Leitsatz (amtlich)

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, daß auch unter Berücksichtigung des Art. 95 Abs. 1 und 2 EWGV nur solche ausländischen Weingeisterzeugnisse in den Genuß des für bestimmte Gruppen von inländischen Erzeugnissen in § 79 Abs. 2 BranntwMonG vorgesehenen günstigen Branntweinaufschlagsatzes kommen, die aus einem vergleichbaren ausländischen Betrieb stammen.

 

Normenkette

FGO § 69; BranntwMonG § 79 Abs. 2, § 151 i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 13. Juli 1978 (BGBl I 1002); EWGV Art. 95 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ließ in der Zeit vom 2. April 1979 bis 27. Juli 1979 verschiedene aus EG-Ländern eingeführte weingeisthaltige Erzeugnisse aus ihrem Branntweinlager (Verschlußlager) zum freien Verkehr abfertigen. Die unter Zugrundelegung einer Branntweinabgabe (Monopolausgleich) in Höhe von 1950 DM/Hektoliter Weingeist (hl W) festgesetzten Abgabenschulden wurden bis zum 15. des dritten auf die Entstehung der Abgabenschuld folgenden Monats aufgehoben.

Auf Antrag der Antragstellerin setzte das Finanzgericht (FG) die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide in Höhe eines Teilbetrages von insgesamt 155 202,55 DM Branntweinabgaben (= 21 % der festgesetzten Abgaben) aus. Zur Begründung ernstlicher Zweifel verwies das FG auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EGH) in der Rechtssache 148/77 vom 10. Oktober 1978 (BGHE 1978, 1787 f.).

Das FG hielt es für zweifelhaft, ob die im Streitfall aus Mitgliedstaaten eingeführten Branntweine nur dann mit einem um 21 % ermäßigten Monopolausgleich zu belasten seien, wenn sie die Voraussetzungen des § 79 Abs. 2 des Branntweinmonopolgesetzes (BranntwMonG) erfüllten, also in einer Abfindungsbrennerei, von einem Stoffbesitzer innerhalb einer bestimmten Erzeugungsgrenze oder von einer Verschlußkleinbrennerei mit einer Jahreserzeugung bis zu 4 hl W hergestellt worden seien. Die Entscheidung des EGH könne auch so verstanden werden, daß eingeführter Branntwein auch dann nicht diskriminiert werden dürfe, wenn er nicht aus einer ausländischen Kleinbrennerei stamme.

Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach bei der Erhebung von Eingangsabgaben ein berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen an einem vorläufigen Rechtschutz in der Regel nicht anerkannt werden könne (Beschlüsse vom 30. April 1969 VII B 16, 46, 53, 56, 57, 69, 126/68, BFHE 96, 8, BStBl II 1969, 528. vom 21. April 1970 VII B 66, 67/69, BFHE 99, 104, BStBl II 1970, 572, vom 28. November 1972 VII B 86/71, BFHE 107, 412) sah das FG nicht als einschlägig an.

Zur Begründung seiner vom FG zugelassenen Beschwerde hat der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Hauptzollamt – HZA –) vorgetragen, daß das FG gegen die ständige Rechtsprechung des BFH zur Aussetzung der Vollziehung von Eingangsabgaben verstoßen habe. Entscheidend sei allein, ob eine Abgabe im Streit sei, die spezifisch dazu bestimmt sei, in den Preis der Ware einzugehen. Es komme nicht darauf an, ob die Eingangsabgaben tatsächlich abgewälzt worden seien.

Das HZA beantragt, den Beschluß des FG, soweit damit den Aussetzungsanträgen entsprochen worden sei, aufzuheben und die Anträge abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie tritt der Rechtsauffassung des FG bei und trägt weiter vor, daß bei der Prüfung des öffentlichen Interesses auch die EWG-Marktwirtschaftsordnung und die Rechtsprechung des EGH berücksichtigt werden müßten. Bestünden an der Rechtmäßigkeit des Monopolausgleichs nach dem EWG-Recht ernstliche Zweifel, so müsse man diese auch für das Aussetzungsrecht gelten lassen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet, Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ist eine Aussetzung der Vollziehung wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Bescheides dann nicht geboten, wenn ein berechtigtes Interesse an einem vorläufigen Rechtschutz nicht anerkannt werden kann. Ein solches Interesse ist in der Regel nicht anzuerkennen bei Abgaben, die, wie z. B. Eingangsabgaben, eine ganz bestimmte Ware als solche belasten und ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, gerade in deren Preis einzugehen (Beschlüsse vom 6. Februar 1967 VII B 46/66, BFHE 87, 414, BStBl III 1967, 123; vom 28. Juni 1967 VII B 12/66, BFHE 89, 92, BStBl III 1967, 513; in BFHE 96, 8, BStBl II 1969, 528 – in kritischer Auseinandersetzung mit den Angriffen gegen die vorangegangenen Entscheidungen –; vom 21. April 1970 VII B 66, 67/69, BFHE 99, 104, BStBl II 1970, 572; vom 28. November 1972 VII B 86/71, BFHE 107, 412). Das trifft für den im Streitfall auf die eingeführten Waren erhobenen Monopolausgleich zu. Dieser ist eine bei der Einfuhr erhobene Verbrauchsteuer (§ 151 Abs. 1 und 3 BranntwMonG), auf die weitgehend die Vorschriften des Zollgesetzes sinngemäß anwendbar sind (§ 154 Abs. 1 BranntwMonG).

