Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe für Verfahren betr. gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb; Prozeßkostenvorschuß

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Bewilligung von Prozeßkostenhilfe muß ein verheirateter Steuerpflichtiger dartun und ggf. glaubhaft machen, daß sein Ehegatte zur Leistung eines Prozeßkostenvorschusses nicht in der Lage ist.

2. Um eine persönliche Streitigkeit i. S. von § 1360 a BGB handelt es sich bei einem Klageverfahren betr. eine gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb jedenfalls dann, wenn der vom Finanzamt in Anspruch genommene in diesem Gewerbebetrieb tätig war und der Betrieb unter seinem Namen geführt worden ist.

 

Normenkette

FGO § 142; ZPO § 114 ff., § 117 Abs. 2, § 118 Abs. 2, § 620 Nr. 6; BGB § 1360a Abs. 4

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat gegen die Bescheide betreffend die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte 1983 und 1984 aus Gewerbebetrieb betreffend die H und M GbR nach erfolglos gebliebenem Einspruchsverfahren Klage erhoben. Sie bestreitet, Mitunternehmerin zu sein. Die Klage ist unter dem Az. . . . anhängig. Das Finanzgericht (FG) hat in dieser Sache noch nicht entschieden.

Den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) und Beiordnung ihres Prozeßbevollmächtigten hat das FG abgelehnt, weil die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht beigebracht worden war.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin. Sie hat zugleich eine nicht datierte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst weiteren Unterlagen, in der die eigenen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit mit 2 200 DM angegeben werden, beigefügt.

Das beklagte Finanzamt (FA) macht u. a. geltend, die Erklärung sowie die eingereichten Unterlagen seien unzureichend; sie enthielten keine Angaben über die Einkünfte des Ehemannes.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält ein Prozeßbeteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH und die Beiordnung eines Anwalts liegen nicht vor.

Die Klägerin hat nicht dargetan, daß sie die Kosten der Prozeßführung nicht aufbringen kann. Es reicht nicht aus, daß sie vorträgt, sie selbst verfüge nur über monatliche Bruttoeinkünfte von 2 200 DM und sei durchschnittlich mit insgesamt 1 923 DM /Monat (Abzüge und Ratenleistungen, Kreditzahlungen und weitere vierteljährliche Hypothekenzinsen in Höhe von 9,50 DM) belastet. PKH kann nur dann bewilligt werden, wenn ein Antragsteller die zur Prozeßführung erforderlichen Mittel ohne Beeinträchtigung seines notwendigen Unterhalts nicht besitzt und sie auch nicht in zumutbarer Weise innerhalb angemessener Frist beschaffen kann (Beschluß des Kammergerichts vom 12. August 1981 3 WF 3833, 81, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1982, 112). Insbesondere kann PKH nicht bewilligt werden, wenn der Antragsteller gegen einen Dritten Anspruch auf Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses hat (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Juli 1984 VIII B 142/81, nicht veröffentlicht - NV -).

Da die Klägerin verheiratet ist, hätte sie zumindest dartun und dann auf Verlangen des Gerichts glaubhaft machen müssen (vgl. § 117 Abs. 2 und § 118 Abs. 2 ZPO), daß ihr Ehemann zur Leistung eines Prozeßkostenvorschusses gemäß § 1360 a Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht in der Lage sei. Die Voraussetzung des § 1360 a Abs. 4 BGB, daß der Rechtsstreit eine ,,persönliche Angelegenheit" des unterhaltsberechtigten Ehegatten betreffen muß, ist im Streitfall erfüllt.

Der Begriff der ,,persönlichen Angelegenheit" läßt sich nicht durch eine für alle Rechtsstreitigkeiten gültige Definition bestimmen (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 30. Januar 1964 VII ZR 5/63, BGHZ 41, 104, 112). Unstreitig ist, daß auch vermögensrechtliche Ansprüche zu den persönlichen Angelegenheiten i. S. des § 1360 a Abs. 4 BGB zählen können. In solchen Fällen muß der Rechtsstreit jedoch eine genügend enge Verbindung zu der Person des unterhaltsberechtigten Ehegatten haben (BGHZ 41, 104, 112).

