Leitsatz

Ändert das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid in der Weise, dass ein bisher als Veräußerungsgewinn behandelter Gewinn aus Gewerbebetrieb nunmehr als laufender Gewinn beurteilt wird, so darf der Gewerbesteuermessbescheid nach § 35b GewStG geändert werden (Bestätigung der Rechtsprechung).

 

Normenkette

§ 35b GewStG

 

Sachverhalt

Der Kläger, ein selbstständiger Versicherungsvertreter, gab seinen Betrieb im Streitjahr 1996 auf. Dementsprechend deklarierte er in seinen Steuererklärungen für 1996 sowohl einen laufenden Gewinn aus Gewerbebetrieb als auch einen Betriebsaufgabegewinn. Das Finanzamt folgte zunächst den Angaben des Klägers und setzte die Einkommensteuer und den Gewerbesteuermessbetrag entsprechend fest. Nach einer Außenprüfung ordnete das Finanzamt einen Teil des bisher als (nicht gewerbesteuerbar angesehenen) Betriebsaufgabegewinns dem laufenden Gewinn zu und änderte deshalb sowohl den Einkommensteuer- als auch – gestützt auf § 35b GewStG – den Gewerbesteuermessbescheid.

Die Klage, mit der sich der Kläger gegen den geänderten Gewerbesteuermessbescheid wehrte, hatte Erfolg (EFG 2003, 1401). Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Nach seinem Sinn und Zweck (insbesondere: Vermeidung einer unerwünschten Verdoppelung von Rechtsbehelfsverfahren) erfasse der § 35b GewStG auch den Fall, in welchem sich der Steuerpflichtige gegen den Ansatz von gewerblichen Einkünften im Einkommensteuerbescheid "dem Grunde nach" wehre. Dementsprechend habe der BFH § 35b GewStG auch in einem Fall angewendet, in dem in einem Einkommensteuerän-derungsbescheid die Umqualifizierung gewerblicher Einkünfte in solche aus einer anderen Einkunftsart vorgenommen wurde (BFH, Urteil vom 23.6.2004, X R 59/01, BFH-PR 2004, 483). Die dort angeführten Erwägungen gälten auch dann, wenn – wie im vorliegenden Streitfall – in einem Einkommensteueränderungsbescheid ein Betriebsveräußerungs- oder Betriebsaufgabegewinn in einen laufenden Gewinn umqualifiziert werde oder umgekehrt.

 

Hinweis

1. Bereits im Urteil vom 30.6.1964, VI 341/62 U, BStBl III 1964, 581 hatte der BFH § 35b GewStG trotz des seiner Zeit (vor In-Kraft-Treten des § 35b GewStG i.d.F. des EGA0 1977, BStBl I 1976, 694, 702) noch engeren Wortlauts, wonach – anders als bei der aktuellen Fassung des § 35b GewStG – "die Höhe des Gewinns aus Gewerbebetrieb berührt" werden musste, weit ausgelegt und § 35b GewStG auch auf einen Sachverhalt angewendet, bei dem die Gesamthöhe des Gewinns aus Gewerbebetrieb unverändert blieb und lediglich dessen Zuordnung zum laufenden Gewinn und zum Betriebsveräußerungsgewinn verändert worden war.

Diese Grundsätze hat der BFH im Besprechungsurteil fortgeführt. Er hat es dabei m.E. zu Recht als unwesentlich erachtet, dass die veränderte Zuordnung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb im dortigen Fall in einem geänderten Gewinnfeststellungsbescheid erfolgte, während sie in dem dem Besprechungsurteil zugrunde liegenden Sachverhalt in einem Einkommensteueränderungsbescheid vollzogen wurde. Ebenso als irrelevant hat der BFH angesehen, dass es im Besprechungsurteil um die zulasten des Steuerpflichtigen erfolgte Umgruppierung eines bisher als Betriebsaufgabegewinn (bzw. Betriebsveräußerungsgewinn) erfassten Gewinns zum laufenden Gewinn ging, wohingegen im Fall des BFH-Urteils vom 30.6.1964 (a.a.O.) die zugunsten des Steuerpflichtigen wirkende umgekehrte Konstellation (Umgruppierung eines laufenden Gewinns in einen Betriebsveräußerungsgewinn) vorlag. Dem ist beizupflichten, weil die Auslegung des § 35b GewStG unabhängig von seiner unterschiedlichen Wirkung zugunsten oder zuungunsten des Steuerpflichtigen in gleicher Weise vorgenommen werden muss.

2. Die im Besprechungsurteil befürwortete weite Auslegung des § 35b GewStG kommt auch schon im BFH-Urteil vom 23.6.2004, X R 59/01 (BFH-PR 2004, 483) zum Ausdruck. Dort hat der BFH entschieden, dass der Gewerbesteuermessbescheid nach § 35b GewStG auch dann aufzuheben oder zu ändern ist, wenn die vorausgegangene Aufhebung oder Änderung des Einkommensteuerbescheids darauf beruht, dass die Tätigkeit des Steuerpflichtigen nicht mehr wie bisher als gewerbliche qualifiziert, sondern einer anderen Einkunftsart zugeordnet wird.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 16.12.2004, X R 14/03

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge