Leitsatz

Das BMF wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob eine Kapitalgesellschaft, die öffentlich-rechtliche Pflichtaufgaben ihrer Gesellschafter wahrnimmt, selbstlos und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt.

 

Normenkette

§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG , § 52 AO , § 55 AO , § 57 AO , § 58 Nr. 3 AO , § 17b KHG

 

Sachverhalt

Nach ihrem Gesellschaftsvertrag verfolgt die Klägerin, eine GmbH, ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Ihr Gesellschaftszweck ist die den Gesellschaftern nach Maßgabe des KrankenhausfinanzierungsgesetzesKHG – (BGBl I 1991, 887) übertragene Aufgabe wahrzunehmen.

Der Gesellschaftsvertrag sieht weiter vor, dass die Klägerin selbstlos tätig ist und nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt. Die Gesellschafter beziehen keine Gewinnanteile und auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Gesellschaft. Sie erhalten bei ihrem Ausscheiden, bei Auflösung der Klägerin oder bei Wegfall der Gemeinnützigkeit nicht mehr als ihre eingezahlten Kapitalanteile und den gemeinen Wert ihrer geleisteten Sacheinlagen zurück.

Hintergrund der Gründung der Klägerin ist die mit dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) vom 22.12.1999 (BGBl I 1999, 2626) eingeführte Regelung in § 17b KHG. Darin wurde den Selbstverwaltungspartnern auf Bundesebene die Aufgabe übertragen, die Einzelheiten eines pauschalierenden Vergütungssystems für allgemeine voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen zu vereinbaren (§ 17b Abs. 2 KHG). § 17b Abs. 4 sieht vor, dass die Bundesregierung den Inhalt des Vergütungssystems durch Rechtsverordnung bestimmt, falls bis zum 30.6.2000 eine Vereinbarung der Selbstverwaltungspartner über die Grundstrukturen des Vergütungssystems nicht zustande kommt. Die Selbstverwaltungspartner hatten sich bereits zuvor darauf verständigt, dass die im Zusammenhang mit der Systemeinführung erforderlichen komplexen Arbeiten nur in einer strukturierten Organisationsform erledigt werden könnten. In Vollzug dieser Vereinbarung wurde die Klägerin gegründet.

Das FA versagte der Klägerin die Gemeinnützigkeit wegen fehlender Selbstlosigkeit (§ 55 AO). Das FG ist dem gefolgt (EFG 2005, 222).

 

Entscheidung

Der BFH gibt sich bislang unentschieden. Er "wägt" Für und Wider anhand der einschlägigen Schrifttumsmeinungen und sieht sich veranlasst, die Finanzverwaltung in Gestalt des BMF mit ins "Argumentationsboot" zu ziehen – dies erkennbar auch vor dem Hintergrund der schon erfolgten Beitrittsaufforderung vom 25.1.2005 in der Sache I R 8/04.

 

Hinweis

1. Erst jüngst, durch Beschluss vom 25.1.2005, I R 8/04 (BFH-PR 2005, 258), hat der BFH das BMF aufgefordert, dem Verfahren beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob das Unterhalten eines strukturell dauerdefizitären Betriebs gewerblicher Art (BgA) durch eine Gebietskörperschaft (dort: das Unterhalten des Bäderbetriebs einer Stadt) ohne Verlustausgleich und angemessenen Gewinnaufschlag durch die Trägerkörperschaft zur Annahme einer vGA führt. Konkret geht es dabei um ausgelagerte, neudeutsch "outgesourcte" Betriebe der öffentlichen Hand, die sich in erster Linie Umsatzsteuervorteile versprechen (in Gestalt des Vorsteuerabzugs), sich aber zugleich ertragsteuerlichen Begehrlichkeiten ausgesetzt sehen: Indem die ausgelagerte selbstständige Kapitalgesellschaft oder aber auch der ausgelagerten BgA Aufgaben seiner Gesellschafterin oder Trägerkörperschaft übernimmt, könnte sich bei Inkaufnahme von strukturellen Dauerverlusten und bei Übernahme derselben zugunsten besagter Gesellschafterin oder Trägerkörperschaft die Frage der vGA stellen. Im Einzelnen sei auf die erwähnten Praxis-Hinweise querverwiesen.

2. Seinerzeit wurde auch angemerkt, dass in jenem Zusammenhang gleichermaßen die denkbare Gemeinnützigkeit einer derartigen Auslagerung in eine Kapitalgesellschaft im Steuerfokus geraten kann. Denn hier stellt sich sozusagen spiegelbildlich die Frage, ob die ausgelagerten Aufgaben i.S.v. §§ 52 ff. AO in selbstloser Weise zugunsten der "Allgemeinheit" wahrgenommen werden, weil es sich "an sich" um die altruistische Wahrnehmung von Hoheitsaufgaben handelt. Dagegen könnte abermals sprechen, dass streng genommen (nur) Aufgaben der (hoheitlichen) Gesellschafter-Körperschaft wahrgenommen werden, nicht jedoch ohne weiteres Aufgaben der Allgemeinheit. Zu einer solchen Annahme könnte man nur gelangen, wenn man die Gesellschafter-Körperschaft als "Synonym" der Allgemeinheit auffassen würde.

3. Beide Auffassungen werden zu dem letzten Punkt im Schrifttum vehement vertreten.

Der BFH sah sich denn auch veranlasst, diese spannenden rechtsdogmatischen Fragen dem BMF ebenfalls zur Stellungnahme vorzulegen. Möglicherweise ist es der "öffentlichen Hand" in beiden Aufforderungsersuchen lieber, eine pragmatische Lösung anzupeilen: So hatte sich der BFH schon vor etlichen Jahren in einem Gerichtsbescheid (im Revisionsverfahren I R 100/95) in einem vergleichbaren Fall...

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