zum 26. August 1985 verlängerten Revisionsbegründungsfrist deren weitere Verlängerung hätte beantragen können. Auch ein Bettlägeriger vermag einen solchen Antrag zu diktieren.

Selbst wenn der Prozeßbevollmächtigte auch hierzu außerstande gewesen sein sollte, unterließ er es schuldhaft, in geeigneter Form Vorsorge dafür zu treffen, daß die Revisionsbegründungsfrist nicht versäumt wurde. Auch wenn eine plötzliche Erkrankung einen Entschuldigungsgrund bilden kann, kann dennoch bei einem Prozeßbevollmächtigten, der sich von Berufs wegen mit der Bearbeitung ihm anvertrauter Sachen befaßt, selbst eine plötzliche Erkrankung nur dann ein Entschuldigungsgrund sein, wenn die Erkrankung nicht vorauszusehen und ihre Wirkung auch durch vorsorgliche Maßnahmen - wie die Sicherung einer Vertretung - nicht zu beseitigen war (BFH-Urteil vom 25. April 1968 VI R 76/67, BFHE 92, 320, BStBl II 1968, 585; vgl. auch Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 20. September 1984 VII ZB 9/84, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1985, 386). Nachdem der Prozeßbevollmächtigte laut ärztlichem Attest vom 16. September 1985 schon seit Jahren an einer chronischen Lumbo-Ischialgie gelitten hatte, hätte von ihm Vorsorge gegen eine Fristversäumnis für den Fall eines akuten Schubs - wie demjengigen vom 15. August 1985 - erwartet werden können.

Da somit dem Kläger eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zu versagen war, war auch seinem Antrag, die Frist zur Revisionsbegründung abermals bis zum 31. Dezember 1985 zu verlängern, nicht zu entsprechen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1986, 172

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