Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmittelbelehrung bei Zulassung der Revision durch BFH

 

Leitsatz (NV)

1. Dem Beschluß des BFH über die Zulassung der Revision braucht keine besondere Rechtsmittelbelehrung beigefügt zu werden.

2. Zur Frage, ob das FG den Kläger für den Fall der Zulassung der Revision durch den BFH zutreffend über das Gericht, bei dem die Revision anzubringen ist, belehrt hat.

 

Normenkette

FGO §§ 55-56, 120

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid für 1983 durch Urteil vom 12. Juli 1994 ab. Mit Beschluß vom 23. Mai 1995 ließ der erkennende Senat die Revision zu. Der Beschluß wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) am 8. Juni 1995 zugestellt. Mit Schreiben vom 10. Juli 1995 legte die Klägerin Revision ein, ohne sie zu begründen. Auf ihren Antrag wurde die Revisionsbegründungsfrist bis zum 30. September 1995 verlängert. Nachdem eine Begründung nicht eingegangen war, wies die Geschäftsstelle des Senats auf den Ablauf der Begründungsfrist und auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hin. Dieses Schreiben wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 10. Oktober 1995 zugestellt. Am 26. Oktober 1995 ging beim Bundesfinanzhof (BFH) der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist ein. Mit Schreiben vom 16. November 1995 beantragte die Klägerin wegen einer erneuten Krankheit ihres Prozeßbevollmächtigten wiederum Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig; sie ist zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Gemäß § 120 Abs. 1 FGO ist die Revision bei dem FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils oder nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision schriftlich einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen.

a) Die Frist für die Einlegung der Revision und für ihre Begründung hatte mit der Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision am 8. Juni 1995 zu laufen begonnen. Die Zustellung ist gemäß § 53 FGO, § 3 Abs. 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes, § 195 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) wirksam erfolgt. An der Unterschriftsleistung des vollziehenden Beamten (§ 191 Nr. 7 ZPO) bestehen keine Zweifel.

b) Auf § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO kann die Klägerin sich nicht berufen. Danach ist die Einlegung des Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe der Entscheidung (§ 54 Abs. 1 FGO) zulässig, wenn die Belehrung über die Revision und das Gericht, bei der sie anzubringen ist (§ 55 Abs. 1 Satz 1, Satz 2, § 121 FGO), unterblieben oder unrichtig erteilt worden ist.

Dem Zulassungsbeschluß des BFH brauchte keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt zu werden (Beschluß vom 12. Januar 1968 VI R 140/67, BFHE 90, 395, BStBl II 1968, 121). Die Rechtsmittelbelehrung, die dem angefochtenen Urteil des FG beigefügt worden war, ist zutreffend. Sie lautet -- soweit für die Entscheidung erheblich --:

,I. Revision

Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn

a) das Finanzgericht die Revision zugelassen hat

oder

b) einer der in § 116 Abs. 1 FGO aufgeführten wesentlichen Mängel des Verfahrens gerügt wird.

Die Revision ist beim Finanzgericht ... innerhalb eines Monats nach Ablauf des Tages der Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich ... einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen.

II. Beschwerde gegen Nichtzulassung der Revision

Hat das Finanzgericht die Revision nicht zugelassen und liegen auch die Voraussetzungen für eine zulassungsfreie Revision nach Abschnitt I nicht vor, so kann die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Ablauf des Tages der Zustellung des Urteils schriftlich beim o. a. Finanzgericht ... einzulegen und zu begründen. Wird auf die Beschwerde die Revision zugelassen, so ist die Revision innerhalb eines Monats nach Ablauf des Tages der Zustellung des Zulassungsbeschlusses einzulegen und innerhalb eines weiteren Monats zu begründen."