Im Streitfall läßt es der Senat offen, ob der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung schon deshalb abzulehnen ist, weil es sich um Eingangsabgaben im Sinne der vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung handelt, oder ob nicht möglicherweise, wie der Antragsgegner meint, deshalb ein Ausnahmefall vorliegt, weil bei Prüfung des öffentlichen Interesses das in allen Mitgliedstaaten geltende EWG-Marktordungsrecht und daneben die Rechtsprechung des EGH berücksichtigt werden müssen. Denn der Aussetzungsantrag ist jedenfalls deshalb abzulehnen, weil im Gegensatz zur Auffassung des FG an der Rechtmäßigkeit der Abgabenbescheide keine ernstlichen Zweifel bestehen. Solche sind dann zu bejahen, wenn bei der summarischen Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtsmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Tatfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Rechtsfragen bewirken (ständige Rechtsprechung des BFH, so zuletzt der Große Senat im Beschluß vom 5. März 1979 GrS 5/77, BFHE 127, 140, BStBl II 1979, 570).

Der vom HZA erhobene Monopolausgleich in Höhe von 1 950 DM/hl W beruht auf § 151 Abs. 1 Satz 2, § 84 Abs. 2 Nr. 1 BranntwMonG. Er entspricht in seiner Höhe der Branntweinsteuer und dem Branntweinaufschlag für ablieferungsfreien Branntwein. Im Hinblik darauf, daß bestimmte, in § 79 BranntwMonG aufgeführte Gruppen von Erzeugern von Branntwein einen geringeren Betrag an Monopolausgleich zu zahlen haben, hat der EGH mit Urteil vom 10. Oktober 1978 Rs 148/77 (EGHE 1978, 1787 zu § 79 BranntwMonG a. F.) folgende Entscheidung getroffen:

Wenn nationales Steuerrecht die Erzeugung bestimmter Arten von Branntwein oder bestimmte Gruppen von Erzeugern mittels Steuerbefreiung oder Steuerermäßigung begünstigt, dann müssen diese Vergünstigungen, auch wenn nur ein geringer Teil der nationalen Erzeugung in ihren Genuß gelangt oder sie aus besonderen sozialen Gründen gewährt werden, auf eingeführten Branntwein aus der Gemeinschaft erstreckt werden, der unter Berücksichtigung der Kriterien des Art. 95 Abs. 1 und 2 des Vertrages die gleichen Voraussetzungen erfüllt.

Bei seiner Entscheidung geht der Senat davon aus, daß der im Streitfall eingeführte Rum, wenn er schon nicht als gleichartig im Sinne des Art. 95 Abs. 1 EWGV anzusehen ist, jedenfalls unter Art. 95 Abs. 2 EWGV fällt Nach dieser Vorschrift erheben die Mitgliedstaaten auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten keine inländischen Abgaben, die geeignet sind, andere Produktionen mittelbar zu stützen. Sie verbietet in Ergänzung des Art. 95 Abs. 1 EWGV die Erhebung aller inländischen Abgaben, die eine eingeführte Ware höher belasten als eine mit ihr im Wettbewerb stehende, jedoch nicht im Sinne des Art. 95 Abs. 1 EWG-Vertrag gleichartige inländische Ware (vgl. EGH-Urteil vom 4. April 1988 Rs. 27/67, EGHE 1988, 333). Dabei ist zu beachten, daß Art. 95 Abs. 2 EWGV nur verbietet, die eingeführte Ware gegenüber einer mit ihr konkurrierenden inländischen Ware höher zu belasten, er also nur die abgabenrechtliche Gleichstellung der eingeführten mit der inländischen Ware verlangt (vgl. EGH-Urteil Rs 148/77). Dagegen verbietet es das Gemeinschaftsrecht nicht, bestimmten Gruppen von Erzeugern steuerliche Vergünstigungen einzuräumen. Die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) war deshalb nicht daran gehindert, eine auf die Umstände der Erzeugung abgestimmte, differenzierte Regelung des Branntweinaufschlags vorzusehen (vgl. das EGH-Urteil vom 22. Juni 1978 Rs. 127/75, EGHE 1976, 1079). Auch wenn dabei nur ein geringer Teil der inländischen Produkte in den Genuß eines besonderen günstigen Abgabensatzes kommt muß dieselbe Vergünstigung auch einem ausländischen Produkt zugute kommen. Das gilt indes nur für solche ausländische Produkte, die „unter Berücksichtigung der Kriterien des Art. 95 Abs. 1 und 2 des Vertrages die gleichen Voraussetzungen” erfüllen (EGH-Urteil Rs. 148/77. Es kommen somit nicht alle ausländischen, mit deutschen Produkten im Innenwettbewerb stehenden Produkte in den Genuß des niedrigsten, nach deutschem Recht für inländischen Branntwein geltenden Abgabensatzes. Für ausländischen Branntwein ist vielmehr der Abgabensatz maßgebend, der für deutschen, aus einem mit dem ausländischen Herstellungsbetrieb vergleichbaren Betrieb stammenden Branntwein anzuwenden ist.