Bei finanzgerichtlichen Streitigkeiten über die Höhe der Einkommensteuer ist eine enge Verbindung zur Person des als Steuerschuldner in Anspruch genommenen Ehegatten regelmäßig zu bejahen (BFH-Beschlüsse vom 3. Juli 1984 VIII B 142/81, NV, und vom 10. Februar 1988 IV B 132/85, NV, und Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 142 FGO Tz. 25). Denn die Einkommensteuer knüpft in besonderem Maße an die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen (z. B. Familienstand, Kinderzahl) an. Das gilt nicht nur für die Bemessung des Steuertarifs, sondern auch für die Berücksichtigung von Sonderausgaben, Freibeträgen und außergewöhnlichen Belastungen.

Eine persönliche Angelegenheit i. S. des § 1360 a Abs. 4 BGB kann aber auch bei Rechtsstreitigkeiten über die Höhe der Umsatzsteuer gegeben sein (vgl. BFH-Beschluß vom 9. August 1966 I S 12, 13 /66, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Finanzgerichtsordnung, § 142, Rechtsspruch 7). Ein enger Bezug zur Person des Steuerpflichtigen ist in diesen Fällen jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Steueranspruch im wesentlichen auf den vom Steuerpflichtigen persönlich erbrachten (freiberuflichen oder gewerblichen) Leistungen beruht (BFH-Beschluß VIII B 142/81). Dieser Auffassung hat sich der erkennende Senat im Beschluß vom 10. Februar 1988 IV B 132/85 angeschlossen.

Entscheidend für den persönlichen Charakter auch der Betriebssteuern ist dabei, daß auch diese Steuern, wie die Einkommensteuer, an den persönlichen Einsatz in der Person des Steuerpflichtigen anknüpft (vgl. insoweit auch BGH-Urteil in BGHZ 41, 104, 112). Eine solche persönliche Leistung erbringt auch derjenige Gewerbetreibende, der einen Betrieb nicht allein, sondern als Mitunternehmer führt Entsprechendes gilt auch für den Unternehmer i. S. von § 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG).

Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der Steuerpflichtige gegenüber dem FA bestreitet, einen solchen persönlichen Einsatz erbracht zu haben. Da das FA ihn durch entsprechende Steuerbescheide in Anspruch nimmt, wird gerade die Abwehr unberechtigter Steueransprüche ähnlich den Kosten einer Verteidigung in einem Strafverfahren (§ 1360 a Abs. 4 Satz 2 BGB) zu einer persönlichen Angelegenheit i. S. von § 1360 a Abs. 4 Satz 1 BGB.

Der Senat kann offenlassen, ob der Begriff der persönlichen Angelegenheit i. S. von § 1360 a BGB regelmäßig auch bei finanzgerichtlichen Streitigkeiten betreffend eine gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb erfüllt ist. Jedenfalls handelt es sich im Streitfall um eine persönliche Angelegenheit der Klägerin. Bereits aus ihrem eigenen Vorbringen ergibt sich nämlich, daß sie ab Oktober 1984 in dem Gewerbebetrieb tätig war und die Buchhaltung geordnet hatte. Sie streitet auch nicht ab, daß der Gewerbebetrieb unter ihrem Namen geführt worden ist.

Hinzu kommt, daß die festgestellten Einkünfte der Klägerin (1983: null DM; 1984: 50 000 DM) gemäß § 182 der Abgabenordnung (AO 1977) verbindlich als Besteuerungsgrundlage für die Einkommensteuerveranlagung der Klägerin festgestellt worden sind.

Das gilt im Fall der Zusammenveranlagung daher auch für die Festsetzung der Einkommensteuer gegen den Ehemann.

Es besteht keine Veranlassung, die Klägerin durch Bewilligung der PKH mit öffentlichen Mitteln zu unterstützen, sofern sie einen Anspruch auf Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses gegen ihren Ehemann hat. Ob zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann ,,Spannungen" bestehen und letzterer sein Einkommen nicht mitteilt, ist unerheblich (vgl. § 620 Nr. 6 ZPO). Zudem ergibt sich aus der vorgelegten Kopie des Kreditantrages an die . . . Bank, daß das Nettoeinkommen des Ehemannes 2 500 DM betragen soll.

Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Klägerin für das Streitjahr 1983 die Feststellung ihrer Einkünfte auf null DM mangels belastender Mitwirkungen (vgl. Tipke / Kruse, a.a.O., § 40 FGO Tz. 13) als mutwillig erscheint.

 

Fundstellen

BFH/NV 1989, 722

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