2.1 Kindergeld und Freibeträge

 

Rz. 576

Familienleistungsausgleich

Die vom BVerfG geforderte Freistellung (Familienleistungsausgleich) eines Einkommensbetrags i. H. des Existenzminimums eines berücksichtigungsfähigen Kindes (sächlicher Bedarf wie Wohnung, Kleidung, Nahrung einschließlich Bedarf für Betreuung, Erziehung oder Ausbildung) wird entweder durch das Kindergeld oder die steuerlichen Freibeträge für Kinder bewirkt (§ 31 EStG).

Während des Jahres wird für das Kind (monatlich) nur Kindergeld ausgezahlt. Erst im Rahmen der Jahresveranlagung prüft das Finanzamt automatisch (von Amts wegen), ob sich beim Ansatz der Freibeträge (Kinderfreibetrag zur Abdeckung des sächlichen Bedarfs und Freibetrag für den Erziehungs- Betreuungs- und Ausbildungsbedarf) betragsmäßig ein höherer Steuervorteil ergibt als durch das Kindergeld ("Günstigerprüfung", § 31 Satz 4 EStG). Kindergeld, das wegen Verjährung nicht tatsächlich ausgezahlt wurde, wird nicht berücksichtigt (BFH, Urteil v. 26.5.2021, III R 50/19, BFH/NV 2022 S. 68). Sind die Freibeträge günstiger, werden sie bei der Berechnung des z. v. E. eingerechnet. Damit wird die sich dadurch ergebende höhere steuerliche Entlastung gegenüber dem Kindergeld berücksichtigt. Der Steuerpflichtige bekommt (nach Anrechnung des Kindergelds) die über das Kindergeld hinausgehende Entlastung als Einkommensteuererstattung ausgezahlt. War das Kindergeld bzw. der Kindergeldanspruch günstiger, werden bei der Berechnung des z. v. E. die Freibeträge nicht berücksichtigt und es bleibt beim ausgezahlten Kindergeld.

Diese Vergleichsberechnung wird für jedes Kind, das berücksichtigt wird, und jeden Elternteil (außer bei Zusammenveranlagung) getrennt durchgeführt. In vielen Fällen wird der Ansatz des Kindergelds zu einem günstigeren Ergebnis führen. Dann tauchen bei der Berechnung des z. v. E. im Steuerbescheid die Freibeträge nicht auf und in den Erläuterungen zum Bescheid wird auf das Kindergeld verwiesen.

Für im EU- oder EWR-Ausland lebende Kinder kann bei der Vergleichsberechnung davon ausgegangen werden, dass Kindergeldanspruch i. H. d. deutschen Kindergelds bestand.

 
Wichtig

Regeln zur Berechnung der Zuschlagsteuern

Zur Berechnung des Solidaritätszuschlags und der KiSt (Annexsteuern) wird immer die ESt, die sich unter Abzug der Freibeträge für Kinder ergibt, berücksichtigt. Die Freibeträge werden bei den Annexsteuern immer als Jahresbetrag berücksichtigt, sobald die Abzugsvoraussetzungen für die Freibeträge an mindestens einem Tag im Jahr vorliegen (§ 51a EStG).

 
Praxis-Tipp

Kindergeld nachträglich beantragen

Wenn ein Kind, für das Sie bisher kein Kindergeld erhalten haben, vom Finanzamt bei der Jahressteuerveranlagung berücksichtigt wird, dann können Sie das Ihnen zustehende Kindergeld noch nachträglich bei der Familienkasse beantragen, allerdings rückwirkend nur noch für die letzten sechs Kalendermonate vor Antragseingang (§ 66 Abs. 3 EStG).

Stellt sich bei der Steuerveranlagung heraus, dass Steuerpflichtige für ein Kind zu Unrecht Kindergeld erhalten haben, wird das Kindergeld zurückgefordert.

2.2 Steuerfreibeträge für ein Kind

 

Rz. 577

[Kinderfreibetrag und Freibetrag für Betreuung, Erziehung und Ausbildung → Zeilen 10–15, 38–43]

Jedem Elternteil steht für jedes Kind ab 2023 ein Kinderfreibetrag von jährlich 3.012 EUR zu (§ 32 Abs. 6 Satz 1 EStG; verdoppelt 6.024 EUR). Der "einfache" Freibetrag gilt für nicht verheiratete, getrennt lebende oder geschiedene Eltern und für verheiratete Eltern, die Einzelveranlagung wählen. Der Freibetrag wird für alle Monate gewährt, in denen das Kind berücksichtigt werden kann (Monatsprinzip) und ggf. gezwölftelt.

Verdoppelter Kinderfreibetrag

Werden die Eltern eines Kindes als Ehegatten zusammen veranlagt, verdoppelt sich der (jetzt gemeinsame) Jahresfreibetrag für das Kind auf 6.024 EUR.

Auch ein einzelner Elternteil kann den verdoppelten Kinderfreibetrag von 6.024 EUR erhalten, wenn

  • der andere Elternteil verstorben ist,
  • der andere Elternteil nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist (Wohnsitz im Ausland),
  • der Vater des Kindes amtlich nicht feststellbar ist (weil z. B. die Mutter den Behörden den Namen verschweigt),
  • der Wohnsitz des anderen Elternteils nicht bekannt ist,
  • das Kind von einer Person allein adoptiert wurde oder
  • das Kind nur zu einer Person in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.

Immer dann, wenn der einfache Freibetrag angesetzt wird, ist bei der Vergleichsberechnung der halbe Kindergeldanspruch gegenzurechnen und entsprechend auf der Anlage Kind einzutragen. Wird der verdoppelte Kinderfreibetrag berücksichtigt, erfolgt bei der Vergleichsberechnung die Gegenrechnung mit dem ganzen Kindergeld.

 

Rz. 578

Freibetrag für Betreuung, Erziehung und Ausbildung

Unter den gleichen Voraussetzungen wie beim Kinderfreibetrag erhalten die Eltern für das berücksichtigungsfähige Kind den Freibetrag für Betreuung, Erziehung und Ausbildung.

Der Freibetrag beträgt 2023 jährlich 1.464 EUR je Elternteil und verdoppelt sich auf 2.928 EUR in den gleichen Fällen, in denen auch der verdoppelte Kinderfreibetrag angesetzt wird (→ Tz 577). Wie beim Ki...

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