Leitsatz

1. Wird im Fall einer sog. doppelten Untätigkeit im zeitlichen Zusammenhang mit einem Untätigkeitseinspruch beim FA eine Untätigkeitsklage bei Gericht erhoben und ergeht daraufhin zunächst ein Steuerbescheid und anschließend eine (abweisende) Einspruchsentscheidung, kann die Untätigkeitsklage als Anfechtungsklage fortgeführt werden (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 3.8.2005, I R 74/02, BFH/NV 2006, 19).

2. Die "Mobilisierung" von KSt-Guthaben im Weg eines sog. Rücklagenmanagements und dessen modellmäßige Verwirklichung in Teilschritten zunächst durch kreditfinanzierten Erwerb eines sog. Vorzugsgeschäftsanteils (von bis zu 0,29 %) am Stammkapital einer Kapitalgesellschaft mit hohen Gewinnrücklagen zu einem über dem Nominalwert liegenden Kaufpreis und anschließender Beschlussfassung einer disquotalen, durch ein Mehrstimmrecht abgesicherten Vorabausschüttung ist nicht rechtsmissbräuchlich. Der Anteilserwerb ist auch nicht in ein Darlehensverhältnis umzudeuten.

 

Normenkette

§ 42, § 347 Abs. 1 Satz 2 AO, § 6 Abs. 1 Nr. 2, § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 3, Abs. 2a, § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1997, § 46 FGO

 

Sachverhalt

Es ging um die Mobilisierung von KSt-Guthaben in "modellmäßiger" Weise durch eine deutsche Großbank vor dem Hintergrund der Umstellung des KSt-Besteuerungssystems vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren. Die einzelnen Gestaltungsschritte werden in den Praxis-Hinweisen dargestellt. Darauf ist hinsichtlich des Sachverhalts ebenso zu verweisen ...

 

Entscheidung

... wie hinsichtlich der Entscheidungsgründe. Der BFH hat dadurch das vorangegangene Urteil des FG Münster vom 19.8.2005 (EFG 2006, 205) bestätigt und zugleich das gegenläufige Urteil des Hessischen FG vom 2.3.2005 (EFG 2005, 1587) in einer Parallelsache betreffend Schwestergesellschaften der hier klagenden Gesellschaft verworfen.

Insbesondere geht der BFH mit dem FG davon aus, dass die Neugesellschafter keine Rechtsansprüche auf die Vorzugsdividenden erworben haben, sondern ,,nur die faktische Erwartung entsprechender Gesellschafterbeschlüsse``. Es gebe auch keinen Rechtsgrundsatz, der es einfordere, dass die KSt-Guthaben den Altgesellschaftern zustehen müssten. Wem eine Dividende zuzurechnen sei, ergebe sich allein aus § 20 Abs. 2a EStG. Den wirtschaftlichen Erfolg, welchen die Klägerin durch die Transaktion erzielt habe, seien ,,wirtschaftliche Effekte einer Gestaltung im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit``, die aus steuerlicher Sicht hinzunehmen seien. Schließlich seien die Zwergbeteiligungen auf Dauer erworben worden, nicht nur um des kurzfristigen Ziels willen (was der BFH aber wohl auch nicht als schädlich erachtet hätte).

 

Hinweis

1. Durch die Steuerreform 2001 wurde mit (im Grundsatz) erstmaliger Wirkung vom VZ 2001 das System der Besteuerung von Kapitalgesellschaften grundlegend umgestellt.

An die Stelle des sog. Anrechnungsverfahrens trat eine Endbesteuerung beim Anteilseigner nach dem sog. Halbeinkünfteverfahren. Damit einhergehend war das verwendbare Eigenkapital der Kapitalgesellschaft zum 31.12.2000 umzugliedern, wodurch das zur Verfügung stehende Ausschüttungsvolumen spürbar gemindert werden konnte. Das ließ sich durch eine sofortige Gewinnausschüttung an die Anteilseigner vermeiden. Reichte der zur Verfügung stehende Handelsbilanzgewinn dafür aber nicht aus, drohte der zumindest vorübergehende Verlust des KSt-Guthabens.

2. In dieser Situation wurden Ausweggestaltungen zur "Mobilisierung" von KSt-Guthaben diskutiert. Empfohlen wurde, über eine Gesellschaftereinlage handelsrechtlich einen Gewinnausweis zu veranlassen (sog. Leg-ein-Hol-zurück). Um die Liquidität der Gesellschafter zu schonen, wurde diese Maßnahme durch ein Gestaltungsmodell verfeinert, das in der breiten Öffentlichkeit als "Rücklagenmanagement" bekannt geworden ist. Über ein solches Modell hatte der BFH nun zu entscheiden.

3. Danach wurde (mit der Klägerin) eigens eine Kapitalgesellschaft gegründet, die in einem ersten Schritt mit einer Bank die Vermittlung neu auszugebender Beteiligungen an Kapitalgesellschaften vereinbarte. Diese Vereinbarung sicherte der Bank eine Provision (von 16 % der Zeichnungsbeträge) und der Gesellschaft die Finanzierung der Beteiligungskäufe. Sodann erwarb die Kapitalgesellschaft in einem zweiten Schritt Beteiligungen an Kapitalgesellschaften mit hohen Gewinnrücklagen. Dem Erwerb ging jeweils eine Kapitalerhöhung bei den Beteiligungsgesellschaften und damit verbunden die Schaffung eines Vorzugsgeschäftsanteils voraus, der zwischen 0,0001 % und 0,29 % des Stammkapitals ausmachte. Für diese Vorzugsgeschäftsanteile zahlte der Erwerber einen deutlich über den Nominalwert liegenden Ausgabepreis (für die erworbenen Stammeinlagen von insgesamt nominal rund 36.000 DM betrug der Zeichnungspreis rund 1,075 Mio. DM).

Die Vorzugsgeschäftsanteile verschafften satzungsgemäß einen Anspruch auf eine "disquotale" oder "inkongruente" Vorzugsdividende i.H.v. jeweils 93,3 % des Ausgabepreises sowie den Anspruch auf das KSt-Guthaben. Zur Sicherung der Ausschüttung g...

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