Leitsatz

Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist unrichtig, wenn sie in einer der nach § 55 Abs. 1 FGO wesentlichen Aussagen unzutreffend bzw. derart unvollständig oder missverständlich gefasst ist, dass hierdurch bei objektiver Betrachtung die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint.

 

Sachverhalt

Die Familienkasse erließ einen Bescheid über die Aufhebung von Kindergeld und forderte zu viel ausgezahlte Kindergeld vom Kläger zurück. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. In der Rechtsbehelfsbelehrung wies die Familienkasse darauf hin, dass gegen die Entscheidung Klage beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg schriftlich oder als elektronisches Dokument einzureichen oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklären sei. Die Frist für die Einreichung der Klage betrage einen Monat. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass die Voraussetzung zur elektronischer Einreichung der Klage in § 52a FGO geregelt sei und Näheres über die Internetseite des Finanzgerichts in Erfahrung zu bringen sei.

Gegen die am 26.8.2019 zugestellte Einspruchsentscheidung hat der Kläger am 28.11.2019 per Telefax Klage erhoben und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags führte der seinerzeit noch nicht fachkundige vertretene Kläger aus, dass er dem FG am 26.9.2019 eine einfache E-Mail an die in dessen Internetseite genannte DE-Mail-Adresse mit einer als Anhang beigefügten Klageschrift übermittelt habe. Nachdem er geraume Zeit nichts von seiner Klage gehört habe, habe er sich telefonisch an das FG gewandt, wo ihm mitgeteilt worden sei, dass ein Eingang seiner E-Mail nebst Anhang nicht habe festgestellt werden können.

Der Kläger hält seine Klage nicht für verfristet, weil die Rechtsbehelfsbelehrung in der Einspruchsentscheidung deshalb fehlerhaft sei, weil der Rechtssuchende über die Klageerhebung per E-Mail nur unvollständig belehrt werde.

 

Entscheidung

Das FG hat die Klage als unzulässig verworfen, weil sie außerhalb der Monatsfrist und damit verspätet eingereicht worden ist.

Zwar beginnt die einmonatige Klagefrist nach § 55 Abs. 1 FGO nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden sei. Ist Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs grundsätzlich innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung zulässig.

Vorliegend sei die Rechtsbehelfsbelehrung auch bei Berücksichtigung des Gebots effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht unrichtig. Ungeachtet dessen, dass der Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Übermittlung von Rechtsbehelfen nach der Rechtsprechung des BFH nicht erforderlich sei, weise die Rechtsbehelfsbelehrung an mehreren Stellen unmissverständlich auf die Möglichkeit einer elektronischen Klageerhebung hin. Weitere Erläuterungen zu den Modalitäten einer elektronischen Klageerhebung seien nicht vonnöten. Vielmehr genüge der Hinweis in der Rechtsbehelfsbelehrung auf die Vorschrift zur elektronischen Übermittlung von Dokumenten gemäß § 52a FGO, um den Rechtsuchenden in die Lage zu versetzen, sich bei der Wahl dieser Übermittlungsform nähere Informationen zu verschaffen.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger nicht glaubhaft gemacht habe, dass ihn kein Verschulden an der Fristversäumnis treffe.

 

Hinweis

Ist für den Rechtsverkehr per E-Mail die die Schriftform ersetzende qualifizierte elektronische Signatur vorgeschrieben, so reicht es bei deren Fehlen nicht aus, dass sich aus der (einfachen) E-Mail oder begleitenden Umständen die Urheberschaft und der Wille, das Schreiben in den Verkehr zu bringen, hinreichend sicher ergeben. Der Hinweis in der Rechtsbehelfsbelehrung war unmissverständlich und hätte bei Beachtung auch für einen Laien zu der Erkenntnis geführt, dass eine einfache E-Mail für die Erhebung einer wirksamen Klage nicht ausreicht.

 

Link zur Entscheidung

FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 26.04.2021, 4 K 4253/19

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