Leitsatz (amtlich)

Die Androhung der Erzwingung einer Sicherheitsleistung nach § 336 Abs. 2 AO 1977 ist kein unter die Vorschriften des § 69 FGO fallender vollziehbarer Verwaltungsakt. Vorläufiger Rechtsschutz gegen sie kann nur im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 114 Abs. 1 bis 4 FGO gewährt werden.

 

Normenkette

AO 1977 § 336 Abs. 2; FGO §§ 69, 114

 

Tatbestand

Die Anrtagstellerin und Bechwerdeführerin (Antragstellerin) meldete dem Antragsgegner und Beschwerdegegner (Hauptzollamt - HZA -) einen Mineralölherstellungsbetrieb an und begann im November 1977 mit der Herstellung von Mineralöl. Auf Grund einer Betriebsprüfung hielt das HZA den Eingang der Mineralölsteuer im Sinne des § 221 der Abgabenordnung (AO 1977) für gefährdet und ordnete durch Verfügung vom 28. Dezember 1977 an, daß die Antragstellerin für die in einem Fälligkeitszeitraum von 70 Tagen voraussichtlich unbedingt entstehenden Mineralölsteuerschulden bis zum 6. Januar 1978 Sicherheit in Höhe von ... DM leiste. Über die von der Antragstellerin hiergegen erhobene Beschwerde ist noch nicht entschieden.

Am 30. Dezember 1977 bat die Antragstellerin das Finanzgericht (FG), die Vollziehung der Verfügung des HZA vom 28. Dezember 1977 gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen. Diesem Antrag entsprach das FG durch Beschluß vom 17. August 1978 nur insoweit, als Sicherheit gefordert wurde in einer Höhe, die den jeweiligen Bestand unbedingt entstandener Mineralölsteuerschulden der Antragstellerin überschreitet.

Am 4. September 1978 erhob die Antragstellerin beim FG Untätigkeitsklage mit dem Antrag, das HZA zu verpflichten, die Vollziehung seiner Verfügung vom 28. Dezember 1977 auch insoweit auszusetzen, als es nicht durch den Beschluß des FG vom 17. August 1978 bereits geschehen sei. Über diese Klage ist ebenfalls noch nicht entschieden.

Entsprechend dem FG-Beschluß vom 17. August 1978 änderte das HZA seine Verfügung vom 28. Dezember 1977 durch Verfügung vom 8. September 1978 dahin, daß die Antragstellerin aufgefordert wird, Sicherheit in voller Höhe für die jeweils unbedingt entstandenen, jedoch noch nicht entrichteten Mineralölsteuern zu leisten. Dieser Aufforderung kam die Antragstellerin nicht nach. Das HZA bezifferte daraufhin durch Verfügung vom 25. September 1978 die Höhe der Sicherheitsleistung mit zur Zeit ... DM, setzte eine Frist zur Leistung der Sicherheit bis zum 10. Oktober 1978 und drohte für den Fall der Nichteinhaltung der Frist nach § 336 Abs. 2 AO 1977 an, die Sicherheitsleistung zu erzwingen. Die Antragstellerin bat am 3. Oktober 1978 das FG, diese Androhung der Erzwingung der Sicherheitsleistung durch eine einstweilige Anordnung nach § 114 FGO bis zur Entscheidung über die Untätigkeitsklage auszusetzen.

Das FG lehnte den Antrag durch Beschluß vom 13. November 1978 mit folgender Begründung als unzulässig ab:

Gemäß § 114 Abs. 5 FGO gälten die Vorschriften über den Erlaß einer einstweiligen Anordnung nicht für Fälle, in denen die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO beantragt werden könne. Die Antragstellerin könne die Aussetzung der Vollziehung des Verwaltungsakts vom 25. September 1978 beantragen. Die Zulässigkeit eines Antrags nach § 69 FGO setze u. a. voraus, daß ein vollziehbarer Verwaltungsakt vorliege. Die Androhung der Erzwingung einer Sicherheitsleistung sei ein vollziehbarer Verwaltungsakt. Denn Vollziehung bedeute, von dem Inhalt eines Verwaltungsaktes so Gebrauch zu machen, daß seine intendierte Wirkung erreicht werde. Die Androhung der Erzwingung einer Sicherheitsleistung ziele darauf ab, die Erbringung der Sicherheitsleistung zu erzwingen. Das geschehe durch Pfändung. Die Androhung sei danach vollzogen, wenn ein geeigneter Gegenstand des Pflichtigen gepfändet sei (§ 336 Abs. 1 AO 1977). Die Antragstellerin könne die Androhung der Erzwingung einer Sicherheitsleistung anfechten und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen. Diese Möglichkeit schließe den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung aus.