Die Klägerin macht zu Unrecht geltend, in der Rechtsmittelbelehrung sei nicht angegeben worden, daß sie die Revision bei dem FG ... hätte einlegen müssen. Die Rechtsmittelbelehrung bezeichnet in Abschnitt I nur das FG ... als das Gericht, bei dem die Revision schriftlich einzulegen ist. Des gleichen ist auch in Abschnitt II durch Bezugnahme auf Abschnitt I der Rechtsmittelbelehrung das FG ... als das für die Anbringung der Nichtzulassungsbeschwerde zuständige Gericht benannt worden. Ein anderes Gericht oder eine andere Stelle für die Anbringung der Rechtsmittel enthält die Rechtsmittelbelehrung nicht. Vielmehr wird aus dem letzten Satz von Abschnitt II hinreichend deutlich, daß mit der Zulassung der Revision durch den BFH das in Abschnitt I beschriebene Revisionsverfahren eröffnet wird, wobei sinngemäß lediglich darauf hingewiesen wird, daß für den Lauf der Fristen an die Stelle der Zustellung des Urteils die Zustellung des Zulassungsbeschlusses tritt. Verständliche Zweifel über das Gericht, bei dem die Revision für den Fall der Zulassung durch den BFH anzubringen ist, konnten demnach bei der Klägerin nicht aufkommen (vgl. auch Senatsbeschluß vom 16. Mai 1990 V R 12/90, BFH/NV 1991, 324).

c) Die gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO verlängerte Begründungsfrist endete unter Berücksichtigung von § 222 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 54 Abs. 2 FGO am 2. Oktober 1995. Innerhalb dieser Frist des § 120 Abs. 1 FGO hat die Klägerin ihre Revision nicht begründet. Den mit Schriftsätzen der Klägerin vom 26. Oktober und 16. November 1995 gestellten Anträgen auf Verlängerung der Begründungsfrist kann gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO nicht entsprochen werden, weil die Frist bereits abgelaufen war, als die Fristverlängerungsanträge beim BFH eingingen.

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Nichteinhaltung der Frist zur Begründung der Revision infolge schuldloser Verhinderung (§ 56 FGO) ist nicht zu gewähren. Es kann dahinstehen, ob eine schuldlose Verhinderung in diesem Sinne gegeben war. Selbst wenn dies zugunsten der Klägerin unterstellt wird, kann Wiedereinsetzung nicht gewährt werden, weil die Klägerin die Antragsfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht gewahrt hat.

Nach dieser Vorschrift ist der Antrag auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen.

a) Die Klägerin macht geltend, ihr Prozeßbevollmächtigter sei wegen Krankheit gehindert gewesen, die Begründungsfrist einzuhalten. Hierzu verweist die Klägerin auf ein ärztliches Attest vom 21. September 1995, wonach der Prozeßbevollmächtigte 8 bis 10 Tage Bettruhe einzuhalten gehabt habe. Außerdem trägt sie vor, der Prozeß bevollmächtigte sei zu einem Arztbesuch am 2. November 1995 bestellt gewesen. Erst nach diesem Zeitpunkt habe er wieder voll arbeiten können.

b) Sofern die ärztlich angeordnete Bettruhe als Hindernis i. S. des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO angesehen werden könnte, wäre dieses Hindernis mit Ablauf des 1. Oktober 1995 (10 volle Tage Bettruhe nach dem Tag der Ausstellung des Attestes) weggefallen. Es ist nichts dafür vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht worden, daß der Prozeßbevollmächtigte nach Einhaltung der Bettruhe noch bis zum Zeitpunkt des nachfolgenden Arztbesuches am 2. November 1995 i. S. des § 56 Abs. 1 FGO verhindert gewesen sein könnte und das Hindernis i. S. des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO bis zu diesem Zeitpunkt bestanden haben könnte.

c) Ist das Hindernis mit Ablauf des 1. Oktober 1995 entfallen, war der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verspätet. Der Antrag ging erst am 26. Oktober 1995 und damit nach Ablauf der Antragsfrist von zwei Wochen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) beim BFH ein.

3. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Antragsfrist kommt nicht in Betracht, weil ein Umstand, der die Klägerin an der rechtzeitigen Antragstellung gehindert haben könnte, nicht ersichtlich ist. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 16. November 1995 lediglich vorgetragen, ihr Prozeßbevollmächtigter sei am 16. November 1995 erneut erkrankt. Diese Erkrankung ist für die Einhaltung der Antragsfrist von zwei Wochen, die am 2. Oktober 1995 zu laufen begonnen hatte, unerheblich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421152

BFH/NV 1996, 422

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