13.1 Bedeutung der Steuerbefreiung im System der Umsatzsteuer

Im System der Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) trägt der Endverbraucher die Umsatzsteuer. Deshalb ist er auch der Steuerträger. Für gewisse Umsätze soll nun der Endverbraucher nicht mit Umsatzsteuer belastet werden. Hierfür sind die Steuerbefreiungen in erster Linie vorgesehen (z. B. steuerfreie Arztumsätze). Bei der Steuerbefreiung soll demnach nicht der jeweilige Unternehmer, sondern der Endverbraucher begünstigt werden.

Im Bereich der steuerfreien Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftlichen Lieferungen ist die Wirkung dagegen anders. Hier soll vor allen Dingen der Export gefördert werden. Die exportierenden Unternehmer werden hierdurch wettbewerbsfähiger.

13.2 Anwendungsbereich der Steuerbefreiungen für Fälle des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG

Die Steuerbefreiungen gelten nach dem Eingangshalbsatz des § 4 UStG ("Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei") nur für steuerbare Umsätze und zwar für Lieferungen und sonstige Leistungen.

Für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen gibt es eine selbstständige Steuerbefreiungsvorschrift nach § 4 b UStG.

13.3 Einteilung der Befreiungsvorschriften in 3 Gruppen

Die Steuerbefreiungen wirken sich auf den Vorsteuerabzug sehr unterschiedlich aus. Im Hinblick darauf werden sie in 3 Gruppen eingeteilt:

  • steuerfreie Umsätze mit Vorsteuerabzug,
  • steuerfreie Umsätze mit der Möglichkeit des Verzichts auf die Steuerbefreiung,
  • alle übrigen steuerfreien Umsätze ohne Vorsteuerabzug.

13.3.1 Gruppe 1 (Berechtigung zum Vorsteuerabzug)

Unter diese Gruppe fallen die Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 1–7 UStG. Trotz Steuerbefreiung tritt kein Ausschluss vom Vorsteuerabzug ein. Hauptfallgruppe sind die Exportumsätze, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen.[1]

13.3.2 Gruppe 2 (Verzichtsfälle i. S. d. § 9 UStG)

Unter diese Gruppe fallen die in § 9 Abs. 1 UStG abschließend genannten steuerfreien Umsätze. Ein Verzicht ist grundsätzlich nur möglich, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. Hierbei handelt es sich um steuerfreie Umsätze nach

13.3.3 Gruppe 3 (alle übrigen Befreiungen des § 4 UStG)

Unter diese Gruppe fallen alle übrigen Steuerbefreiungen. Diese Befreiungen führen ohne Gestaltungsmöglichkeit zum Vorsteuerausschluss.[1] Hierunter fallen z. B.

  • viele Leistungen von Ärzten
  • Versicherungsumsätze
  • bestimmte Postumsätze im Briefverkehr,
  • Leistungen der amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege
  • Umsätze folgender Einrichtungen des Bundes, der Länder, der Gemeinden oder der Gemeindeverbände: Theater, Orchester, Chöre, Museen, botanische Gärten, zoologische Gärten, Büchereien u. a.
  • unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen
  • ehrenamtliche Tätigkeiten.

13.4 Voraussetzungen für den Verzicht auf die Steuerbefreiung

Der Unternehmer hat die Möglichkeit, auf bestimmte Steuerbefreiungen zu verzichten (Option zur Umsatzsteuer), um dadurch in den Genuss des Vorsteuerabzugs zu gelangen. Nur der Unternehmer kann einen in § 9 Abs. 1 UStG genannten Umsatz als steuerpflichtig behandeln, d. h. das Finanzamt kann eine Option zur Steuerpflicht nicht unterstellen. Sowohl die Erklärung zur Option nach § 9 UStG als auch der Widerruf dieser Option sind zulässig, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr, in dem die Leistung erbracht wurde, anfechtbar oder aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung noch änderbar ist.[1] An eine besondere Form ist die Ausübung des Verzichts auf Steuerbefreiung nicht gebunden. Allerdings ergeben sich weitere Einschränkungen aus § 9 Abs. 3 UStG.[2]

Der Unternehmer kann bei jedem einzelnen Umsatz auf die Steuerbefreiung verzichten (Grundsatz der Einzeloption).

An die Option sind 2 Voraussetzungen gebunden:

  • persönliche Voraussetzung
  • sachliche Voraussetzung

13.4.1 Persönliche Voraussetzung

Nur Unternehmer, die der Regelbesteuerung unterliegen, können auf die Steuerbefreiungen verzichten.

13.4.2 Sachliche Voraussetzungen

  • Umsatz an andere Unternehmer
  • Umsatz für das Unternehmen des anderen Unternehmers.

Der Verzicht ist nur bei Leistungen an andere Unternehmer möglich. Deshalb ist bei den unentgeltlichen Wertabgaben und bei Umsätzen an Nichtunternehmer ein Verzicht auf die Steuerbefreiungen nicht möglich. Die Leistung muss an das Unternehmen des anderen Unternehmers gerichtet sein. Bei einem Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Privatbereich ist ein Verzicht auf die Steuerbefreiung nicht möglich.

13.4.3 Voraussetzungen einer Option nach § 9 Abs. 2 UStG

Die Möglichkeit, auf die Umsatzsteuerbefreiung von bestimmten Umsätzen zu verzichten, ist nach § 9 Abs. 2 UStG eingeschränkt.[1] Von dieser Einschränkung sind folgende Umsätze betroffen:

  • die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken[2]
  • die Überlassung von Grundstücken und Grundstücksteilen zur Nutzung aufgrund eines auf Übertragung des Eigentums gerichteten Vertrages oder Vorvertrages[3]
  • die Bestellung, die Übertragung und die Überlassung der Ausübung von dinglichen Nutzungsrechten an Grundstücken[4] und
  • die Bes...

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