Rz. 216

Die Art des Ausweises eines Gewinn- oder Verlustvortrags in der Bilanz ist davon abhängig, ob diese unter Berücksichtigung der tw. oder vollständigen Verwendung des Jahresergebnisses aufgestellt wird.[1] Ist dies nicht der Fall, ist ein etwa vorhandener Gewinn- oder Verlustvortrag gem. § 266 Abs. 3 A. IV. HGB auf der Passivseite der Bilanz vor dem Jahresüberschuss oder Jahresfehlbetrag (§ 266 Abs. 3 A. V. HGB) auszuweisen.

 

Rz. 217

Wird die Bilanz hingegen unter Berücksichtigung der tw. Verwendung des Jahresergebnisses aufgestellt, so tritt an die Stelle der Posten "Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag" und "Gewinnvortrag/Verlustvortrag" der Posten "Bilanzgewinn/Bilanzverlust"; ein vorhandener Gewinn- oder Verlustvortrag aus dem Vorjahr ist in den Posten "Bilanzgewinn/Bilanzverlust" einzubeziehen und in der Bilanz oder im Anhang gesondert anzugeben (§ 268 Abs. 1 Satz 2 HGB; § 268 Rz 8 f.).[2] Zudem scheint der Posten "Gewinnvortrag/Verlustvortrag" aus dem Vorjahr bei der AG, der KGaA und der SE in der Verlängerungsrechnung zur GuV auf (§ 158 Abs. 1 Nr. 1 AktG). Die GmbH trifft keine Verpflichtung zur Aufstellung einer Verlängerungsrechnung zur GuV, d. h., bei ihr erschöpft sich die Information zu einem Gewinn- oder Verlustvortrag aus dem Vorjahr bei Aufstellung der Bilanz unter Berücksichtigung der tw. Verwendung des Jahresergebnisses in der Angabe nach § 268 Abs. 1 Satz 2 HGB. Im Interesse eines klaren und übersichtlichen Jahresabschlusses ist aber zu empfehlen, sich hinsichtlich des Ausweises in der GuV an den aktienrechtlichen Vorschriften zu orientieren.

 

Rz. 218

Erfolgt die Aufstellung der Bilanz unter Berücksichtigung der vollständigen Verwendung des Jahresergebnisses, führt dies regelmäßig zu einem Bilanzgewinn/Bilanzverlust von Null. Ausnahmsweise ist aber auch denkbar, dass i. R. d. Aufstellung beschlossen wurde, einen verbleibenden Gewinn oder Verlust auf das nächste Gj vorzutragen. Dieser Betrag ist weder in der Bilanz noch in der Verlängerungsrechnung zur GuV als Gewinnvortrag oder Verlustvortrag zu bezeichnen, sondern als Bilanzgewinn oder Bilanzverlust mit dem Zusatz "Vortrag auf neue Rechnung".[3] Zum besseren Verständnis ist der Vorgang regelmäßig im Anhang zu erläutern (§ 268 Rz 5 ff.).

 

Rz. 219

In der Praxis tritt häufig die Frage auf, was mit einem Jahresüberschuss oder einem Jahresfehlbetrag geschieht, soweit es an einem Gewinnverwendungsbeschluss oder anderweitigen gesellschaftsvertraglichen oder satzungsmäßigen Regelungen zur Gewinnverwendung fehlt oder nur eine tw. Verwendung des Jahresüberschusses oder Jahresfehlbetrages vorgesehen wird. Für diesen Fall bildet der Gewinn-/Verlustvortrag den Auffangposten. Er stellt sicher, dass im nächsten Gj die zuständigen Organe über die nicht verwendeten Beträge beschließen oder diese erneut vorgetragen werden.

[1] Der Gewinnvortrag entstammt aus dem Vorjahr und war daher schon Teil der Berechnungsgrundlage für die Rücklagendotierung. Er steht allein zur Disposition der Aktionäre oder Gesellschafter; vgl. auch ADS, 6. Aufl. 1995–2001, § 58 AktG Rz 18.
[2] Ein auf neue Rechnung vorgetragener Gewinn oder Verlust des Gj ist hier nicht gemeint, da dieser nur bei der vollständigen Verwendung des Jahresergebnisses entstehen kann.
[3] Handelsbilanziell meint der Begriff "Gewinnvortrag/Verlustvortrag" immer einen Betrag aus dem Vorjahr, der auf neue Rechnung vorgetragen wird. Insofern ist § 174 Abs. 2 AktG etwas missverständlich, weil er für den Gewinnverwendungsbeschluss auch den Begriff "Gewinnvortrag" vorsieht.

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