Das EGH-Urteil in der Rechtssache 148/77 steht dem nicht entgegen. Nach Abs. 16 der Entscheidungsgründe verbietet das Gemeinschaftsrecht es nicht, bestimmten Gruppen von Erzeugern steuerliche Vergünstigungen in Form von Steuerermäßigung einzuräumen. Solche Vergünstigungen müssen nach Art. 95 EWGV ohne Diskriminierung auch auf Branntwein aus anderen Mitgliedstaaten erstreckt werden (Abs. 17 der Entscheidungsgründe). Wenn der EGH in diesem Zusammenhang in Abs. 18 der Entscheidungsgründe auf die schwierigen Probleme bei der Gleichstellung hinweist, die sich angesichts der Merkmale ergeben, an die die nationalen Rechtsvorschriften die fraglichen steuerlichen Vergünstigungen knüpfen, (beispielsweise die Art der Rohstoffe, die technischen Merkmale des Betriebes, die Destillationsverfahren, die Modalitäten der Besteuerung und die steuerlichen Kontrollverfahren), so folgt daraus, daß er bei der Prüfung der entscheidenen Frage, ob „unter Berücksichtigung des Art. 95 Abs. 1 und 2 des Vertrages die gleichen Voraussetzungen erfüllt sind”, entscheidend nicht nur darauf ankommt ob es sich bei den eingeführten Branntweinen um gleichartige oder substituierbare Erzeugnisse handelt, sondern auch darauf, ob sie die für die nationale Vergünstigung maßgeblichen Merkmale des § 79 Abs. 2 BranntwMonG erfüllen. Die vom FG als entscheidungserheblich aufgeworfene Frage, ob die im Streitfall aus Mitgliedstaaten eingeführten Branntweine nur dann mit einem um 21 % ermäßigten Monopolausgleich zu belasten seien, wenn sie die Voraussetzungen des § 79 Abs. 2 BranntwMonG erfüllen, ist damit zu bejahen. Es erschiene auch nicht sinnvoll, den Mitgliedstaaten das Recht zuzugestehen, bestimmten Gruppen von Erzeugern steuerliche Vergünstigungen einzuräumen, gleichzeitig aber der Auffassung zu sein, diese nur einem geringen Teil der nationalen Erzeugung oder aus besonderen sozialen Gründen gewährte Vergünstigung zu Vermeidung einer Diskriminierung allen eingeführten gleichartigen oder substituierbaren Erzeugnissen einzuräumen. Denn das würde zwangsläufig dazu führen, daß die Importe von Branntwein zum günstigen Steuersatz zunehmen und der Absatz inländischer Branntweine abnehmen würde mit der Folge, daß der nationale Gesetzgeber letztlich die Vergünstigung bestimmter Gruppen von Erzeugern wieder aufheben müßte.

Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die im Streitfalle eingeführten weingeisthaltigen Erzeugnisse von Erzeugern hergestellt worden sind, die den in § 79 Abs. 2 BranntwMonG genannten Erzeugergruppen vergleichbar sind. Da es aber beabsichtigt, eine Vorabentscheidung des EGH darüber einzuholen, ob eingeführter Branntwein auch dann nicht diskriminiert werden dürfe, wenn er nicht aus einer inländischen Kleinbrennerei (§ 79 Abs. 2 BranntwMonG) stamme, muß davon ausgegangen werden, daß die Voraussetzungen für die Steuerermäßigung gemäß § 79 Abs. 2 BranntwMonG für die eingeführten Erzeugnisse nicht vorliegen. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung war daher, weil keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Monopolausgleichsbescheide bestehen, abzulehnen.

 

Fundstellen

BFHE 1981, 145

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