Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrüge des mangelnden Hinweises; Würdigung von Zeugenaussagen

 

Leitsatz (NV)

1. Die Rüge, das FG habe einen gebotenen Hinweis unterlassen, ist nur dann ordnungsgemäß erhoben, wenn dargelegt wird, daß es sich um einen neuen rechtlichen Gesichtspunkt gehandelt habe.

2. In der Regel besteht für das FG kein Anlaß, schon vorab auf ein mögliches Ergebnis der Beweiswürdigung hinzuweisen.

3. Die gebotene Würdigung aller Umstände kann im Einzelfall dazu führen, daß das FG von einem Sachverhalt ausgeht, der von dem Ergebnis einer Zeugeneinvernahme abweicht.

 

Normenkette

FGO §§ 76, 96; ZPO § 139

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Sie war deshalb durch Beschluß zu verwerfen.

1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat gerügt, das Finanzgericht (FG) habe es unterlassen, ihr gegenüber einen rechtlichen Hinweis zu geben. In der Unterlassung sieht die Klägerin eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Zwar hat die Rechtsprechung eine entsprechende Rechtspflicht zur Erteilung eines Hinweises angenommen, wenn das FG seine Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt stützen will, der nie erörtert oder angesprochen wurde (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 20. Juni 1967 II 73/63, BFHE 90, 82, BStBl III 1967, 794; vom 22. März 1972 II R 121/68, BFHE 105, 515, BStBl II 1972, 637; vom 19. September 1990 X R 79/88, BFHE 162, 199, BStBl II 1991, 100; vom 8. Dezember 1993 XI R 58/90, BFH/NV 1994, 391). Die schlüssige Rüge eines entsprechenden Verfahrensfehlers setzt jedoch die Darlegung voraus, daß das FG seine Entscheidung auf einen "neuen" rechtlichen Gesichtspunkt gestützt hat. Daran fehlt es in der Beschwerdebegründung. Die Klägerin weist zwar darauf hin, daß sie auf Grund des Beweisbeschlusses und der für sie günstigen Zeugenaussagen von einer bestimmten Rechtsauffassung des FG ausgegangen sei. Damit behauptet sie aber konkludent selbst, daß der rechtliche Gesichtspunkt, auf den das FG seine Entscheidung gestützt hat, allen Beteiligten vor dem Schluß der mündlichen Verhandlung bekannt war. Er war nicht neu und ergab sich aus der möglichen Beweiswürdigung durch das FG. Der Klägerin kann auch nicht in ihrer Auffassung gefolgt werden, die Beteiligten könnten auf Grund eines Beweisbeschlusses und auf Grund von Zeugenaussagen von einer bestimmten Beweiswürdigung durch das FG ausgehen. Eine angeordnete und durchgeführte Zeugenvernehmung schließt es nicht aus, daß das FG deren Ergebnis gegen andere präsente Beweismittel abwägt und auf diese Weise von einem Sachverhalt ausgeht, der von dem Ergebnis der Zeugenvernehmung abweicht. Die Beteiligten müssen stets mit einer solchen Möglichkeit rechnen und ihre Darlegungen darauf ausrichten. Für das FG besteht in der Regel kein Anlaß, schon vorab auf ein mögliches Ergebnis der Beweiswürdigung hinzuweisen, das erst in der späteren Beratung gefunden werden soll.

2. Die Klägerin sieht einen weiteren Verfahrensfehler darin, daß das FG eine Sachprüfung deshalb unterlassen habe, weil es sich zu Unrecht an die Rechtskraft seines Urteils vom 25. September 1990 gebunden gefühlt habe. Die Beschwerdebegründung enthält jedoch keine Darlegungen darüber, aus welchem Teil der Entscheidungsgründe sich eine vom FG angenommene Bindung ergeben soll. Es ist nicht die Aufgabe des Revisionsgerichts, die Entscheidungsgründe Wort für Wort auf entsprechende Passagen hin zu überprüfen. Die Ausführungen des FG auf Seiten ... tragen im übrigen die Behauptung der Klägerin nicht. Aus ihnen folgt, daß das FG sich gerade nicht an seine frühere Entscheidung gebunden gefühlt hat. Es hat sie lediglich auch am 16. Februar 1996 noch in den zitierten Teilen für richtig gehalten.

3. Schließlich hat die Klägerin auch nicht dargelegt, daß sie etwas vorzutragen unterlassen habe, was das FG zu einer anderen Entscheidung hätte veranlassen können. Die Ausführungen auf Seite ... der Beschwerdebegründung beinhalten nur eine Wiederholung der Klagebegründung, mit der sich das FG in den Entscheidungsgründen eingehend auseinandergesetzt hat.

Der Senat sieht in entsprechender Anwendung des Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs von einer Wiedergabe des Sachverhaltes ab.

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 863

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