Leitsatz

1. Zwischen einer Außenprüfung und der Feststellung steuerrelevanter Verhältnisse dritter Personen muss ein sachlicher Zusammenhang in der Weise bestehen, dass bei einer konkreten und im Aufgabenbereich des Prüfers liegenden Tätigkeit ein Anlass auftaucht, solche Feststellungen zu treffen. Fehlt es an einer solchen konkreten Prüfungstätigkeit, die den Anlass für die Feststellung der Verhältnisse Dritter bieten muss, handelt der Prüfer außerhalb der ihm durch den Prüfungsauftrag verliehenen Befugnisse.

2. Diese Grundsätze gelten auch für ein Mitwirkungsverlangen, das darauf gerichtet ist, unabhängig von einer konkreten Prüfungstätigkeit ausschließlich die steuerlichen Verhältnisse Dritter festzustellen. Ein derartiges Mitwirkungsverlangen ist rechtswidrig.

 

Normenkette

§ 194 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 , § 194 Abs. 3 AO 1977 , § 200 Abs. 1 Satz 2 AO 1977

 

Sachverhalt

Bei einer Bank war eine Außenprüfung angeordnet worden. Am Tag des Prüfungsbeginns forderte das FA die Bank auf, die Auszüge für das Giroausgangskonto für einen bestimmten Zeitraum "für Kontrollmitteilungszwecke" vorzulegen. Dabei handelte es sich um ein betriebsinternes Verrechnungskonto, über das alle Transaktionen abgewickelt werden, bei denen eine andere Bank angesprochen wird. Auf den Einspruch der Bank hin wurde mitgeteilt, dass über eine Reihe bestimmter Buchungssachverhalte stichprobenweise Kontrollmaterial angefertigt werden solle.

Die von der Bank erhobene Klage blieb erfolglos. Das FG argumentierte, die angeforderten Geschäftsunterlagen seien nicht objektiv unter keinem möglichen Gesichtspunkt für die Besteuerung der Bank ohne Bedeutung. Die Absicht, Kontrollmitteilungen zu fertigen, berühre die Rechtmäßigkeit des Vorlageverlangens nicht; denn es handle sich lediglich um einen Hinweis auf § 194 Abs. 3 AO. Die Außenprüfung habe das Recht, die gesamte Buchführung einzusehen und auszuwerten, selbst wenn die Geschäftsunterlagen für die Besteuerung der Bank im Ergebnis belanglos sein sollten. Die Auswertung der Unterlagen für Kontrollmitteilungszwecke sei zulässig, wenn unter Berücksichtigung der dem Prüfer erkennbaren Umstände und seiner Erfahrung gerade in diesem Bereich Steuerverkürzungen der von der Mitteilung Betroffenen nicht ausgeschlossen werden könnten.

 

Entscheidung

Der BFH ist anderer Ansicht. Er hat das Mitwirkungsverlangen des FA aufgehoben.

Das Mitwirkungsverlangen diene nicht der Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse der Bank, sondern ausschließlich der Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse Dritter. Derartige Ermittlungen lägen außerhalb des durch die Prüfungsanordnung festgelegten Prüfungsauftrags, der sich nur auf die Feststellung der steuerlichen Verhältnisse der Bank bezog.

Das FA behaupte zwar, das Mitwirkungsverlangen ziele auf die Einhaltung der die Bank nach § 154 AO treffenden Verpflichtungen zur Kontenwahrheit. Ohne auf diese Vorschrift und sich aus ihr ergebende Prüfungsfragen näher einzugehen, meint der BFH, unter diesem Gesichtspunkt könnten für das FA die Buchungsunterlagen der Bank im Hinblick auf deren eigene Besteuerung nicht von Interesse sein. Zweck des Mitwirkungsverlangens könne es folglich nur gewesen sein, auf der Grundlage der vorzulegenden Kontoauszüge Erkenntnisse für die Besteuerung anderer Personen zu gewinnen, um Kontrollmitteilungen nach § 194 Abs. 3 AO anzufertigen.

§ 194 Abs. 3 Alternative 1 AO gestatte aber nur die Auswertung von anlässlich einer Außenprüfung festgestellten Verhältnissen Dritter. Das Wort "anlässlich" verlange mehr als einen bloß zeitlichen Zusammenhang zwischen der Außenprüfung und der Feststellung steuerrelevanter Verhältnisse Dritter. Es müsse ein sachlicher Zusammenhang in der Weise bestehen, dass bei einer konkreten und im Aufgabenbereich des Prüfers liegenden Tätigkeit ein Anlass "auftauche", solche Feststellungen zu treffen.

Ein solcher Anlass, so argumentiert der BFH, sei hier nicht aufgetaucht. Das soll sich schlicht daraus ergeben, dass das Mitwirkungsverlangen bereits am Tag des Prüfungsbeginns bekannt gegeben worden ist, ohne dass der Prüfer überhaupt mit einer konkreten Prüfungstätigkeit begonnen hatte.

 

Hinweis

Der Steuerpflichtige muss bei einer Außenprüfung u.a. Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorlegen. Das FA entscheidet nach Ermessen, ob und in welcher Form es eine diesbezügliche Mitwirkung des Steuerpflichtigen in Anspruch nimmt. Dabei begreift sich, dass niemals sämtliche Unterlagen angefordert und eingesehen werden können, sondern der Prüfer sich überlegt, durch welche Ermittlungsmaßnahmen er "Mehrergebnisse" am sichersten, am schnellsten und im größten Umfang erzielen kann.

Ob Zweck dieses dem Prüfer von § 200 AO eröffneten Ermessens nur ist, solche Mehrergebnisse bei dem geprüften Betrieb zu erzielen oder ob er bei seiner Ermessensausübung auch steuerliche Auswirkungen seiner Prüfungsfeststellungen für Dritte berücksichtigen darf (wozu er nach § 194 AO Kontrollmitteilungen fertigen kann), hat der BFH nicht th...

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