Mit der Beschwerde macht die Antragstellerin im wesentlichen geltend: Gegen die Androhung der Erzwingung der Sicherheitsleistung könne ihr vorläufiger Rechtsschutz nur durch eine einstweilige Anordnung gewährt werden. Dazu bestehe auch Anlaß. Denn das HZA habe mit dem Verlangen nach Sicherheitsleistung und der Androhung, sie zu erzwingen, sein pflichtgemäßes Ermessen verletzt und zugleich gegen Treu und Glauben verstoßen, weil es in einem beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig gewordenen anderen Rechtsstreit ihre Eigenschaft als Inhaberin des Herstellungsbetriebs und somit als Steuerschuldnerin bestritten habe. Sie werde deshalb mit der Untätigkeitsklage Erfolg haben müssen und habe deshalb ein Interesse daran, bis dahin die Vollstreckbarkeit der "Sicherheitsauflagen" zu beseitigen.

Das HZA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Das FG hat den Antrag vom 3. Oktober 1978, die in der Verfügung des HZA vom 25. September 1978 enthaltene Androhung der Erzwingung einer Sicherheitsleistung durch eine einstweilige Anordnung nach § 114 FGO auszusetzen, zu Unrecht als unzulässig abgelehnt. Es liegt entgegen der Auffassung des FG kein Fall vor, in dem die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO beantragt werden kann und deshalb nach § 114 Abs. 5 FGO die Vorschriften des § 114 Abs. 1 bis 4 FGO über den Erlaß einer einstweiligen Anordnung nicht gelten.

Die Verfügung des HZA vom 25. September 1978 ist zwar insoweit ein unter die Vorchriften des § 69 FGO fallender vollziehbarer Verwaltungsakt, als das HZA von der Antragstellerin verlangt, bis zum 10. Oktober 1978 Sicherheit in Höhe von ... DM zu leisten. Der Antrag vom 3. Oktober 1978 hat jedoch nicht dieses Verlangen zum Gegenstand, sondern nur die in der Verfügung zusätzlich enthaltene Androhung, daß bei Nichtbeachtung des Verlangens die Sicherheitsleistung erzwungen werde. Die Androhung der Erzwingung einer Sicherheitsleistung ist entgegen der Auffassung des FG kein unter die Vorschriften des § 69 FGO fallender vollziehbarer Verwaltungsakt. Sie verlangt nicht von dem Betroffenen etwas, was im Falle der Verweigerung durch Vollziehungsmaßnahmen erzwungen werden könnte (vgl. BFH-Beschluß vom 28. November 1974 V B 44/74, BFHE 114, 171, BStBl II 1975, 240), sondern stellt dem Betroffenen nur ein bestimmtes Verhalten der Behörde in Aussicht, das nicht zwangsläufig eintritt, sondern von einem besonderen Entschluß der Behörde abhängt. Dementsprechend will die Antragstellerin nicht die Verwirklichung des Verlangens, bis zum 10. Oktober 1978 Sicherheit zu leisten, vorläufig verhindern, sondern das ihr mit der Androhung in Aussicht gestellte künftige Verhalten des HZA, nämlich die Erzwingung der Sicherheitsleistung. Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Androhung der Erzwingung der Sicherheitsleistung kann somit der Antragstellerin nur im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 114 Abs. 1 bis 4 FGO gewährt werden.

Da das FG infolge seines Rechtsirrtums zur Begründetheit des Antrags bisher nicht Stellung genommen hat und der Antragstellerin insofern keine Instanz verlorengehen soll, hält der erkennende Senat es für angebracht, lediglich die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (vgl. BFH-Beschluß vom 5. Februar 1975 II B 29/74, BFHE 115, 12, BStBl II 1975, 465). Nach dem oben Ausgeführten kann die Antragstellerin in diesem Verfahren keine Gründe geltend machen, die sich gegen die Anordnung der Sicherheitsleistung richten - dazu hat sie Gelegenheit in dem die Aussetzung der Vollziehung dieser Anordnung betreffenden Verfahren -, sie kann vielmehr nur das vortragen, was gegen die Androhung der Erzwingung der Sicherheitsleistung spricht und weshalb eine Maßnahme nach § 114 FGO angezeigt ist. Das bisherige Vorbringen der Antragstellerin läßt zwar nicht erkennen, welche Gründe eine einstweilige Anordnung rechtfertigen könnten. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß die Antragstellerin solche Gründe noch vortragen wird.

 

Fundstellen

BStBl II 1979, 381

BFHE 1979, 160

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