Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe des Streitwerts der Nichtzulassungsbeschwerde bei Haupt- und Hilfsantrag

 

Leitsatz (NV)

1. Der Streitwert einer Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) entspricht dem Streitwert des Klageverfahrens, sofern der Beschwerdeführer mit der NZB nicht erkennbar weniger begehrt.

2. Hat der Kläger einen Haupt- und einen Hilfsantrag gestellt, ist grundsätzlich der weitergehende Antrag maßgeblich.

3. Das Begehren auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Steuerbescheids steht dem Antrag auf dessen Aufhebung gleich, so daß sich der Streitwert nach der festgesetzten Steuerschuld bestimmt. Einbehaltene Steuerabzugsbeträge sind dabei nicht abzuziehen (Anschluß an bisherige Rechtsprechung).

 

Normenkette

FGO § 41 Abs. 1, § 115 Abs. 3; GKG § 1 Abs. 1c, §§ 5, 13 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Gegenüber den Kostenschuldnern und Erinnerungsführern (Kostenschuldner) hatte das Finanzamt (FA) die Einkommensteuer für 1980 mangels Abgabe einer Einkommensteuererklärung im Wege der Schätzung festgesetzt. Nach Ablauf der Einspruchsfrist ging beim FA die Einkommensteuererklärung der Kostenschuldner mit dem Begehren ein, den Einkommensteuerbescheid entsprechend zu ändern. Das lehnte das FA ab. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren machten die Kostenschuldner im Klageverfahren im wesentlichen geltend, der Einkommensteuerbescheid sei nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden. Sie beantragten,

1. unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids und der Einspruchsentscheidung die Rechtsunwirksamkeit des Einkommensteuerbescheids 1980 festzustellen,

2. hilfsweise, unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids 1980 die Einkommensteuer auf der Grundlage der eingereichten Einkommensteuererklärung festzusetzen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

Mit der hiergegen eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde machten die Kostenschuldner zunächst grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache mit im wesentlichen folgender Begründung geltend. Das FA hätte die Schätzung der Besteuerungsgrundlangen nicht durch endgültigen Bescheid, sondern nur unter Vorbehalt der Nachprüfung vornehmen dürfen. Ferner seien dem FG Verfahrensfehler unterlaufen. So sei seine Würdigung des Falles hinsichtlich der gerügten Bekanntgabemängel nicht durch die allgemeine Lebenserfahrung bzw. Erfahrungssätze gedeckt.

Der erkennende Senat wies die Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluß vom 18. August 1987 IX B 112/86 nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) als unbegründet zurück. Die Kosten des Verfahrens erlegte er den Kostenschuldnern auf.

Mit Kostenrechnung vom 18. September 1987 KostL 1580/87 (IX B 112/86) setzte die Kostenstelle des Bundesfinanzhofs (BFH) für das Beschwerdeverfahren Gerichtskosten in Höhe von 848 DM fest. Dabei legte sie einen Streitwert von 105 980 DM zugrunde. Mit ihrer Erinnerung machen die Kostenschuldner geltend, der Streitwert betrage nicht 105 980 DM, sondern nur 27 052 DM. Denn mit dem Klagebegehren sei lediglich eine Herabsetzung der im Einkommensteuerbescheid 1980 festgesetzten Steuer von 105 980 DM auf 78 928 DM erstrebt worden. Die unwirksame Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids sei nur hilfsweise geltend gemacht worden. Selbst wenn diesem Hilfsantrag stattgegeben worden wäre, hätte dies nur zu einer Erstattung einer Einkommensteuerschuld von 2 210 DM, nicht dagegen der einbehaltenen Lohnsteuer von 103 770 DM geführt.

Die Kostenschuldner beantragen, die Gerichtskosten auf 308 DM herabzusetzen und gemäß § 5 Abs. 3 Satz 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG) die aufschiebende Wirkung des strittigen Betrages von 540 DM anzuordnen.

Der Vertreter der Staatskasse beim BFH beantragt, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Erinnerung ist statthaft (§ 1 Abs. 1 Buchst. c, § 5 GKG), jedoch unbegründet.

Gemäß § 13 GKG ist im Verfahren vor Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag des Klägers einen auf eine bezifferte Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt, so ist deren Höhe maßgebend (§ 13 Abs. 2 GKG). Der Streitwert einer Nichtzulassungsbeschwerde entspricht dem Streitwert des Klageverfahrens, sofern der Beschwerdeführer nicht erkennbar macht, daß er im Revisionsverfahren das Klagebegehren nur noch eingeschränkt weiterverfolgen will (BFH-Beschluß vom 12. Januar 1978 IV E 1/77, BFHE 124, 144, BStBl II 1978, 198). Hat der Kläger einen Haupt- und einen Hilfsantrag gestellt, ist grundsätzlich der weitergehende Antrag maßgeblich (BFH-Beschlüsse vom 8. März 1973 IV B 18/69, BFHE 109, 14, BStBl II 1973, 505, und vom 18. Oktober 1977 VII R 4/77, BFHE 123, 408, BStBl II 1978, 71). Wird die Aufhebung eines Steuerbescheids beantragt, bestimmt sich der Streitwert nach der festgesetzten Steuerschuld, ohne daß einbehaltene Steuerabzugsbeträge abzuziehen sind (BFH-Beschlüsse vom 2. November 1977 I E 2/77, BFHE 123, 410, BStBl II 1978, 58, und vom 10. September 1986 II E 2/86, BFH/NV 1987, 802). Dem Antrag auf Aufhebung eines Steuerbescheids steht das Begehren auf Feststellung seiner Unwirksamkeit gleich. So liegt der Fall hier. Die Kostenschuldner haben im Klageverfahren ausweislich des FG-Urteils in erster Linie die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Einkommensteuerbescheids (vgl. § 41 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) und nur hilfsweise die Änderung des Einkommensteuerbescheids beantragt. An diesem Ziel haben sie auch mit der Nichtzulassungsbeschwerde festgehalten. Es kann offenbleiben, ob die von ihnen als grundsätzlich bedeutsam angesehene Rechtsfrage, das FA hätte die Schätzung nur unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung - AO 1977 -) vornehmen dürfen, bereits die Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids voraussetzt. Denn jedenfalls haben sie diese hinsichtlich der von ihnen als unwirksam angesehene Bekanntgabe des Bescheids, welche das FG verfahrensfehlerhaft gewürdigt habe, nach wie vor geltend gemacht.

Eine Anrechnung der einbehaltenen Lohnsteuerabzüge auf den Streitwert kommt nach den vorstehend wiedergegebenen BFH-Entscheidungen nicht in Betracht.

Der entsprechend der Erinnerung unbegründete Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist durch diese Entscheidung gegenstandslos geworden.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 5 Abs. 1 Satz 1 GKG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 415815

BFH/NV 1989, 43

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