Zusammenfassung

 
Begriff

Steuerrechtlich sind unverzinsliche Verbindlichkeiten grundsätzlich abzuzinsen, wenn eine Restlaufzeit von mehr als einem Jahr besteht. Die Abzinsung ist entweder nach finanz- und versicherungsmathematischen Grundsätzen unter Berücksichtigung des Zinssatzes von 5,5 % oder aus Vereinfachungsgründen nach den §§ 1214 BewG vorzunehmen. Aufgrund des Realisationsprinzips kommt für Verbindlichkeiten handelsrechtlich generell keine Abzinsung in Betracht. Durch das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz entfällt die Abzinsungspflicht für Verbindlichkeiten für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2022 enden; auf Antrag ist dies aber auch für frühere Wirtschaftsjahre anwendbar.

Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr sind steuerrechtlich weiterhin nach finanz- und versicherungsmathematischen Grundsätzen unter Berücksichtigung des Zinssatzes von 5,5 % oder aus Vereinfachungsgründen nach den §§ 1214 BewG abzuzinsen. In der Handelsbilanz erfolgt die Abzinsung mit dem durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen 7 Geschäftsjahre unter Berücksichtigung der maßgeblichen Restlaufzeit. Die Abzinsung von Altersversorgungsverpflichtungen ist steuerrechtlich mit einem Rechnungszinsfuß von 6 % vorzunehmen. Handelsrechtlich beträgt der Zeitraum für die Ermittlung des Durchschnittszinssatzes 10 Jahre. Abweichend von den Grundsätzen dürfen Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbare langfristig fällige Verpflichtungen handelsrechtlich pauschal mit dem durchschnittlichen Marktzinssatz abgezinst werden, der sich bei einer angenommenen Restlaufzeit von 15 Jahren ergibt.

Der handelsrechtlich anzuwendende Abzinsungszinssatz wird von der Deutschen Bundesbank nach Maßgabe der Rückstellungsabzinsungsverordnung (RückAbzinsV) ermittelt und monatlich bekannt gegeben.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Steuerrechtlich ist die Abzinsung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG und die Bewertung in den §§ 12 ffBewG geregelt. Erläuterungen enthält das BMF-Schreiben v. 26.5.2005.[1] Die Abzinsung von Altersversorgungsverpflichtungen ist in § 6a Abs. 3 EStG geregelt.

Die handelsrechtliche Abzinsung ergibt sich aus § 253 Abs. 2 HGB. Die aktuellen Zinssätze für die Handelsbilanz nach der RückAbzinsV können auf der Homepage der Bundesbank[2] abgefragt werden.

Wegfall des Abzinsungsgebots für Verbindlichkeiten durch das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz.[3]

[2] https://www.bundesbank.de/de/statistiken/geld-und-kapitalmaerkte/zinssaetze-und-renditen/zinssaetze-und-renditen-772440.
[3] Viertes Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Viertes Corona-Steuerhilfegesetz) v. 19.6.2022 BGBl 2022 I S. 911.

1 Abzinsung von Verbindlichkeiten

1.1 Ausnahmen

Steuerlich sind Verbindlichkeiten mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Betroffen sind nicht nur Verbindlichkeiten in Geld, sondern auch Sachdienstleistungsverpflichtungen. Die Abzinsung erfolgt nicht, wenn

  • die Laufzeit der Verbindlichkeit am Bilanzstichtag weniger als 12 Monate beträgt,
  • die Verbindlichkeit verzinslich ist, auch bei Stundung von Zinszahlungen oder zeitweiser Verzinsung, oder
  • es sich um Anzahlungen oder Vorauszahlungen handelt.

Verzinsliche und unverzinsliche Verbindlichkeiten

Eine verzinsliche Verbindlichkeit liegt vor, "wenn ein Zinssatz von mehr als 0 % vereinbart wurde. Dabei ist es unerheblich, ob am Bilanzstichtag fällige Zinsen auch tatsächlich gezahlt wurden. So ist bei einer Stundung von Zinszahlungen weiterhin eine verzinsliche Verbindlichkeit anzunehmen."[1]

 
Praxis-Beispiel

Niedriger Zinssatz

Im Rahmen einer Sonderaktion zur Förderung des Verkaufs bietet ein Autohersteller beim Kauf eines Neuwagens eine Finanzierung mit einem effektiven Jahreszins von 0,1 % an. Der Unternehmer, der sich einen neuen Firmenwagen kaufen möchte, nimmt dieses Angebot wahr. Er braucht die Verbindlichkeit nicht abzuzinsen, weil sie verzinslich ist. Die Tatsache, dass der Zinssatz nahe 0 % liegt, ist nicht als Gestaltungsmissbrauch anzusehen. Dieses zinsgünstige Darlehen ist zwischen fremden Dritten abgeschlossen, ohne dass steuerliche Gründe für die Höhe des Zinssatzes maßgebend waren.

Verbindlichkeiten mit verdecktem Zinsanteil

Auch wenn der Zinssatz 0 % beträgt, kann es sich um ein verzinsliches Darlehen handeln, das nicht abgezinst wird. Das ist der Fall, wenn einem bei der Gewährung eines unverzinslichen Darlehens ein Vorteil, z. B. Rabatt, verloren geht oder wenn das unverzinsliche Darlehen mit einer Auflage verbunden ist.

 
Praxis-Beispiel

Verdeckter Zinssatz

Zur Förderung des Verkaufs bietet ein Autohersteller beim Kauf eines Neuwagens eine Finanzierung mit einem Jahreszins von 0 % an. Der Unternehmer, der sich einen neuen Firmenwagen kaufen möchte, nimmt dieses Angebot wahr. Allerdings erhält er nicht den Rabatt von 5 % auf den Kaufpreis, der bei einer Barzahlung üblich ist. Den Zinssatz von 0 % erkauft er sich also mit dem Verzicht auf einen Rabatt, sodass insgesamt nicht von einem unverzinslichen Darl...

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