Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe und Prozeßkostenvorschußpflicht des Ehegatten

 

Leitsatz (NV)

1. Prozeßkostenhilfe kann nicht erlangen, wer die zur Prozeßführung erforderlichen Mittel in zumutbarer Weise von Dritten (hier: Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß gegenüber dem Ehemann) beschaffen kann.

2. Eine ,,persönliche Leistung" i. S. des § 1360 a Abs. 4 BGB kann auch gegeben sein, wenn die Rechtsstreitigkeit Betriebssteuern betrifft und der Steueranspruch auf persönlich erbrachten (freiberuflich oder gewerblichen) Leistungen beruht.

3. Die Prozeßkostenvorschußpflicht des Ehegatten (§ 1360 a Abs. 4 BGB) besteht als Konkretisierung der allgemeinen ehelichen Beistandspflicht unabhängig von der Art des gesetzlichen oder vereinbarten Güterstandes (hier: Gütertrennung).

4. Bei grundloser Weigerung des zur Leistung eines Prozeßkostenvorschusses verpflichteten Ehegatten, seine Vermögensverhältnisse zu offenbaren, gehört zur ordnungsgemäßen Darlegung der Bedürftigkeit nach § 117 Abs. 2 ZPO, daß der bedürftige Ehegatte notfalls unter Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe vergeblich versucht hat, die zur Führung des Rechtsstreits erforderlichen Mittel von ihm zu erlangen.

 

Normenkette

FGO § 142; ZPO § 114; BGB § 1360 Abs. 4

 

Tatbestand

Die Antragstellerin wird als frühere Gesellschafterin zweier Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) vom Hauptzollamt (HZA) wegen Nacherhebung von Schaumweinsteuer in Anspruch genommen. Hiergegen hat sie vor dem Finanzgericht (FG) Klage erhoben und die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) sowie die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Ihrem Antrag war eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemäß § 117 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) beigefügt, in dem die Antragstellerin die Fragen nach eigenen Einkünften verneint und zu den Einkünften ihres Ehemannes u. a. ausgeführt hat:

,,Mein Ehemann ist Frührentner. Sein Ruhegehalt beträgt nach meinem Wissen ca. . . . DM im Monat. Die genaue Höhe der Rente meines Mannes kann ich nicht sagen, da mein Mann keinerlei Angaben über die genaue Höhe macht. Ich bekomme Geld zur Haushaltsführung sowie ein Taschengeld von . . . DM monatlich."

Auf die Aufforderung des Berichterstatters zur Übersendung eines Rentenbescheides zur Feststellung der genauen Rentenhöhe teilte der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit, deren Ehemann sei wegen bestehender Gütertrennung nicht bereit, Auskünfte über die Höhe der Rente zu geben.

Hierauf lehnte das FG den PKH-Antrag mit der Begründung ab, die Antragstellerin habe ihre Bedürftigkeit weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin brauche sich nicht mit einem Taschengeld von . . . DM monatlich ,,abspeisen" zu lassen, denn nach § 1360 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) stünden ihr ,,im Regelfalle" ein Anspruch auf Wirtschaftsgeld und Taschengeld von mindestens . . . DM zu. Zudem habe die Antragstellerin nicht dargelegt, daß es für ihren Ehemann unbillig sei, seiner Pflicht zur Leistung eines Prozeßkostenvorschusses gemäß § 1360 a Abs. 4 BGB nachzukommen. Allein aus der Weigerung des Ehemannes, Auskünfte über die Höhe seiner Rente zu geben, ergebe sich nicht die Unbilligkeit, für die Prozeßkosten seiner Ehefrau aufzukommen. Gegen diesen Beschluß wendet sich die Antragstellerin mit ihrer - nicht näher begründeten - Beschwerde.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 ZPO erhält ein Prozeßbeteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und nicht mutwillig erscheint. An diesen Voraussetzungen fehlt es, wenn der Antragsteller die zur Prozeßführung erforderlichen Mittel selbst besitzt oder sie in zumutbarer Weise in angemessener Frist beschaffen kann. Die Bewilligung von PKH kommt insbesondere dann nicht in Betracht, wenn der Antragsteller gegen einen Dritten einen durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses besitzt. Die Geltendmachung eines solchen Anspruchs hat nach dem im Verhältnis zwischen Staat und Familie geltenden Subsidiaritätsprinzip Vorrang vor der Gewährung von PKH (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. Juni 1988 IV B 48/87, BFH/NV 1989, 722; Palandt / Diederichsen, Bürgerliches Gesetzbuch, 50. Aufl., § 1360 a Tz. 11).

