Das Thema Corporate Governance betrifft vor allem auch den Aufsichtsrat und seine Überwachungstätigkeit. Dies gilt für Aufsichtsräte der Privatwirtschaft und Aufsichtsräte von Unternehmen mit öffentlicher Beteiligung gleichermaßen. Bereits 2010 hat die EU-Kommission klargestellt, dass dem Überwachungsorgan "Aufsichtsrat" im Corporate-Governance-Gefüge unter der Voraussetzung funktionierender Kontroll- und Ausgleichsmechanismen ("Checks and Balances")[1] eine tragende Rolle zukommt. Gerade öffentliche Unternehmen stehen heute mehr denn je unter einem zunehmenden Wettbewerbsdruck und sehen sich einem Erwartungsdruck ausgesetzt, der durchaus an den wirtschaftlichen Realitäten vorbeigehen kann.

Öffentliche Strukturen sind geprägt durch vielschichtige, wenig transparente Beziehungen unterschiedlichster Beteiligter, die in der Öffentlichkeit immer wieder in der Kritik stehen.

  • Zum einen durch mangelnde Nachvollziehbarkeit und Transparenz unternehmerischer Entscheidungen,
  • zum anderen durch oftmals überzogene Erwartungen der Öffentlichkeit an ein öffentliches Unternehmen.

In Zeiten knapper werdender Finanzmittel sieht sich die öffentliche Hand vornehmlich zu ökonomischer Effizienz und stärkerer Marktorientierung gezwungen.

Nicht zuletzt tragen

  • die Liberalisierung vormals hoheitlicher Tätigkeitsfelder,
  • die Ausweitung privatrechtlicher Organisationsformen und
  • deren Integration in das vorhandene Verwaltungsgefüge

ihr Übriges dazu bei, ein hoch komplexes, vielseitiges Konglomerat entstehen zu lassen, das sicher durch den Wirtschaftsalltag gesteuert werden muss.

Mit den Ausgliederungen wächst die Verantwortung der kommunalen Entscheidungsträger und der Aufsichtsgremien. Diesen Veränderungen müssen sich die Aufsichtsräte stellen – ausreichende Fachkenntnisse und Kontrollrechte stehen hier zwangsläufig im Mittelpunkt.

Zur zentralen Aufgabe des Aufsichtsrats gehört nach dem Willen des Gesetzgebers ebenso wie in der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie die Überwachung der Geschäftsführung der Gesellschaft.[2] Er steht damit im Mittelpunkt der Steuerungs- und Kontrollaufgaben des öffentlichen Trägers und stellt dessen wesentliche Möglichkeit dar, Einfluss auf ihre Beteiligungen auszuüben. Zentrale Plicht des Aufsichtsorgans ist die Prüfung des Jahresabschlusses, Lageberichts und Gewinnverwendungsvorschlags.[3] Ein wesentliches Hilfsmittel für die Überwachung ist der Bericht der Abschlussprüferin bzw. des Abschlussprüfers bzw. das Testat (§ 321 HGB, § 322 HGB, § 313 AktG, § 53 HGrG, VV Nr. 1 zu § 68 BHO, § 67 BHO).[4] Insbesondere in den Bereichen Risikoanalyse und Risikoerfassung kann der Abschlussprüfer den Aufsichtsrat oder einzelne Aufsichtsratsmitglieder im Rahmen der Überwachungsfunktion unterstützen. Der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer fordert deshalb eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Abschlussprüfer und Aufsichtsrat, um eine effektive Überwachung und einen qualifizierten Informationsaustausch zu ermöglichen.[5]

Alle kapitalmarktorientierten Unternehmen haben einen Prüfungsausschuss gemäß § 324 HGB einzurichten. Ein Gesamtaufsichtsrat soll die Aufgaben des Prüfungsausschusses nur wahrnehmen können, wenn bei diesen Unternehmen mindestens ein unabhängiges Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügt.[6] Die Ausstrahlungswirkung einer solchen Regelung auf fakultative Aufsichtsräte von Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie öffentlichen Unternehmen, an denen Gebietskörperschaften beteiligt sind, ist greifbar.[7] Die Professionalisierung der Unternehmensüberwachung sowie eine stärkere Abstimmung zwischen Aufsichtsrat und Abschlussprüfer hat sich seit der Finanzkrise auch im öffentlichen Bereich verstärkt .

[1] Vgl. EU-Kommission, Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik, KOM (2010) 284 endgültig vom 2.6.2010, S. 5 und 8.
[2] Vgl. §§ 111 Abs. 1 AktG, 52 Abs. 1 GmbHG.
[5] Vgl. IDW Positionspapier zur Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Abschlussprüfer, https://www.idw.de/idw/idw-aktuell/idw-positionspapier-zur-zusammenarbeit-zwischen-aufsichtsrat-und-abschlusspruefer.html; Stand: 23.1.2020 (letzter Abruf am 15.12.2023).
[7] Vgl. Kapitel 5.

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