Rz. 19

I. R. d. Neureglung des § 335 HGB durch das EHUG wurde die Frage offengelassen, ob für die Festsetzung des Ordnungsgelds ein Verschulden des Betroffenen am Pflichtenverstoß erforderlich ist. Noch im Gesetzgebungsverfahren hat der Bundesrat sich gegen ein Verschuldenserfordernis ausgesprochen.[1] Dieser Auffassung folgen auch Teile der Literatur.[2] Nach der Rechtsprechung ist eine schuldhafte Pflichtverletzung nur für die Ordnungsgeldfestsetzung Voraussetzung, die Androhungsverfügung kann dagegen verschuldensunabhängig ergehen.[3]

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob schuldhaft gehandelt wurde, ist die Jahresfrist zur Offenlegung nach § 325 Abs. 1 Satz 2; Abs. 4 HGB; ob der Jahresabschluss in der Sechswochenfrist des § 335 Abs. 3 HGB erstellt werden kann, ist deshalb nicht von Bedeutung.[4] Die Unkenntnis von der Offenlegungspflicht lässt das Verschulden nicht entfallen;[5] dieser Umstand kann aber bei der Höhe des Ordnungsgelds berücksichtigt werden.[6]

Das Verschulden ist positiv festzustellen. Wegen des strafähnlichen Charakters des Ordnungsgelds greift eine Vermutung, wie sie in § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelt ist, nicht ein.[7] Da die Gründe für das Überschreiten der Frist i. d. R. für Dritte nicht erkennbar sind, trifft die Ges. bzw. die vertretungsberechtigten Organe die sekundäre Darlegungslast für die Umstände, die zur Fristüberschreitung geführt haben.[8] Verbleibende Zweifel wirken aber zu Gunsten des Betroffenen.[9]

 

Rz. 20

Die Ges bzw. die vertretungsberechtigten Organe müssen sich das Verschulden von Erfüllungsgehilfen nicht nach § 278 BGB zurechnen lassen. Bedient sich das Unt eines z. B. StB für die Erfüllung der Offenlegungsverpflichtung und leitet dieser den Jahresabschluss über IT-Dienstleister an den BAnz/das Unternehmensregister, ist bei Fristüberschreitung ein etwaiges Verschulden sowohl des StB wie auch der IT-Dienstleister nicht wie eigenes Verschulden nach § 278 BGB zurechenbar.[10] Es verbleibt jedoch bei einer Überwachungspflicht des Unt, ob der beauftragte Dritte rechtzeitig die Einreichung bei dem Betreiber des BAnz veranlasst bzw. an die das Unternehmensregister führende Stelle übermittelt hat. Verschulden liegt damit auch vor, wenn diese Überwachungspflicht verletzt wurde.[11]

 

Rz. 21

Am Verschulden fehlt es insb. nicht bei

  • verzögerter Erstellung des Jahresabschlusses wegen anhängiger Rechtsstreitigkeiten oder laufender Betriebsprüfungen;[12]
  • fehlender Liquidität für die Erstellung des Jahresabschlusses[13] – vorrangige Erfüllung anderweitiger Verpflichtungen rechtfertigen sogar die Verhängung eines erhöhten Ordnungsgelds;[14]
  • fehlender Beschlussfähigkeit der GesV;
  • personeller Unterbesetzung oder unzureichender technischer Ausstattung der Buchführungsabteilung;[15]
  • fehlender Zuständigkeit des Geschäftsführers für die Offenlegung nach dem internen Geschäftsverteilungsplan der Ges.;[16]
  • Beschlagnahme von Buchhaltungsunterlagen durch die Staatsanwaltschaft.[17]
[1] Vgl. BT-Drs. 16/960 v. 15.3.2006 S. 79.
[2] Vgl. Klinger, in MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2020, § 335 HGB Rn 26; Hucke, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 335 HGB Rz 26, Stand: 1/2018; de Weerth, NZI 2008, S. 714.
[3] Vgl. LG Bonn, Beschluss v. 16.9.2009, 30 T 366/09, unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung zum Verschuldenserfordernis für die Androhungsverfügung.
[4] Vgl. LG Bonn, Beschluss v. 25.10.2007, 11 T 21/07.
[5] Vgl. LG Bonn, Beschluss v. 25.10.2007, 11 T 21/07.
[9] So auch Waßmer, ZIS 2011, S. 658 unter Verweis auf BVerfG 9, 167, 170.
[10] Vgl. LG Bonn, Beschluss v. 21.1.2011, 35 T 1158/10, anders noch LG Bonn, Beschluss v. 29.10.2008, 30 T 104/08, DStR 2009 S. 451 m. Anm.
[12] Vgl. LG Bonn, Beschluss v. 1.12.2008, 37 T 288/08: § 326 Abs. 1 Satz 6 HGB regelt, dass eventuelle Änderungen des Jahresabschlusses nach Fertigstellung und Veröffentlichung einzureichen sind. Hieraus lässt sich schließen, dass die Offenlegungsverpflichtung auch die Möglichkeit von vorläufigen Jahresabschlüssen kennt.
[13] Vgl. LG Bonn, Beschluss v. 30.6.2008, 11 T 48/07: Die verantwortlichen Organe müssten frühzeitig Sorge für eine rechtzeitige Zuführung von Liquidität tragen. Etwas anderes kann nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelten vgl. Rz 57.
[14] Vgl. LG Bonn, Beschluss v. 6.12.2007, 11 T 11/07.
[15] Vgl. LG Bonn, Beschluss v. 25.10.2007, 11 T 21/07.
[16] Vgl. LG Trier, Beschluss v. 16.10.2003, 7 HK T 4/03, GmbHR 2004 S. 502.
[17] Vgl. LG Bonn, Beschluss v. 28.7.2008, 30 T 52/08.

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