2. Die Antragstellerin hat nicht ausreichend dargelegt, daß sie nicht in der Lage ist, sich einen Prozeßkostenvorschuß von Dritten zu beschaffen. Da die Antragstellerin verheiratet ist, steht ihr dem Grunde nach gemäß § 1360 a Abs. 4 BGB ein Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß gegen ihren Ehegatten zu. Nach dieser Vorschrift kann ein Ehegatte, der nicht in der Lage ist, die Kosten eines eine persönliche Angelegenheit betreffenden Rechtsstreits zu tragen, vom anderen Ehegatten einen Kostenvorschuß verlangen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

a) Die von der Antragstellerin erhobene Klage betrifft eine persönliche Angelegenheit, denn die hierzu erforderliche enge Verbindung zwischen dem Rechtsstreit und der Person des Ehegatten (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 30. Januar 1964 VII ZR 5/63, BGHZ 41, 104, 112) ist auch bei Rechtsstreitigkeiten, die Betriebssteuern betreffen, gegeben, wenn der Steueranspruch auf persönlich erbrachten (freiberuflichen oder gewerblichen) Leistungen beruht (Beschlüsse des BFH vom 3. Juli 1984 VIII B 142/81 - unveröffentlicht -, und vom 10. Februar 1988 IV B 132/85, BFH/NV 1988, 592). Hiervon kann im Streitfalle bei der aus zwei Personen bestehenden GbR mangels gegenteiligen Vorbringens der Antragstellerin ausgegangen werden (vgl. BFH/NV 1989, 722).

b) Die Verpflichtung zur Leistung eines Prozeßkostenvorschusses entfällt auch nicht aufgrund der zwischen den Ehegatten vereinbarten Gütertrennung, denn die Prozeßkostenvorschußpflicht des Ehegatten nach § 1360 a Abs. 4 BGB stellt nur eine Konkretisierung der allgemeinen ehelichen Beistandspflicht nach § 1360 BGB dar, die vom jeweiligen Güterstand unabhängig ist (Palandt / Diederichsen, a. a. O., § 1360 Anm. 1).

c) Schließlich kann sich die Antragstellerin auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß ihr Ehemann unter Hinweis auf die vereinbarte Gütertrennung nicht bereit sei, die Höhe seiner Rente anzugeben, denn nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat sich anschließt, gehört zur ordnungsgemäßen Darlegung der Bedürftigkeit nach § 117 Abs. 2 ZPO beim Bestehen einer Prozeßkostenvorschußpflicht des Ehemannes, daß die Ehefrau notfalls gerichtlich vergeblich versucht hat, von ihrem Ehemann die zur Führung des Rechtsstreits erforderlichen Mittel zu erlangen (Beschlüsse des BFH vom 9. August 1966 I S 12, 13/66, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, § 142, Rechtsspruch 7, und in BFH/NV 1989, 722; vgl. auch Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Zivilprozeßordnung, 49. Aufl., § 114 Anm. 5 D, Stichwort ,,Kostenvorschuß").

Der Antragstellerin wäre somit bei einem Rentenanspruch des Ehegatten, den sie selbst mit ca. . . . DM schätzt und daher den Ehegatten nicht von vornherein als leistungsunfähig erscheinen läßt, zuzumuten gewesen, diesen auf Auskunft über die Höhe der Rente und ggf. Leistung des Prozeßkostenvorschusses gerichtlich in Anspruch zu nehmen (zum Auskunftsanspruch vgl. Zöller, Zivilprozeßordnung, 16. Aufl., § 620 Tz. 63). Die grundlose Weigerung eines Ehegatten, über seine wirtschaftlichen Verhältnisse Auskunft zu erteilen, kann auch im Hinblick auf die Gefahr von Mißbräuchen nicht genügen, die PKH unabhängig von der möglicherweise bestehenden Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Ehegatten zu gewähren. Die Antragstellerin hat aber nicht einmal dargetan, daß sie sich überhaupt darum bemüht hat, den möglicherweise bestehenden Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß zu realisieren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418021

BFH/NV 1992, 263

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