Rz. 3

Die handelsrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften wenden sich an Kaufleute im Sinne des Gesetzes (Einzelkaufleute und die diesen gleichgestellten Handelsgesellschaften – Kaufleute kraft Rechtsform –). Gewerbetreibende ohne Kaufmannseigenschaft werden nicht erfasst, für sie können aber spezielle steuerrechtliche Vorschriften zur Aufbewahrung eingreifen.

2.1 Gesetzliche Grundlagen

 

Rz. 4

Im Dritten Buch (Dritter Unterabschnitt) des HGB sind in den §§ 257 bis 261 die Aufbewahrung und die Vorlage von Unterlagen der Rechnungslegung geregelt. § 257 HGB trifft die Regelungen zur Aufbewahrung und zu den Aufbewahrungsfristen. § 261 HGB bestimmt insoweit ergänzend, dass der Aufbewahrungspflichtige, der von Erleichterungen Gebrauch macht, auf seine Kosten ohne Hilfsmittel lesbare Reproduktionen der aufbewahrungspflichtigen Unterlagen zur Verfügung stellen muss.

 

Rz. 5

Sozusagen im Vorfeld der Aufbewahrung ordnet Absatz 2 des § 238 HGB (der in Abs. 1 die Buchführungspflicht statuiert) an, dass der Kaufmann verpflichtet ist, mit der Urschrift übereinstimmende Wiedergaben der abgesandten Handelsbriefe anzufertigen und "zurückzubehalten". Der Kaufmann ist daher verpflichtet, sowohl die selbst angefertigten Buchführungsaufzeichnungen als auch alle weiteren – im Sinne der Rechnungslegung beweiserheblichen – Unterlagen, als Abschrift (Kopie) aufzubewahren. Die Bestimmungen der §§ 238 Abs. 2 und 257 HGB sind also im Zusammenhang zu sehen.

 

Rz. 6

Zentrale Vorschrift ist § 257 HGB. Demzufolge ist die Aufbewahrung eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, sie kann nicht durch Vertrag abbedungen werden und endet nicht mit der Veräußerung/Beendigung des kaufmännischen Unternehmens, sondern erst mit Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen.

2.2 Aufbewahrungspflichtige Personen

 

Rz. 7

Aufbewahrungspflichtig nach § 257 HGB ist jeder Kaufmann. Handelsrechtlich fallen unter den Begriff des Kaufmanns zunächst die Istkaufleute. Dies sind alle Gewerbetreibenden, deren Unternehmen einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert.[1] Auch Kannkaufleute, also Gewerbetreibende, deren Unternehmen keinen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, deren Firma aber trotzdem im Handelsregister eingetragen ist[2], fallen darunter. Land- und forstwirtschaftliche Betriebe zählen unabhängig von Art und Umfang ihres Unternehmens nicht als Istkaufmann. Sie können jedoch durch freiwillige Eintragung ins Handelsregister (konstitutiv) zum Kaufmann werden, wenn das Unternehmen einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert.[3] Personenhandelsgesellschaften sowie eingetragene Kaufleute gelten bei Vorliegen der o. g. Voraussetzungen ebenfalls als Ist- bzw. Kannkaufleute.[4] Kapitalgesellschaften sind bereits aufgrund ihrer Rechtsform Kaufleute (sog. Formkaufleute). Bei Einzelunternehmen ist der Inhaber aufbewahrungspflichtig, bei der OHG jeder Teilhaber, bei der KG die persönlich haftenden Gesellschafter und die zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter, bei der AG der Vorstand, bei der GmbH jeder (einzelne) Geschäftsführer und bei der atypischen stillen Gesellschaft allein der Inhaber des Handelsgeschäfts.[5]

[1] Vgl. § 1 HGB.
[2] Vgl. § 2 HGB.
[3] Vgl. § 3 HGB.
[4] Vgl. § 6 HGB.
[5] Vgl. Traut, in Henssler, beck-online Grosskommentar zum Handelsrecht, § 257 HGB Rz. 4 ff., Stand: Oktober 2020.

2.3 Aufbewahrungspflichtige Unterlagen

2.3.1 Überblick

 

Rz. 8

§ 257 Abs. 1 HGB zählt folgende aufbewahrungspflichtige Unterlagen auf:

  1. Handelsbücher, Inventare, Eröffnungsbilanzen, Jahresabschlüsse, Einzelabschlüsse nach § 325 Abs. 2a HGB, Lageberichte, Konzernabschlüsse, Konzernlageberichte sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen,
  2. die empfangenen Handelsbriefe,
  3. Wiedergaben der abgesandten Handelsbriefe,
  4. Belege für Buchungen in den nach § 238 Abs. 1 HGB zu führenden Büchern (Buchungsbelege).
 

Rz. 9

Die in § 257 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 HGB genannten Unterlagen sind 10 Jahre, die übrigen nur 6 Jahre aufzubewahren. Bezüglich der Erweiterung dieses Katalogs an aufbewahrungspflichtigen Unterlagen durch die steuerrechtlichen Aufbewahrungsbestimmungen um "sonstige Unterlagen" siehe Rz. 56 ff.

2.3.2 Handelsbücher, Inventare usw.

 

Rz. 10

§ 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB erfasst das eigentliche Buchungswerk einschließlich des zur Buchführung gehörenden Jahresabschlusses, wie es sich aus der systemgerechten Verarbeitung (Buchung) der Buchungsbelege und dem periodengerecht aufgestellten Jahresabschluss ergibt. Dazu gehören notwendige Arbeitsanweisungen und andere Organisationsunterlagen, ohne die die Bücher und Abschlüsse sonst nicht verständlich und nicht nachprüfbar wären.

 

Rz. 11

Für Handelsbücher fehlt eine Legaldefinition; Begriff und Umfang ergeben sich aus den GoB. Als Handelsbücher i. w. S. können alle urkundlichen und nicht urkundlichen Informationsträger verstanden werden, die dazu bestimmt und geeignet sind, die Handelsgeschäfte des Kaufmanns und die Lage seines Vermögens sichtbar zu machen. Hierunter fallen unstreitig die Grund- und Hauptbücher. Gru...

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