Etablierte Konzepte

Dennoch lässt sich feststellen, dass eine verursachungs- und periodengerechte Kostenzuordnung mithilfe der kalkulatorischen Aktivierung und Abschreibung von Entwicklungskosten nur in Ausnahmefällen und auch dort nur näherungsweise erfolgen kann. Daher erscheint es in vielen Fällen notwendig, sich von der Stück- und Periodenbetrachtung zu lösen und zu einer Betrachtung des gesamten Produktlebenszyklus überzugehen. Zwei etablierte, sich teilweise überschneidende Konzepte stehen hier zur Verfügung: das Life Cyle Costing und das auch als retrograde Kalkulation bezeichnete Target Costing.

Lebenszyklus­orientierung

Beide Konzepte haben gemeinsam, dass sie die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus eines Produkts ermöglichen. So ist das Life Cycle Costing in vielen Branchen vom Flugzeugbau bis hin zur Pharmaindustrie weit verbreitet: Dort wird es zur Bewertung von Entwicklungsprojekten über den gesamten Lebenszyklus vom Beginn der Entwicklung über die Nutzung durch den Abnehmer bis hin zu einer eventuellen Entsorgung eingesetzt. Aufgrund der sehr langen Betrachtungszeiträume erfolgt eine Diskontierung aller anfallenden Zahlungsströme auf den Anschaffungszeitpunkt. Die Erfolgssteuerung erfolgt somit über den Kapitalwert. Auch im Rahmen des Target Costing wird ein Produkt über den gesamten Lebenszyklus betrachtet, die Erfolgssteuerung erfolgt hier allerdings auf Stückebene über den erzielbaren Preis, die Zielrendite und die Allowable Costs.

Somit ermöglichen beide Konzepte eine langfristige Erfolgssteuerung über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg. Sie erlauben einen Beginn des Kostenmanagements nicht erst mit Beginn des Produktionsprozesses, sondern bereits im Rahmen der Produktentwicklung, wo die Weichen für einen Großteil der späteren Herstellkosten gestellt werden. Dies erklärt die besondere Bedeutung der Konzepte bereits während der Produktentwicklung.

Preis- & Kostenfindung

Life Cycle Costing und Target Costing zeichnen sich dadurch aus, dass der Preis nicht im Kosten-Plus-Verfahren ermittelt wird, sondern sich aus den Marktgegebenheiten ableitet. Der aufgrund der Produktfunktionalitäten auf Basis einer Conjoint-Analyse ermittelte Marktpreis des Produkts ist der Hauptansatzpunkt speziell des Target-Costing-Konzepts. Aus diesem leiten sich im Rahmen einer Preis-Minus-Kalkulation nach Abzug der angestrebten Gewinnmarge die Entwicklungs- und Herstellungskosten ("Allowable Costs") ab.

Perioden­betrachtung

Der Erfolg eines Produkts kann im Rahmen des Life Cycle Costing und des Target Costing durchaus periodenbezogen betrachtet werden, indem abgeglichen wird, ob Zielpreis und Allowable Costs im Betrachtungszeitraum erreicht werden konnten. Die Kapitalwertmethodik im Rahmen des Life Cycle Costing dagegen ist eine reine Lebenzyklusbetrachtung, die aber im Rahmen einer Fortschrittskontrolle projektbegleitend regelmäßig durchgeführt werden kann.

Gemeinsamkeiten

Den vorgestellten Methoden ist gemein, dass sie den Fokus weg von der Periodenbetrachtung hin zur Lebenszyklusbetrachtung lenken, die eine verursachungsgerechte Kostenzuordnung ermöglicht (vgl. auch Abb. 5). Produktbezogene Entscheidungen werden somit auf eine solide Grundlage gestellt. Die im Rahmen der kalkulatorischen Aktivierung beschriebenen Unsicherheiten bezüglich der Schätzung zukünftiger Vermarktungsdauern und Absatzmengen verursachen hier allerdings ebenfalls Schwierigkeiten: Wenn die Absatzschätzungen zu optimistisch sind, sinken nach der Kapitalwertmethodik im Rahmen des Life Cycle Costing die Einzahlungen durch Umsatzerlöse, sodass ein Produkt unrentabel werden kann. Im Rahmen des Target Costing verteilen sich die konstanten Entwicklungskosten auf eine geringere Stückzahl, sodass der Beitrag der Entwicklungskosten an den Allowable Costs ansteigt. Genauso fatal ist es natürlich, wenn sich die Preisschätzungen, die ja oft viele Jahre vor Beginn der Vermarktung stattfinden, als zu optimistisch herausstellen.

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